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1979

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Systematische Theologie: Dogmatik

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680

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

090

unter der Leitthese, daß die christologischen Einsichten des
Früh- und Hauptwerkes gegen die seines Spätwerkes sprechen
(115).

^ Greive arbeitet überzeugend heraus, wie Herrmann im
Frühwerk und meistenteils auch im Hauptwerk den Glauben
an Jesus als dessen geschichtlichen Grund verwies und
damit versuchte, der — von Greive im Anschluß an W. Pannenberg
besonders betonten — geschichtlichen Vermittlung
der Wahrheit des Glaubens (22 ff., 169 ff.) auf seine Weise
gerecht zu werden. Damit hat Herrmann dem den Glauben
hervorrufenden objektiven Extra nos Rechnung tragen und
den Wahrheitsanspruch des Glaubens angesichts der Infragestellungen
durch die neuzeitliche Situation „nicht auf
eine unbegründete, nicht einsichtige Behauptung zusammenschrumpfen
" lassen wollen (87). Freilich hat Herrmann
auch das menschliche Selbst für die Glaubensbegründung
'n Anschlag gebracht. Greive betont zu Recht den „doppelte
^) Ansatz beim Selbst des Menschen und der Person
Jesu" (39) und kann nun zeigen, wie sich dieser doppelte
Ansatz immer mehr zugunsten des Selbst und zuungunsten
der Christologie für die Glaubensbegründung verschiebt
(vgl. ebd.). So verwandelt sich — deutlich greifbar nach 1905
~ die Aufgabe der Glaubensbegründung in die Aufgabe der
Beschreibung des Glaubens bzw. des „Weges zur Religion"
(vgl. 51). Herrmann habe sich dann nur noch auf das individuelle
Oifenbarungserlebnis des einzelnen konzentriert —
auf das Erlebnis des Vertrauens und der Hingabe, das uns
die Wirklichkeit Gottes erfahren läßt. Folge: „Der Ansatz
bei dem nach persönlicher Gewißheit fragenden Menschen
wird in einer solchen Weise radikalisiert, daß der Ansatz
bei der geschichtlichen Erscheinung Jesu als der besonderen
Offenbarung Gottes faktisch aufgegeben ist" (122). „Im Privaten
geschieht die Selbstvergewisserung der Subjektivität
" (127). Dabei berücksichtigt Greive im Unterschied zu
anderen Autoren, daß Herrmann auch im Spätwerk die
Christologie trotz ihrer sehr hintergründigen Rolle nicht
einfach preisgegeben hat (vgl. bes. 42 ff., 216, Anm. 36).

Diese von Greive vorgelegte Darstellung der Entwicklung
Herrmanns ist zutreffend. Nicht ganz so uneingeschränkt
akzeptierend wird sich freilich der kundige Leser gegenüber
der Bestimmung der Motive verhalten, die nach Grei-
ves Urteil zum Verlust des Christozentrismus bei Herrmann
führten. Greive benennt auch hier durchaus stichhaltige
Anhaltspunkte, vermag aber m. E. mit dem von ihm anvisierten
Hauptmotiv, welches Herrmann bestimmt haben
soll, schwerlich zu überzeugen. Demnach sei Herrmann entscheidend
durch die Fortschritte der historischen Kritik
dazu veranlaßt worden, die Begründung des Glaubens auf
den geschichtlichen Jesus fallen zu lassen. (Ähnliche Vermutungen
hatte ebenfalls schon J. M. Robinson geäußert.)
Denn Greive meint nachweisen zu können, daß es ursprünglich
eine „Grundvoraussetzung" der Herrmannschen
Theologie gewesen sei, „daß ... Jesus Christus eine bestimmte
geschichtliche Tatsache ist, die auch in der wissenschaftlichen
Nachfrage sich ausweisen kann und muß" (52).
Diese Aussage läßt sich aber so nicht aufrechterhalten, auch
angesichts der von Greive immerhin eingeräumten Einschränkungen
dessen nicht, was man im Blick auf Herrmann
unter solcher „Ausweisbarkeit" verstehen könnte.
Die Beobachtungen, die Greive zur Relevanz des Historischen
für Herrmanns Theologie zusammenträgt (vgl. 85 ff.,
134 ff., 138 f.) verdienen gewiß große Beachtung, gleichwohl
verdecken sie die bereits beim frühen Herrmann
prinzipiell implizierte Unterscheidung zwischen Geschichtlichem
und Historischem. Es spricht wesentlich mehr dafür,
daß der „geschichtliche Jesus" für Herrmann keinesfalls
mit dem historisch erfaßbaren Jesus gleichbedeutend ist,
sondern eine sich mir unmittelbar aufdrängende geschichtliche
Lebenswirklichkeit bedeutet, welche objektivierende
und relativierende historische Verifikationsschemata
sprengt, ja hinter sich läßt. Daß Greive zu einem anderen
Urteil gelangt, könnte daran liegen, daß er die vielfältigen
Differenzierungen der Begriffe „geschichtlich" und „historisch
" bei Herrmann nicht ausdrücklich reflektiert; nur
gelegentlich klingen solche Differenzierungen an, z. B. wenn
Greive nun doch eine Unterscheidung zwischen „historisch"
und „bloß historisch" ins Feld führt (75). Auf Grund der
Fraglichkeit dieser Prämissen, die übrigens stark vom universalgeschichtlichen
Ansatz Pannenbergs bestimmt wurden
, bedarf auch die Folgerung — die veränderte neutesta-
mentliche Forschungslage habe „gravierende Folgen für
seine (sc. Herrmanns) Theologie, da sie ihr Zentrum in der
Christologie besitzt" (117) — weiterer Diskussion.

