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Ausgabe:

1979

Spalte:

688

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Maass, Fritz

Titel/Untertitel:

Was ist Christentum? 1979

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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687

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

688

kleine Studie 1969/70 verfaßt.1 Zu dieser Zeit wirkte er als
Europasekretär des Christlichen Studentenweltbundes
(WSCF) in Genf (1967-1973). Er hat die Aufbrüche der damaligen
Studentengeneration intensiv erlebt in der Organisation
des Ökumenepioniers John R. Mott — mit alledem,
was das auch an Unruhe und Infragestellung im WSCF und
durch denselben bedeutete, den Emidio Campi, Opocenskys
Nachfolger in Genf und jetziger Generalsekretär, in seinem
Vorwort das Experimentierlabor des Ökumenismus nennt.
Was für ein Wandel im letzten Dezennium! Im Frühjahr
1978 hat die Europakonferenz des WSCF in Athen unter
dem Thema „10 Jahre danach — eine Herausforderung für
Studium und Studentenarbeit 1978" Rückschau auf die
Studentenbewegung der sechziger Jahre gehalten und die
Berichte darüber als Versammlung einer anderen Generation
durchaus zurückhaltend zur Kenntnis genommen.

Auf Grund all dieser Erfahrungen, denen sich umfangreiche
Kenntnis der Literatur zugesellt, kann Vf. kompetent
über sein Thema handeln. Wertvoll seine knappen Analysen
der Oktoberrevolution von 1917 und der revolutionären
Anstrengungen in Tansania! Er redet also nicht von „Revolution
" an und für sich, sondern von konkreten Revolutionen
. Historische Rückblicke gelten der Bibel und der frühen
Kirche, Luther, Müntzer und Calvin, der Zeit nach 1918
bis hin zur kubanischen Revolution mit ihren Implikationen
für Kirchen und Theologie auf der Insel und den Wirkungen
von Camilo Torres auf die Golconda-Bewegung.

Ein anderes Kapitel ist der ökumenischen Diskussion über
die Revolutionsproblematik seit ihren Anfängen gewidmet.
In der Frage von Gewalt und Gewaltlosigkeit in den unterentwickelt
gehaltenen Ländern plädiert Vf. in sehr besonnener
Weise dafür, diese nicht abstrakt zu lösen. Unsere
„Nachbarn" seien heute nicht allein Individuen, sondern
das gesamte Menschengeschlecht. Struktureller Gewalt
könne nicht einfach mit persönlicher Nicht-Gewalt entgegengetreten
werden. Damit hat Vf. den Durchbruch in
weiten Teilen der Christenheit benannt. Die Frage, ob dieser
Durchbruch aus der biblischen Botschaft selbst komme
oder durch nichttheologische Faktoren verursacht sei, hält
Vf. in einem gewissen Sinne für unbeantwortbar, tendiert
aber persönlich deutlich dahin, daß die biblische Botschaft
in ihrer Dynamik auf die realen Probleme in der Menschheit
orientiere. Das abschließende Kapitel unterrichtet unter
sozialethischen Aspekten über die wissenschaftliche und
technologische Revolution, was sich nach meinem Dafürhalten
in diesem Kontext doch etwas als Anhang ausnimmt,
ohne daß das Gewicht der verhandelten Probleme bestritten
werden soll.

Insgesamt orientiert Vf. auf einem schwierigen theologischen
Terrain außerordentlich hilfreich. Das betrifft jeden
Leser, insbesondere aber vermutlich die Glieder der dem
WSCF verbundenen europäischen Studentengemeinden.
Denn mit diesem schmalen Band nimmt er als (bis 1979)
Vorsitzender des Europa-Komitees des WSCF, in welchem
er seine ökumenischen Erfahrungen an die Jüngeren vermittelt
, auch ein Stück geistlicher Beratung wahr. Zugleich
veranschaulicht er etwas von der theologischen Arbeit der
ältesten ökumenischen Organisation. „Student World", die
vor fast zehn Jahren eingestellte Vierteljahresschrift, hat
in den „WSCF books" einen quantitativ bescheideneren,
qualitativ aber beachtlichen Ersatz gefunden2, dem glückliches
Gedeihen gewünscht werden soll.
Güstrow Jens Langer

1 Vgl. von ihm auch: Europäische Theologie - Andere Theologien.
Ein osteuropäischer Beitrag, in: Europäische Theologie herausgefordert
durch die Weltökumene (= KEK-Studienheft 8), Genf 1976
89-107; Die Utopie der Weltgemeinschaft, in: Christen und nicht-
christliche Religionen. Die Weltreligionen für den Frieden. Ein reli-
gions-wissenschaftliches Kolloquium, Praha, CSSR, 11. Januar 1977,
hrsg. vom ökumenischen Rat der Kirchen der CSR und der Evangelisch
-theologischen Comenius-Fakultät, 115-119.

