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Ausgabe:

1979

Spalte:

678-679

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Wagner, Harald

Titel/Untertitel:

Die eine Kirche und die vielen Kirchen 1979

Rezensent:

Flury, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

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stört darin die Eintragung des anachronistischen Begriffs
konfessioneller „Parität" -, sind die dortigen Ansätze doch
weiterer Vertiefung durch die Forschung wert. Denn die
gegenwärtig in der Schweiz noch lautstärker als in der BRD
geforderte Trennung von Kirche und Staat könnte nur von
einer kritischen Durchdringung der hier angesprochenen
informatorischen Ansätze echten Lösungen zugeführt werden
. Und diesbezüglich lassen es gerade die schweizerischen
Kirchen an Initiativen fehlen, obwohl z. Z. ein Reformationsjubiläum
dem andern folgt (450-Jahr-Feiern der Reformation
in Zürich, Bern und Basel).

Vielleicht wäre den Kirchenarchiven doch mehr eigenes
Material zu entnehmen gewesen, als Vf. meint (7), da er
sich von vornherein dem Urteil der neueren Staatsrechtler
anschließt, welche die Annahme der Kultusfreiheit nur für
die anerkannten Konfessionen seit dem 16. Jh. allein aus
staatspolitischen, nicht auch aus religiösen Gründen folgern.
In der Tat zeigen die aufgeführten Zeugnisse religiöser
Toleranz aus den einzelnen Kantonen und Jahrhunderten
einen derartigen Überhang der Staatsräson, daß sich die
Kirchengeschichte durch diese Arbeit herausgefordert fühlen
sollte. Denn wenn es stimmen sollte, daß jeweils die
staatlichen Kräfte mit ihrem Drängen nach konfessionel-
iem Frieden und Ausgleich auch das Gewicht der Kirche
vor allem bestimmten und die Theologie und Kirche dem
nur hinterherhinken konnten, wäre damit nicht nur die
auffallende Abstinenz von konfessionellen Fehden zwischen
dem Kapeller Krieg (1529) und dem Sonderbundskrieg
lrn 19. Jh. erklärt, welche vergleichsweise bedeutend weniger
Opfer als im übrigen Europa kosteten, sondern auch die
größere gegenwärtige Abstinenz der reformierten Schwei-
Zer vom kirchlichen Leben im Vergleich zu evangelischen
Christen anderer Länder.

Basel Karl Hammer

Caemmerer, Richard R.: No continuing city: a memoir of

change toward deepening and growth in Jesus Christ

(CThMi 5, 1978 S. 268-315).
Ceyssens, Lucien: Chretien Lupus: sa periode ultramon-

taine (1660-1681) (Aug[L] 28, 1978 S. 373-400).
Dufort, Jean-Marc: Vues prospectives sur le renouveau

charismatique dans les Eglises chretiennes (ScEs 31, 1979

S. 61-79).

Eckermann, Willigis: Entwurf einer augustinischen Studienreform
aus der Zeit der Aufklärung (Aug[L] 28, 1978
S. 353-372).

Gastpary, Woldemar: Das internationale Engagement der
evangelischen Polen in der Zwischenkriegszeit (ZdZ 32,
1978 S. 41-45).

Haendler, Gert: Das Luthertum in Polen 1918-1923 nach
den Berichten der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen
Kirchenzeitung (ZdZ 32, 1978 S. 51-57).

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Overbecks Übersetzung
der „Teppiche" des Clemens von Alexandrien (ZKG 89,
1978 S. 372-390).

Karski, Karol: Zur Vorgeschichte von Uppsala 1921 (ZdZ
32, 1978 S. 46-50).

Ott, Günther: Staat, Kirche, Nation und Konfession in den
Verhandlungen der Landessynode der unierten evangelischen
Kirche in Polen 1927 (ZdZ 32, 1978 S. 74-80).

Satlow, Bernt: Die deutsch-polnischen Kirchenbeziehungen
1919-1932 im Spiegel der „Christlichen Welt" (ZdZ 32,
1978 S. 68-74).

Stöhr, Martin: Erinnerung und biblischer Glaube. Theologische
Überlegungen zum 9. November 1938-1978 (DtPfrBl
78, 1978 S. 648-652).

Subilia, Vittorio: Validitä e invaliditä della critica illumi-
nistica (Protest. 33, 1978 S. 162-172).

Waltsgott, Ernst: Die internationale kirchliche Konferenz
in Uppsala 1921 und ihre Vorgeschichte im Spiegel der
..Evangelischen Diaspora" (ZdZ 32, 1978 S. 58-66).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Wagner, Harald: Die eine Kirche und die vielen Kirchen.

