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Ausgabe:

1979

Spalte:

696-697

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Egenolf, Hans-Andreas

Titel/Untertitel:

Die katholische Weihnachtspredigt nach 1945 1979

Rezensent:

Martens, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

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ändern (P. M. Z u 1 e h n e r) ? Das Verhältnis von „Erfahrung
—Weisheit—Weisung" beschreibt E. Z e n g e r anhand
des Alten Testamentes. Freiheit und Bindung ethischer
Rede haben in „Gottes Zuwendung ... Grund und Maß"
(42). Es folgt H. Peukert mit „Sprache und Freiheit. Zur
Pragmatik ethischer Rede". Auch hier geraten versuchsweise
theologische und kommunikationswissenschaftliche
Erkenntnisse in Berührung. — Im II. Teil geht es um „Neue
homiletische Verfahren" (77—138). Experimente aus den
Arbeitsgruppen der Tagung werden gezeigt. Zwei von ihnen
arbeiten textorientiert: Das Gleichnis vom Verlorenen Sohn
wird durch A. Stock einer „strukturalen Textanalyse im
Problemzusammenhang der Pragmatik ethischer Rede"
(79) unterzogen. Es ist nützlich zu sehen, wie die linguistische
Methodik exegetisch wirksam wird. Am weitesten
weicht O. Fuchs' Beitrag vom Thema ab: „Wohl euch,
ihr Armen. Zur semantischen Analyse der Wertungsstrukturen
eines Predigttextes" (88). Vf. analysiert eine Predigteinleitung
zu Lk 6,17. 20—26 unter Beifügung konzentrierter
theoretischer Zwischeninformationen und unter Beachtung
sog. denotativer und konnotativer Isotopie (manche
Sätze enthalten fast mehr linguistische Fremd- als übliche
deutsche Wörter). Die Diskussion über eine Verwertung
seiner Methoden für die homiletische Ausbildung verläuft
gemischt, wird freilich auch recht neuartig empfunden. —
Anders steht es mit den folgenden Beiträgen, die ethische
Predigt unter dem Aspekt des Predigers angehen; u.zw.
mit Hilfe der Gestalttherapie (I. N e u m a n n) und der
Transaktionsanalyse (M. Schnatmann und W. Born).
Hier liegen bereits Erfahrungen vor. — Die „Beispiele
ethisch-appellativer Predigt" im II. Teil (139—155) bieten
einleitend instruktive Äußerungen der Tagungsteilnehmer
zu negativen und positiven Kriterien ethischer Predigt. Sie
sind wichtig. Die anschließenden Predigten von H. W.
Dannowski, G. Fuchs und J. Kleemann überzeugen
nur zum Teil.

Gegenüber einer engen, besonders in der katholischen
Lehr- und in der evangelischen Predigttradition sich findenden
negativen Form der Moralpredigt unternehmen die
Teilnehmer der Tagung befreiende Schritte. Sämtlich betonen
sie den evangelischen Grundsatz einer Vorgabe von
Gottes Annahme vor aller Forderung, die Geschichtlichkeit
und Situationsabhängigkeit ethischen Handelns und empirische
Einzelerkenntnisse, um ethische Predigt methodisch
konkret zu denken und zu praktizieren. Diese drei Grundrichtungen
der Erkenntnis sind zu bejahen. Ihre Anwendung
und praktische Durchklärung steckt freilich zum Teil
noch in den Kinderschuhen, wie die Vf. selbst sagen. Zudem
sind einige allgemeine Bedenken vorzubringen: 1. Die
empirischen Wissenschaften sind nur zum Teil klar in Sicht
geraten, wobei das schwierige Feld der „Linguistik" sich
offensichtlich bisher nur kompliziert betreten läßt. Soziologische
und psychologisch bestimmte Einzelmethoden sind
homiletisch offenbar leichter übertragbar und auswertbar.
Ein Defizit liegt bei dem Stichwort „Rhetorik" vor. Wie
gehört diese praktische Wissenschaft mit der Linguistik zusammen
? 2. Eine Unsicherheit besteht in der Definition
dessen, was traditionell „Moralpredigt" heißt: Moralpredigt
, ethische, appellative Rede, ethische Verkündigung,
Theorie sprachlichen Handelns zur Alltagsbewältigung
(und -verhalten) — so und anders wird recht variabel und
manchmal etwas sorglos durcheinander formuliert. Geht es
nun bei der Tagung um die ethische Dimension christlicher
Verkündigung überhaupt oder um den Spezialtyp von Predigt
, den wir traditionell „Moralpredigt" nennen? Erstreckt
diese sich auf die Innen- und Außenwelt menschlichen Alltagslebens
überhaupt oder nur auf die Dimension öffentlicher
christlicher Existenz, ohne wiederum mit der politischen
Predigt voll identisch zu sein? Hier fehlt es den Vf.
an eindeutigen Vorstellungen, so daß das Feld praktischer
Zuwendung, um das es gehen soll, oft recht abstrakt bzw.
auch verworren aussieht. 3. Die Spannung zwischen Theorie
und Praxis ethischer Predigt wirkt noch recht groß. Vielleicht
war es zu viel, theoretische Erkenntnisse empirischer
Wissenschaften mit homiletischen Produkten und Verfahren
unter der Fragestellung der ethischen Dimension der
Verkündigung (denn überwiegend geht es doch wohl um
dieses allgemeine Thema) zusammenbinden zu wollen. So
gerät man beim Lesen in nicht nur angenehme Wechselbadstimmungen
.

