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1979

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. f)

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terpretation nicht, aber sie gerät gleichsam ins Hintertreffen
gegenüber der Herführung Möhlerscher Begriffe wie
etwa Leben, Einheit, Symbol u. a. aus den damaligen protestantischen
und philosophischen Denkbemühungen. Doch
sollen auch die Vorzüge dieses Vorgehens erwähnt werden:
In eindrücklicher Weise zeichnet die Arbeit ein Bild der
Verflochtenheit des damaligen theologischen und philosophischen
Denkens, und es gelingt ihr ebenso, die notwendigen
Differenzierungen, z. B. in bezug auf die Romantik,
durchzuhalten.

Festzuhalten sind gewichtige Korrekturen des Vf. an der
gängigen Möhlerforschung in bezug auf die ,Einheit': Der
Nachweis des schleiermacherschen Einflusses, die Herausarbeitung
vom Stellenwert des Begriffes „Leben" innerhalb
der Möhlerschen Ekklesiologie, die Interpretation der Ek-
klesiologie als christozentrische Pneumatologie, die Ersetzung
schleiermacherscher Kategorien in den auf die .Einheit
' folgenden Werken und die zunehmende Verfestigung
möhlerschen Denkens in bezug auf Kirche und Konfessionen
. Festzuhalten ist ebenso, daß das Werk sehr sorgfältig
gearbeitet ist, eine Fülle von Primär- und Sekundärliteratur
verarbeitet und kaum formale Mängel aufweist.
(Einzig auf den S. 114 und 183 kann ich je einen Satz nicht
zur Stimmigkeit bringen.)

Als Desiderat hätte ich anzumelden, daß neben von Drey
auch die übrige zeitgenössische katholische Dogmatik zur
Sprache gebracht werden müßte. Es scheint mir undenkbar,
daß nicht etliches an Einflüssen auf diesem Weg Eingang
in Möhlers Werk gefunden haben mag.

Das letzte Kapitel bespricht verschiedene Modelle, heutige
Konfessionalität als legitimen Ausdruck des Existierens
von Kirche zu begreifen und wendet sich auch Möglichkeiten
zu, diese Konfessionalität zugunsten einer Einheit
in Vielfalt (hierin Möhlerschen Andeutungen folgend) zu
überwinden. Der Vf. optiert für das Modell einer Kirchengemeinschaft
im Anschluß an Müller-Fahrenholz und versteht
diese als reconciled diversity. Ob allerdings manches
von dem, was der Vf. bei Möhler lobend erwähnt, in diese
Einheit eingebracht werden könnte, dazu sei dem protestantischen
Berichterstatter zu guter Letzt ein kleines Fragezeichen
gestattet.

Sent (Engadln) Johannes Flury

Gastaldelli, Ferruccio: II manoscritto Troyes 1003 e il testo

del commento di Guglielmo da Lucca al De divinis nomi-

nibus (Sal. 41, 1979 S. 37-72).
Halleux, Andre de: Monophysitismus und Spiritualität nach

dem Johanneskommentar des Philoxenus von Mabbug

(ThPh 53, 1978 S. 353-366).
Hödl, L.: Logische Übungen zum christologischen Satz in

der frühscholastischen Theologie des 12. Jahrhunderts

(ZKG 89, 1978 S. 291-306).
Hoff mann, Willi: Natur in der Theologie. Johann Tobias

Beck 1804-1878 (DtPfrBl 78, 1978 S. 743-746).
Ricken, Friedo: Zur Rezeption der platonischen Ontologie

bei Eusebius von Kaisareia, Areios und Athanasios (ThPh

53, 1978 S. 321-352).
Riggi, Calogero: Formule di fede in S. Epifanio di Salamina

(Sal. 41, 1979 S. 309-321).

Kirchen- und Konfessionskunde

Eberhardt, Kurt: Was glauben die andern? 27 Selbstdarstellungen
, hrsg. im Auftrage des Bildungswerkes der
Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
[1977]. 224 S. 8° = GTB, 233. DM 9,80.

