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Ausgabe:

1979

Spalte:

685-686

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Timm, Hermann

Titel/Untertitel:

Geist der Liebe 1979

Rezensent:

Dantine, Wilhelm

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Seite 1

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685

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

686

System, sondern auf den Zauber an; was ich zu sagen habe,
Paßt in keine Systematik), möchte der Vf. mit dieser detaillierten
„Erforschung des Systems diesen Zauber aber wegnehmen
und die nüchterne Struktur des Systems, die sich
in seinem Zeigen verbirgt, sichtbar machen" (586). Nur so
sei der Vergleich mit andern Denkern möglich. Diesen Vergleich
unternimmt der Vf. selber nicht mehr, sondern weist
nur hin auf eine mögliche Konfrontation des Ich-Du-Prin-
z'ps mit dem am cartesianischen Denken orientierten causa-
sui-Prinzip.

Abschließend charakterisiert der Autor Bubers Schrift
als eine zur Mystik gehörige Schrift, was bei ihm so viel
bedeutet wie die Integration von täglicher Erfahrung und
Glaubenserfahrung.

Groningen Adriaan Geense

Bucher, Alexius J.: Ist Einleitung in Philosophie möglich?
Materialien zu einer Antwort (ThPh 53, 1978 S. 397-406).

Kierkegaard, Sören: Die Krankheit zum Tode. Der Hohepriester
— der Zöllner — die Sünderin. Übers, v. E. Hirsch.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn (Lizenzausgabe
des Eugen Diederichs Verlages, Düsseldorf/Köln)
[1978]. XII, 186 S. 8° = GTB 422. Kart. DM 9,80.

Pöltner, Günther: Erfahrung radikaler Fraglichkeit als
Grundlage einer Philosophischen Theologie? (ThPh 53,
1978 S. 367-396).

Systematische Theologie: Allgemeines

Timm, Hermann: Geist der Liebe. Die Ursprungsgeschichte
der religiösen Anthropotheologie (Johannismus). Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus [1978]. 232 S. 8°. Kart. DM
44,-.

Es wäre ein hoffnungsloser Versuch, diesem Buch in der
üblichen Form einer knappen Rezension, darstellend und
kritisch würdigend, gerecht werden zu wollen. Die Lektüre
gestaltet sich zu einem Wechselbad von verschiedensten
Empfindungen: Ärger über einzelne krasse Einseitigkeiten
wird jeweils vom faszinierten Hingerissensein hinweggeschwemmt
, das Komposition, Sprache und provozierender
theologischer Elan auslösen. Das mitreißende Pathos der
Darstellung wird wiederum vom Autor im Blick auf seine
Ergebnisse mit Resignation unterlaufen, zugleich jedoch
wieder unter das Zeichen einer Hoffnung gestellt, die
freilich ihrerseits stets neu problematisiert, ja, attackiert
erscheint. Nötige Rückfragen gäbe es in solcher Fülle, daß
sie selber den Raum einer solchen Schrift benötigen würden
. Angesichts der anregend-aufregenden Provokation
des ganzen Werkes möchte ich mich darauf beschränken,
einige Gründe zu nennen, warum ich diesen ,Geist der
Liebe' für außerordentlich diskussionswürdig halte und
mich der Hoffnung hingebe, daß er eine Wende der systematischen
Theologie insgesamt heraufführen könnte.

1. Es geht um einen neuen und neuartig-selbständigen
Versuch, griechisches und biblisches Empfinden und Denken
miteinander zu versöhnen, u. zw. nicht in der üblichen
historisierenden Weise, sondern unter vollem Einbezug der
Geschichte des Geistes bis in dessen unmittelbar gegenwärtige
Problematik. Dies zeigt sich etwa an der Bestimmung
von .Freiheit', wobei diese nicht zuletzt aus einem vorurteilsfreien
Überdenken der Geisterfahrung in der Frühromantik
und im Deutschen Idealismus gewonnen wird.
Dieses Unternehmen einer Neuaufarbeitung eines wesentlichen
Stückes noch immer unbewältigter protestantischer
Frömmigkeitsgeschichte kann schon als solches nur dankenswert
begrüßt werden.

2. Notwendig verbindet sich damit das Experiment einer
Neubestimmung des Verhältnisses von .Religion' und .Offenbarung
', wenn dies auch nur beiläufig in Erscheinung

tritt. Die hier implizierten Angebote sind wesentlich tiefer
angesetzt, als dies heute im Zuge der Neukonfrontation der
Spiritualität alter und neuer Religionen mit dem Evangelium
der Fall zu sein pflegt.

