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Ausgabe:

1979

Spalte:

681-682

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Lutherische Kirche Tanzania 1979

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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Seite 1

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681

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

682

Poelchau in den Grundzügen wiedergegeben, in dem Geschichte
, Entwicklung, Organisation und Ziele der AKR,
ergänzt durch aktuelle Zwischenbemerkungen, dargestellt
werden. Es drängt sich dabei die Frage auf, ob ein Minimum
an Zusammenarbeit und gegenseitigem Kennenlernen der
verschiedenen religiösen Gruppierungen nicht auch über
den regionalen Rahmen der AKR möglich und sinnvoll ist.
Nicht zuletzt unter diesem Aspekt kann das vorliegende
Buch Anlaß zu grundlegenden Fragen und Überlegungen
sein.

Halle (Saale) Helmut Obst

Meilinghoff, Gerhard [Hrsg.]: Lutherische Kirche Tanzania,

hrsg. in Verb, mit J. Kiwovele. Beratung S. Kolowa. Ein
Handbuch. Erlangen: Verlag der Ev.-luth. Mission [1976].
393 S. mit Abb., 2 Faltktn. 8° = Erlanger Taschenbücher,
39.

Dieses Handbuch war zunächst zur Vorbereitung der
Sechsten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes
1977 in Daressalam bestimmt, behält aber auch darüber
hinaus seine Bedeutung. Es „ist Bischof Stefano R. Moshi
gewidmet, dem langjährigen Leitenden Bischof der Evangelisch
-Lutherischen Kirche in Tanzania, geb. 6. 5. 1906,
gest. 14. 8.1976" (5). Horst Becker würdigt diesen außergewöhnlichen
Mann, dem 50 000 von nah und fern herbeigeströmte
Afrikaner das letzte Geleit gaben (11 ff.).

Das Buch „wurde in Tanzania geplant und vorwiegend
dort geschrieben. Die Autoren repräsentieren viele Gruppen
, Kirchen, Meinungen. Daß die Beiträge zu gleichen Teilen
von Tanzaniern und Missionaren bzw. Europäern geschrieben
wurden, macht die Absicht der Hrsg. deutlich,
ein möglichst ausgewogenes Bild zu bieten. Das Buch ist
eine Weiterführung des 1968 von Emst Jaeschke herausgegebenen
Bandes ,Zwischen Sansibar und Serengeti'" (9).
••Die Herausgeber haben das begrenzte Ziel, eine Darstellung
der ELCT mit ihren Bindungen an die afrikanische
Tradition, an die verschiedenen Missionen und die gegenwärtige
Politik des Staates Tanzania zu bieten. Dafür wurde
der Weg der Selbstdarstellung gesucht, auf dem der Leser
im I. Teil die soziokulturelle und religiöse Umwelt der
ELCT, im II. Teil die lutherische Kirche selber kennenlernen
soll" (ebd.). Es handelt sich um 30 Einzelbeiträge von
ebensovielen Autoren und weitere 3 des Hrsg. Im folgenden
kann aus dieser Fülle nur einiges herausgegriffen werden.

Im kürzeren Teil I stellt zunächst Y. Kiwovele „Soziale
und religiöse Traditionen" seines Landes vor (21 ff.).
Der Hang zu einer gewissen Verklärung des Althergebrachten
ist hier unverkennbar. Darum ist es gut, daß der anschließende
Beitrag von C. K. Oraari Tanzania als „Auf
dem Wege zu einer modernen Gesellschaft" befindlich
schildert (51 ff.). Die Bedeutung der Arusha-Deklaration
nimmt in der Darstellung verdientermaßen einen besonderen
Platz ein; der zentrale ujamaa-Begriff wird kurz, aber
treffend erläutert (63, Anm. 1). Diese beiden Aufsätze veranschaulichen
sehr gut die talsächliche Spannung, in der
Afrika heute lebt.

Erfreulich ökumenisch präsentieren sich die dann folgenden
6 Beiträge zur Mission in Tanzania. Nicht nur lutherische
Mission aus verschiedenen Teilen der Erde, sondern
auch „Herrnhuter Mission in Tanzania" kommt zu Wort
(110 ff.), desgleichen „Die Mission der deutschen Benediktiner
in Tanzania" (63 ff.). Ein Interview mit Bischof C h i -
temo über „Anglikanische Missionsstrategie" (69 ff.), in
dem leider eingangs (69) der Pioniermissionar Krapf in
..Kraft" umbenannt ist, zeigt, wie wenig heute im Grunde
von konfessionsspezifischer Missionsmethodik gesprochen
Werden kann, und ist ein eindrucksvoller Ruf zur Zusammenarbeit
. Die Konfessionsunterschiede überhaupt werden,
jedenfalls in ihrer Bedeutung für Afrika, durch den schwarzen
Bischof auf sehr nüchterne Weise relativiert: „... ich
bin nicht am Kilimanjaro geboren, wo die lutherische Kirche
ist. Ich bin in Zentral-Tanganyika geboren. Also wurde
ich ein Christ der CMS, der Anglikanischen Kirche. Aber
das läßt mich doch in keiner Weise denken, meine Erlösung
hinge von der CMS ab. Auf gar keinen Fall!" (75 f.).

