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Ausgabe:

1979

Spalte:

693-694

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Gunneweg, Antonius H. J.

Titel/Untertitel:

Leistung 1979

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Seite 1

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G93

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

G94

sich Vf. auf eine Erörterung der traditionellen theologischen
Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe) und der Kardinaltugenden
(Klugheit, Gerechtigkeit, Maßhaltung, Tapferkeit
).

An die Stelle der sonst üblichen knappen Inhaltsübersicht
setzt Vf. einleitend eine ausführliche Analytical Table of
Contents (V—XXXIII), in der die späteren breiten Ausführungen
in kurzen und übersichtlichen Sätzen zusammengefaßt
werden.

Im ersten Kapitel (1—19) behandelt Vf. die Frage: Warum
Menschen die Tugenden brauchen. Tugenden sind notwendig
zur Erreichung eines Zieles. Wegen unserer teleologischen
Verfaßtheit brauchen wir Tugenden nicht auf Grund
von Inklinationen oder Verpflichtungen, sondern auf Grund
dessen, was wir sind; und wir brauchen sie nicht zum Nutzen
, zum Vorteil oder zur Selbstlosigkeit, sondern wir
brauchen sie zur Erreichung unseres Zieles. Zwischen Kardinaltugenden
und theologischen Tugenden besteht allerdings
hinsichtlich des Zieles ein Unterschied: Die vier
Kardinaltugenden können als zur Erreichung des Hauptziels
des Menschen für erforderlich erachtet werden, ohne
daß es nötig ist, das Ziel des Menschen zu bestimmen. Die
drei theologischen Tugenden dagegen können nur als notwendig
angesehen werden unter der Voraussetzung, daß
wir unser letztes Ziel kennen: Gott anzuerkennen und ihn
über alles zu lieben.

Wir brauchen Klugheit zur weitsichtigen Planung; wir
brauchen Gerechtigkeit zur Sicherung von Zusammenarbeit
und Vertrauen unter den Menschen; wir brauchen
Maßhaltung, um nicht durch Suche nach kurzlebiger Befriedigung
von unseren höheren Zielen abgelenkt zu werden;
und wir brauchen Tapferkeit, um in Rückschlägen, Schäden
, Schwächen und Schwierigkeiten durchzuhalten.

Wir brauchen die theologischen Tugenden des Glaubens,
der Hoffnung und der Liebe, um unser übernatürliches Ziel
zu erlangen. Auf der Grundlage dieser Gedanken über die
Notwendigkeit der Tugenden erörtert Vf. in sieben Kapiteln
die einzelnen theologischen und Kardinaltugenden.

Der Inhalt seiner Ausführungen zu den Tugenden kann
hier nicht im einzelnen zur Sprache gebracht werden. Es
muß aber vermerkt werden, daß die Ansichten des Vf.
über Erbsünde, Entstehung menschlichen Lebens oder
..Verknüpfung" der Kardinaltugenden, um nur einige Beispiele
zu nennen, kaum allgemeine Zustimmung erfahren
Werden.

Bemerkenswert ist die Art und Weise, in der Vf. über die
Tugenden spricht. Er weiß sich keineswegs dem aus den
Lehrbüchern und Lexikaartikeln bekannten Behandlungs-
schema verpflichtet. Auch schreibt er keine Meditation über
die Tugenden. Es geht ihm innerhalb des von ihm gewählten
Systems um eine streng logische Gedankenführung. Das
hat zur Folge, daß in seine Auseinandersetzung mit der
Tradition (besonders Thomas von Aquin) und mit der
neueren angelsächsischen Ethik (Moore, Hare) eine Vielzahl
von logischen Überlegungen einfließt, die dem Verständnis
seiner Intentionen durchaus dient, aber manchmal
auch den Gedankengang stört. Diese kritischen Bemerkungen
wollen jedoch keineswegs den Wert dieses Buches
schmälern, der darin liegt, daß Vf. uns mit Gedanken-
gangen über die Tugenden vertraut macht, die der heutigen
angelsächsischen Ethik verpflichtet sind.

Erfurt Wilhelm Ernst

Gunneweg, Antonius H. J., u. Walter Schmithals: Leistung.

Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz: Kohlhammer [1978].
167 S. 8° = Kohlhammer Taschenbücher, Biblische Konfrontationen
, 1007. Kart. DM 12,-.