2 Als Nr. 1 und 2 der WSCF books erschienen: S. Rostagno, Essays
on the New Testament. A „Materialistic" Approach, Geneva (1976),
daraus in: ZdZ 29, 1975 S. 88-94 „Klassenversöhnlerisches" Verständnis
der Bibel?; A. Molnar, A Challenge to Constantinism. The
Waldensian Theology in Middle Ages, Geneva 1976.

Maass, Fritz: Was ist Christentum? Tübingen: Mohr 1978.
148 S. kl. 8°.

Von dem bekannten Alttestamentier wird hier ein leidenschaftliches
Plädoyer für eine Sicht des Christentums vorgelegt
, dessen „Verflochtenheit des Evangeliums mit der
Botschaft des Alten Testaments" (11) nicht nur sichtbar zu
machen ist. Das Christentum kann sich nicht mehr auf seine
Autorität berufen; „es muß von der Sache, von seinem Verständnis
des menschlichen Lebens her neu überzeugen".
Um diese Einsicht umzusetzen, begibt sich der Autor auf
einen Weg, der sich an die biblischen Aussagen gebunden
weiß und zuweilen äußerst kritisch mit theologischen Strömungen
der Gegenwart umgeht. Sein Ziel ist das „neue
christliche Bekennen" (133 ff.), getragen „von einer neuen
Gottesgewißheit" (147).

m. p.

Gogolewski, Tadeusz: Apologie der Apologetik (CoTh 47,
1977 S. 69-76).

Lash, Nicholas: Döing theology on Dover beach. An Inau-
gural Lecture. Cambridge — London — New York — Melbourne
: Cambridge University Press [1978]. 31 S. kl. 8°.
£ - 95.

Lochman, Jan Milic: Tendenzen im ökumenischen Dialog

über Glauben und Wissenschaft (ÖR 27, 1978 S. 458-473).
Moysa, Stefan, SJ: Les sources et les conditions d'une plu-

ralisme theologique (CoTh 47, 1977 S. 27-42).
Pannenberg, Wolf hart: Die Bedeutung der Kategorien

„Teil" und „Ganzes" für die Wissenschaftstheorie der

Theologie (ThPh 53, 1978 S. 481-497).
Stoevesandt, Hinrich: ... nachdenkendes Mitgehen ... Ein

Jahrzehnt nach dem Tode Karl Barths (DtPfrBl 78, 1978

S. 711-713).

Systematische Theologie: Dogmatik

Greive, Wolfgang: Der Grund des Glaubens. Die Christolo-
gie Wilhelm Herrmanns. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1976J. 233 S. gr. 8° = Forschungen zur systematischen
und ökumenischen Theologie, 36. Kart. DM 28,—.

Die Theologie Wilhelm Herrmanns hat seit den sechziger
Jahren in auffälliger Weise das Interesse zahlreicher Mo-
nograflen und Untersuchungen gefunden. Wolfgang Greives
Studie — sie geht auf eine 1972 in München vorgelegte Dissertation
zurück — untersucht das Problem der Begründung
des Glaubens in Herrmanns Theologie und ist bemüht,
dieses Problem durch eine gezielte Analyse der Rolle der
Christologie in den unterschiedlichen Phasen des Herr-
mannschen Gesamtwerks zu klären. Damit wird ein echtes
Desiderat der Herrmann-Forschung in Angriff genommen.
Zwar war bereits seit der Arbeit von J. M. Robinson (Das
Problem des Heiligen Geistes bei Wilhelm Herrmann, Diss.
Marburg 1952) deutlich geworden, daß die These von der
Schlüsselfunktion der Christologie in Herrmanns Denken
der Differenzierung bedarf und in ihrer uneingeschränkten
Selbstverständlichkeit nicht mehr haltbar ist. Die lange
Zeit vernachlässigte Methode sorgfältiger Vergleiche der
Hauptschriften Herrmanns machte inzwischen beträchtliche
Akzentverschiebungen des christologischen Ansatzes bewußt
und ließ sogar die Hypothese von einer völligen
Preisgabe der Christologie zugunsten einer radikalen
Existentialisierung des christlichen Glaubens aufkommen.
Greives Untersuchung wendet sich diesen Akzentverschiebungen
und Modifikationen der ursprünglich exklusiv
christologischen Begründung des Glaubens bei Herrmann
im Detail zu und analysiert mit zum Teil bestechender Sorgfalt
und Umsicht Hintergründe und Motive der allmählichen
„Minimalisierung der Christologie" (39). Überzeugend
ist die Darstellung des Herrmannschen Denkweges