Teil II („Zeugnis und Dienst der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Tanzania") bietet zunächst eine höchst instruktive
Kirchenkunde der ELCT. Für den Europäer kann
es heilsam sein, mit finanziellen Problemen einer Kirche
der „Dritten Welt" einmal im Detail bekannt zu werden.
„Kaum ein Thema ist in den Kirchen Tanzanias so ,heiß'
wie das der Finanzen" (160). Aber gerade wohl deshalb
haben die tanzanischen Christen begriffen, was Haushalterschaft
meint. „Haushalterschaft bedeutet ja nicht nur, mehr
und mehr Geld einzusammeln, sondern es klug zu verteilen
, das heißt so, daß es nicht die Verantwortung beim
Empfänger beeinträchtigt. Es ist immer eine gute Übung,
sich daran zu erinnern, daß sowohl Geber als auch Empfänger
eigentlich beide Empfangende sind. Beide haben sie
etwas von Gott erhalten" (167). Oder: „... nächst der Gnade
Gottes sind es die Finanzen, die die Kirche aufbauen oder
verderben" (168).

Auf dem Hintergrund ihrer Armut leuchtet um so heller,
was diese Kirche lebt. Der Leser lernt eine einzelne Gemeinde
kennen (Ruzinga, 177 ff.), erfährt etwas über „Mission
unter den Waluguru" (204 ff.), über „Christliche Bildungsarbeit
in der ELCT" (207 ff.), über „Rundfunk und
Verkündigung" (222 ff.), über „Bibelschulen im Umbruch
Tanzanias" (235 ff.), „Die Stellung der Gemeindehelferin"
(243 ff.) und „Ausbildung für den pfarramtlichen Dienst"
(248 ff.).

Besondere Beachtung verdienen die Aufsätze „Die Rolle
der Musik in Verkündigung und Mission" (194 ff.) und „Die
Musikschule in Ruhija" (259 ff.). Sie belegen, wie sehr I. E.
Makanta mit seiner Feststellung im Recht ist: „Wenn
die Kirche in Evangelisation und Mission erfolgreich sein
will, so muß sie auf die Anrede des Evangeliums im Kontext
der tanzanischen Kultur antworten, so daß ihre Botschaft
nicht als eine fremde angesehen wird" (202).

Sehr eindrucksvoll ist der Nachweis des Umfangs und der
Art kirchlicher Arbeit im Dienst der Volksgesundheit, mit
der „Der Dienst der Kirche am sozial Schwachen" (297 ff.)
oder die Flüchtlingsbetreuung (305 ff.) eng verbunden sind.
Die ELCT handelt hier überall diakonisch im besten Sinne
des Wortes: „Allen Menschen, die durch den Lutheran
Social Service Beistand fanden, ist ohne Ansehung ihrer
religiösen Überzeugung geholfen worden, denn die Lutherische
Fürsorge hat schlicht das Ziel, bedürftigen Menschen
und jungen Menschen ... auf die Beine zu helfen und sie
zu gesunden und tatkräftigen Bürgern Tanzanias zu
machen" (304).

Die 3 letzten Beiträge sind theologisch so gewichtig, daß
sie je einer eigenen Besprechung bedürften, die sich an
dieser Stelle aus Gründen des verfügbaren Raumes leider
verbietet: Interview mit Dr. Mawinza und P. Bom-
b w e : Die Herausforderung der Kirchen durch die traditionellen
afrikanischen Religionen (317 ff.). Arnos Ly i mo :
Theologische Impulse in Leben und Entwicklung der Kirchen
Ostafrikas (329 ff.). Naaman Laiser: Der Heilige
Geist im Verständnis afrikanischer Lutheraner (339 ff.).

Die Durcharbeitung des ganzen Bandes — eine flüchtige
Lektüre tuts freilich nicht — bringt nicht nur dem ökume-
niker, Religions- und Missionswissenschaftler, dem Afrikanisten
oder dem speziell ekklesiologisch Interessierten
Gewinn. Sie wäre auch ein lohnendes Thema für Gemeindeseminare
, könnte die innere Verbundenheit mit Kirchen
der „Dritten Welt" stärken und würde mit Sicherheit kräftige
missionarische und gemeindebauende Impulse auslösen
.

Das Buch hat „Begegnung ermöglichen, Verstehen erleichtern
, Vertrauen wecken wollen innerhalb der weltweiten
Bruderschaft christlicher Kirchen" (2). Es wird diesen
Dienst noch für lange Zeit zu leisten vermögen.

Leipzig Siegfried Krügel