Durch solche Anfragen wird aber der Wert dieser Arbeit
nicht gemindert. Sie hat ein noch offenes Problem der
Herrmann-Forschung einer Lösung näher gebracht und
vermag auch den noch nicht mit Herrmann vertrauten Leser
in geeigneter Form in das Zentrum Herrmannscher
Theologie einzuführen. Sie macht darin mit einem Denken
vertraut, das interessante Parallelen im Umfeld der Theologie
unseres Jahrhunderts zeitigt — aufschlußreich dafür
ist die „Theologiegeschichtliche Anmerkung" im Schlußteil
des Buches (172 ff.).

Halle (Saale) Michael Belntker

Amato, Angelo: Dall'uomo al Cristo, Salvatore assoluto,
nella teologia di K. Rahner: la „cristologia trascenden-
tale" al suo primo livello di riflessione (Sal. 41, 1979 S.
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Apel, William D.: The lost world of Billy Graham (RRelRes

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Bartnik, Czeslaw: Die Taufe der Kirche (CoTh 47, 1977 S. 43

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Burgsmüller, Alfred, u. Rainer Bürgel: Die Arnoldshainer
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hrsg. 2., erw. Aufl. Bielefeld: Luther-Verlag
1978. 80 S. 8°. DM 4,50.

Caviglia, Giovanni: L'idea di „rivelazione" nel cristiane-
simo e nelle religioni non cristiane (Sal. 40, 1978 S. 779
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Huber, Wolfgang: Die Kirche als Raum und als Anwalt der

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Koch, Ernst: Die Konkordienformel von 1577 — Entstehung

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Kühn, Ulrich: Wie lehrt die Kirche heute verbindlich? (ZdZ

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Napiörkowski, Stanislaw Celestyn, OFMConv.: Interpretation
exclusive ou inclusive du principe „Solus Christus" ?
(CoTh 47, 1977 S. 169-196).

Riess, Richard: Abschied und Aufbruch im Glauben. Zu
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Scuderi, Giovanni: La „dignitas" del ministro e la cena del
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Seckler, Max: Tradition als Überlieferung des Lebens. Eine
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Tourn, Giorgio: Pragmatismo o confessione? (Protest. 33,
1978 S. 234-242).

Systematische Theologie: Ethik

Okayama, Kotaro: Zur Grundlegung christlicher Ethik.

Theologische Konzeptionen der Gegenwart im Lichte des
Analogie-Problems. Mit einem Vorwort v. H. Thielicke.
Berlin - New York: de Gruyter 1977. IX, 268 S. 8° = Theologische
Bibliothek Töpelmann, 30. Lw. DM 52,-.

Der japanische Theologe, ein Schüler H. Thielickes, untersucht
zwei Grundmotive der theologischen Ethik, die