Ekklesiologie und Symbolik beim jungen Möhler. München
-Paderborn-Wien: Schöningh 1977. 334 S. gr. 8° =
Münchener Universitätsschriften, Fachbereich Kath.
Theologie. Beiträge zur ökumenischen Theologie, 16. Kart.
DM 68,-.

Das 19. Jh. ist auch in der katholischen Theologie Gegenstand
intensiver Forschung. Daß dabei die Tübinger Schule
im Vordergrund steht, verwundert nicht, wenn man bedenkt
, daß einige ihrer Ansätze in den letzten Jahren auch
kirchenamtlich zum Tragen gekommen sind. Bei der vorliegenden
Arbeit handelt es sich um eine Habil.schrift,
die 1976 der kath.-theol. Fakultät München vorlag. Sie
setzt sich zum Ziel, die frühen Schriften Möhlers, ganz
besonders sein Werk ,Die Einheit in der Kirche oder das
Prinzip des Katholizismus' (1825), auf ihre impliziten ekkle-
siologischen und symbolischen Bezüge zu befragen und
daraus Gesichtspunkte zu einer systematischen Würdigung
des konfessionellen Gegensatzes bzw. der konfessionellen
Vielheit zu gewinnen. „Leitend ist die ganz allgemeine
Frage, wie sich die konfessionelle Auseinandersetzung und
das konfessionelle Gespräch im Werk des jungen Möhler
darstellen." (32) Diese Absicht bestimmt folgerichtig die
Gliederung: Ein erster Teil befaßt sich mit der Ekklesiologie
des jungen Möhler, ein zweiter thematisiert das Problem
der Konfessionalität und die vielfältige Ausgestaltung
von Kirchen neben der Kirche, ein dritter (Der junge
Möhler als „Symboliker") will herausarbeiten, inwiefern
schon beim jungen Möhler von Ansätzen zu einer Symbolik
als Wissenschaft gesprochen werden kann. Ein mehr
systematisierender Schlußteil (Aktuelle Perspektiven) versucht
, einige der Probleme, wie sie sich in der Gegenwart
stellen, anhand Möhlerscher Impulse weiterzudenken.

Es dürfte zum Verständnis beitragen, das Werk forschungsgeschichtlich
kurz zu lokalisieren. H. Wagner sieht
sein Werk als Erweiterung und Präzisierung der Arbeiten
von J. R. Geiselmann, dem er im Gesamtverständnis von
Möhler weitgehend folgt. Auch K. Eschweilers Sicht wird
an mehreren Orten bestätigt. Anders geartet ist die Stellungnahme
zu H. Geissers Möhlerbuch. Obwohl er Geisser
in Einzelergebnissen recht gibt, kann er dessen kritische
Sicht als ganze nicht übernehmen. Er setzt sich davon ab,
indem er (175) zwischen Idealbild und Konkretisierung
unterscheidet; in der Konkretisierung verliere der konfessionelle
Gegensatz bei Möhler die dem Idealbild eignende
Schärfe. Der Gesamteindruck sei also eindeutig ökumenischer
zu werten, als Geisser das tue. Der Rez. kann aber
nicht umhin zu fragen, ob die referierte Unterscheidung
das austrägt, was der Vf. will. Sind nicht gerade die idealtypischen
Aussagen signifikant?

Das Interesse des Vf. geht dahin, bis jetzt nicht als solche
gesehene Einflüsse in Möhlers Werk aufzuzeigen und von
daher seine Intentionen und systematischen Positionen
näher klären zu können. Es sind hier in erster Linie
Schleiermacher, Schelling und die Romantik zu nennen. Bei
jedem Kapitel neu werden zuerst diese expliziten und impliziten
Bezüge dargestellt. Das geschieht in sehr breiter
und ausführlicher Weise, was den Vorteil mit sich bringt,
daß das Umfeld und Klima Möhlerscher Arbeit sehr gut
charakterisiert wird, allerdings auf Kosten der Lesbarkeit
für den, der in erster Linie an Möhler selbst interessiert ist.
Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit. Wie H. Wagner
selbst durch seine Wortwahl erkennen läßt, muß manches
auf der Stufe der Wahrscheinlichkeit verbleiben und kann
nicht mit letzter Sicherheit verifiziert werden. Besonders in
bezug auf die Einflüsse der Romantik ist das Urteil des Vf.
nur zu verstärken: „Romantisches ... lag gleichsam in der
Luft und wird Möhler nicht unberührt gelassen haben."
(128) Gewiß vernachlässigt der Vf. die werkimmanente In-