27 christliche und nichtchristliche Glaubensgemeinschaften
, die in der „Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgesellschaften
in Groß-Berlin" [West-Berlin] (AKR)

zusammengeschlossen sind, stellen sich vor. Die AKR
wurde am 14. April 1947 auf Initiative von Propst D. Heinrich
Grüber gegründet. Sie knüpfte bewußt an die leidvollen
, aber auch ermutigenden Erfahrungen in der Zeit
des Faschismus an. Bis heute ist sie ein in dieser Form einzigartiger
Zusammenschluß unterschiedlichster religiöser
Gruppierungen, einschließlich solcher, die sich in der Regel
ohne jeden Kontakt schroff ablehnend gegenüberstehen.
In der Präambel der AKR bringen diese Kirchen und Religionsgemeinschaften
den Willen zum Ausdruck, „in gegenseitiger
Achtung ihrer Eigenständigkeit für die Werte und
die Freiheit religiösen Wirkens gemeinsam einzutreten"
(217).

1954 (1. und 2. Aufl.) wurden von der AKR unter dem
Titel „Was glauben die andern?" Selbstdarstellungen von
26 ihrer Mitgliedskirchen und Gemeinschaften publiziert.
30 Jahre nach Gründung der AKR erscheint eine Publikation
unter dem gleichen Titel (nun sind es 27 Selbstdarstellungen
). Daß es sich dabei um eine „völlig neue Bearbeitung
" (8) der Ausgabe von 1954 handelt, kann nicht uneingeschränkt
bestätigt werden. Nahezu die Hälfte der Beiträge
besteht aus mehr oder weniger stark überarbeiteten
Fassungen der Aufsätze von 1954. In einigen wenigen Fällen
erfolgte sogar ein unveränderter Nachdruck (besonders
bedauerlich bei der „Neuapostolischen Kirche"). Dafür
kann jedoch, da die Verantwortung für die Beiträge bei den
Religionsgemeinschaften liegt, der um diese Art Zusammenarbeit
religiöser Kräfte jenseits der ökumenischen Bewegung
hochverdiente Herausgeber, Kurt Eberhard, nicht
verantwortlich gemacht werden.

Neben klassischen Großkirchen, einschließlich der Röm.-
kath. Kirche, Freikirchen und christlichen Religionsgemeinschaften
, stellen sich auch nichtchristliche Religionen
vor (Buddhismus, Islam, Judentum). Neu vertreten sind
gegenüber 1954: „Apostolische Kirche — Urchristliche Mission
; Neue Kirche in Deutschland (Swedenborgianer); Maz-
daznan-Bewegung". Die Auswahl mußte, das ergibt sich
durch die vorgegebenen regionalen Bedingungen sowie
durch die notwendige Bereitschaft zur Mitarbeit (die „Zeugen
Jehovas" fehlen!), eine relativ willkürliche bleiben,
beleuchtet aber dennoch einen erheblichen Sektor des religiösen
Lebens der Gegenwart. Gruppen, von denen authentische
Äußerungen sonst schwer zu finden sind, kommen
hier zu Wort.

Der wissenschaftliche Wert der einzelnen Darstellungen
ist unterschiedlich. Sie können naturgemäß nicht unkritisch
als Quellen benutzt werden, sondern bedürfen der Kontrastfolie
historisch-kritischer Forschung. Teilweise treten
Irrtümer (so z. B. Julius Fischer als Ältester „Reformiertapostolischer
Gemeinden" 1894, 18) oder starke Vereinfachungen
klar zutage. Auch die Akzentsetzung innerhalb
der Darstellung (Geschichte, Glauben und Leben, Organisation
u. a.) ist jeweils verschieden. In diesem Zusammenhang
sei vermerkt, daß in der Selbstdarstellung der Evangelischen
Kirche die Lehre gegenüber den historischen und
organisatorischen Aspekten zweifellos zu kurz kommt, ein
Umstand, der von anderen nicht als Zufall, sondern als
Symptom aufgefaßt werden könnte.

In dem, was gesagt und was nicht gesagt wird, wie man
sich und wie man die anderen sieht, offenbart sich in ganz
besonderer Weise das Selbstverständnis gerade kleinerer,
der ökumenischen Bewegung fernstehender bzw. bewußt
exklusiver Gemeinschaften. Hier liegt das beachtliche wissenschaftliche
Gewicht der Veröffentlichung, denn ohne
Beachtung des Selbstverständnisses einer Gruppierung muß
ihre wissenschaftliche Analyse ebenso wie die theologische
Auseinandersetzung mit ihr letztlich unbefriedigend bleiben
, eine Erkenntnis, die sich leider noch nicht überall
durchgesetzt hat. Auch die Literaturhinweise am Schluß
vieler Beiträge sind zweifellos wertvoll.

Unter der Überschrift „Partnerschaft und Gleichberechtigung
von Kirchen und Religionsgemeinschaften" (216—221)
wird als Nachwort ein Aufsatz von Pfarrer Dr. Harald