Der Wert des Buches liegt mehr im Aufweis von Detailerkenntnissen
als im Angebot abschließender Zusammenfassungen
. Am gesündesten wirken die gesammelten Äußerungen
der Tagungsteilnehmer zum Thema (114 ff., 139 ff.)-
Sie haben schon fast alles Nötige gesagt. Und es läßt sich
davon das meiste — trotz anderer Auffassung der Hrsg.
(S. 7, 9) — schon in früheren homiletischen Äußerungen
nachlesen.

Berlin Friedrich Winter

Esrenolf, Hans-Andreas: Die katholische Weihnachtspredigt
nach 1945. Leipzig: St. Benno-Verlag 1977. XX, 117 S. 8" =
Erfurter Theologische Schriften, 14. Kart. M 10,80.

Der erste Eindruck, der sich bei der Lektüre des vorzustellenden
Bändchens dem Rez. aufdrängt, ist: Gott sei
Dank sind wir bei der Predigt im wesentlichen über die
Zeit (vor und) nach 1945 hinaus! Dieser Stoßseufzer betrifft
freilich nicht das kleine informative Bändchen selbst, sondern
eine Reihe von Zitaten aus Predigten, die dort gesammelt
sind. Eine „Sittenpredigt des Christkindes" (47) oder
„Christkindleins Weltbetrachtung" (22) wird wohl so unbefangen
heute kein Prediger mehr weitergeben wollen.
Freilich sind das Titel von Predigten aus den Jahren 1920
bzw. 1925.

Damit ist zugleich eine Eigenart von Egenolfs Arbeit
einerseits und mancher zitierter Predigten andererseits angedeutet
. Der Vf. beschränkt sich vor allem im ersten Abschnitt
des zweiten, zentralen Kapitels nicht auf Predigten
der Zeit „nach 1945", wie der Titel nahelegt, sondern er
greift auch auf die Zeit nach dem ersten Weltkrieg zurück
— so können Predigtbeispiele aus dem Jahre 1954 neben
solchen aus dem Jahre 1922 stehen (vgl. 26 f.) —, und er begründet
diesen Rückgriff damit, daß die vom Rottenburger
Bischof Paul Wilhelm von Keppler damals eingeleitete
„Tendenz der biblisch-anschaulichen Predigt (...) bis in
die neueste Zeit hinein in der katholischen Predigtliteratur
zu finden" ist (21). In der Tat entdeckt der Leser in den
Predigtbeispielen dieser Gruppe der „biblisch-anschaulichen
Weihnachtspredigt" fast keine zeitspeziflschen Aussagen
. Das Moralisieren macht offensichtlich das Hauptanliegen
der „biblisch-anschaulichen Weihnachtspredigt"
aus. Dabei können die Prediger die „strenge Rückbindung
an die Schriftaussage nicht als notwendig erachten" (25).

Neben der „biblisch-anschaulichen Weihnachtspredigt"
(20—54) nennt der Vf. zwei andere Dimensionen, nach denen
er die analysierten Predigten ordnet: die „theologisch engagierte
" (54—86) und die „liturgisch-kerygmatische Weihnachtspredigt
" (87-100).

Als Repräsentanten für theologisch engagiertes Predigen
stellt der Vf. R. Guardini, Th. Kampmann und K. Rahner
vor. Damit stellt er freilich einen hohen Anspruch. Von solcher
Predigt kann es heißen: „Hier wird die Aussage der
Offenbarung vorbehaltlos anerkannt." (55) Es zeigt sich
aber auch, daß die „Anschaulichkeit", auf die der theologisch
wirklich kompetente Prediger gar nicht verzichten
muß, ganz anders aussieht: weniger pathetisch, wahrer,
überzeugender (vgl. die Beispiele 65). Auf oberflächliches
Moralisieren kann er verzichten, er ist mit Th. Kampmann
überzeugt, „daß die erkannte Botschaft Gottes ... zu dem
entsprechenden Handeln führt" (67).

Für die „liturgisch-kerygmatische Predigt" stehen vor
allem Namen wie P. Parsch, J. Pinsk, E. Berbuir. Aus der
liturgischen Bewegung erwachsen, stellte sie einen vielversprechenden
Neuanfang dar, sie brachte aber mit sich