3. Der Versöhnungsversuch wird auf einer Basis gestartet,
die im weitesten Sinne dieses Wortes eine .ethische' ist. Der
Einsatz beim Verhältnis von Eros, Philia und Agape bringt
neuartige Aspekte so ein, daß sie zur theologischen Reflexion
zwingen. Wenn auch offen bleiben muß, ob sich die
hier angebotene Exegese platonischer, aristotelischer, syn-
optisch-jesuanischer und johanneischer Aussagen, nicht zu
vergessen der vom Autor leidenschaftlich vertretene Antagonismus
von Priesterschrift und Jahwist, durchhalten
läßt, so steht außer Frage, daß der theologische Stellenwert
der johanneischen Einheit von Erkenntnis und Tun in einer
bislang unerhörten Weise in einen .dogmatischen' Rang
erhoben wird. Darüber noch mehr — zunächst gilt es, zu
sehen,

4. wie der aus Johannes gewonnene .Geist der Liebe' in
der humanen Selbsterfahrung des Eros, die notwendig auf
Agape hindrängt, fundiert wird. Noch selten ist von einem
Theologen die erotische Realität, Problematik und Gefährdung
so rückhaltlos offengelegt und systematisch zur Disposition
gestellt worden! .Glück' und ,Heil' geraten in dichteste
Nähe, ohne daß letzteres eudämonisiert erscheint;
ähnliches gilt für die spirituelle Ekstase, wodurch die Überschwenglichkeit
der Gottesliebe aus ihrer humanen Erfahr-
barkeit in eine nahezu ontologische (dieser Begriff bleibt
jedoch unzulänglich!) Dimension erhoben wird.

5. Darin liegt die Spitzenleistung dieses gewagten Entwurfes
: das ,Tun' Gottes als des .Geistes' wird als Element
seines .Seins' interpretiert, und umgekehrt; das ,est' von
Joh 4 und Uoh 4, Gott .ist' Geist und ,ist' Liebe, miteinander
identisch gesetzt. Das hätte ungeheure Folgen für die
Trinität; sie bliebe nicht mehr „Zweieinigkeit mit pneu-
matologischem Appendix" (152), sondern infolge einer bislang
noch ausstehenden Aufarbeitung des ,filioque' würde
das trinitarische Denken endlich göttliches Sein und Handeln
in ihrer Reziprozität miteinbeziehen, was eine entsprechende
Neubestimmung des Verhältnisses von Dogma
und Ethos nach sich zöge. Dies schüfe auch der humanitas
Christi den ihr zukommenden Stellenwert und die ihr zukommende
Rollenfunktion. Die ,pneumatologische Konzentration
' würde das religiös sterile opus Spiritus Sancti aus
seiner bisherigen einbahnigen Zubringerdienstbarkeit befreien
und ihm endlich ermöglichen, die menschliche Nächstenliebe
voll in sich zu integrieren, wodurch freilich dieses
Theologumenon revolutionär umgestaltet würde. Rückwirkend
würde auch das Werk des Vaters und des Sohnes
in einem veränderten, nämlich spirituellen Licht erscheinen
: der ,Johannismus' liefert vielleicht den Schlüssel zur
Einheit der jesuanischen Existenz und dem kerygmatischen
Christus, wie auch ,Geist' und .Schöpfung' in eine bislang
kaum gekannte lebendige Beziehung eintreten könnten.

Dies wären einige ausgewählte Aspekte des Anstoßes, den
dieses Buch zu geben vermöchte. Damit ist sicherlich auch
die Gefährlichkeit seines .romantischen' Uberschwanges
angezeigt. Aber kann Theologie ohne eine solche existieren
? - Neben dem Autor ist auch seinen Förderern zu danken
, nicht zuletzt den Heidelberger Professoren, die das
Wagnis bestanden haben, dies Werk als akademische Habilitation
durchzusetzen.

wlen Wilhelm Dantlne

Opocensky, Milan: Christians and Revolutions. A break-

through in Christian thought. Geneva: The World Student
Christian Federation 1977. X, 123 S. 8° = WSCF Books, 3.
Kart. sfr. 8,—.

Vf., Schüler von Hromädka, acht Jahre Vorsitzender der
CFK-Jugendkommission, heute Professor für Christliche
Sozialethik an der Prager Comenius-Fakultät, hat diese