Eine theologische Stellungnahme zum modernen Begriff
.Leistung' und zu den Fragen, die mit diesem Begriff und
seinem Gebrauch zusammenhängen, wird gewiß auf lebhaftes
Interesse stoßen. Die Spannung zwischen der Wertung
der Persönlichkeit nach ihrer Leistung und der theologischen
Erkenntnis der Nichtigkeit menschlicher Leistung
im Verhältnis des Menschen zu Gott legitimiert nicht nur,
sondern fordert eine solche Stellungnahme. Den Vff. gelingt
es, dazu Erhellendes und Beherzigenswertes aus biblischer
Sicht beizutragen und darüber hinaus aufzuzeigen,
welche Rolle die Leistung des Menschen auf materiellem,
historischem, ethischem und geistlichem Gebiet in der biblischen
Uberlieferung spielt.

Die Gegenwartsfragen, für die im Alten und Neuen
Testament nach hilfreicher Antwort gesucht wird, entstammen
— dem Standort der Vff. und des angesprochenen Leserkreises
gemäß - der Problematik der bürgerlichen
„Leistungsgesellschaft", der „pragmatischen Konsumgesellschaft
". Das Schreckensbild eines marxistischen „Leistungs-
syndroms", das angeblich notwendigerweise versagen und
zu „gewalttätige (m) Anarchismus" führen muß (Schmithals
, 116) entspricht dieser Orientierung. Es fällt allenthalben
auf, daß die soziale Wirklichkeit der altvorderasiatischen
und antiken Arbeitswelt nicht hinreichend berücksichtigt
wird. Bezeichnenderweise bleiben jene Schichten,
für die Quantität und Qualität der zu erbringenden Leistung
nicht eine individuelle Entscheidungsfrage war,
außerhalb des Blickfeldes der beiden Autoren.

k.-h. b.

Veenhof, Jan: Geist und Liebe. Die systematischen Voraussetzungen
der Ethik Hendrik van Oyens. Amsterdam:
Rodopi 1978. 97 S. m. 1 Porträt. 8°. hfl. 16,-.

Diese Studie ist dem achtzigjährigen H. van Oyen gewidmet
und möchte eine „phänomenologische Analyse" (9)
seines ethischen Nachdenkens liefern. Dieses Verfahren
legt sich sowohl auf Grund der Kennzeichnung des van
Oyenschen Werkes (nicht „in streng durchgeführter Systematik
") als auch im Blick auf die Offenheit seiner Konzeption
nahe. In neun Abschnitten läßt der Vf. ein kurzes und
prägnantes Bild entstehen; hier überzeugt einesteils die abgewogene
ethische Argumentation van Oyens (gestützt
durch seine philosophische Kompetenz), die sich zuweilen
in originellen Begriffsbildungen niederschlägt („Anwaltschaft
des Geistes", „Mandatarschaft", „Recognitio" als
Sein-in-Christus usw.), andernteils der Versuch des Vf., an
einem wichtigen Ausschnitt der Überlegungen van Oyens
zu zeigen, „wie seine Ideen die Besinnung auf konkrete
ethische Fragen fördern können" (94), was auf der Folie
der gegenwärtigen ethischen Grundlagendiskussion verhandelt
wird („Liebe und Menschlichkeit", 79—97).

M. p.

Praktische Theologie: Homiletik

Kamphaus, Franz, u. Rolf Zerfaß [Hrsg.]: Ethische Predigt
und Alltagsverhalten. München: Kaiser; Mainz: Matthias-
Grünewald-Verlag [1977]. 156 S. 8° = Gesellschaft und
Theologie. Abt.: Praxis der Kirche, 25. DM 16,50.
Vorträge, Modelle, Gesprächsbeiträge einer Tagung der
„Arbeitsgemeinschaft Katholischer Homiletiker" vom Oktober
1976 liegen hier vor, auch evangelische Theologen
waren beteiligt. Gegenüber einer negativen Auslegung des
Begriffes „Moralpredigt" werden „Lösungsrichtungen" für
eine tragbare Form ethischer Rede heute aufgezeigt, „wo
erste solidere Kontakte zu den Humanwissenschaften und
zur Linguistik" aufgenommen werden (10). — Teil I bietet
„Ansätze zur Grundlegung ethischer Rede" (9-76). Der
soziokulturelle Kontext kirchlich-appellativer Rede wird
ins Auge gefaßt: Wie kommt es durch seine Beachtung zur
Konversion, so daß sich Lebenseinstellungen wirklich ver-