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Ausgabe: | 1979 |
Spalte: | 665-667 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Titel/Untertitel: | Die alten lateinischen Thomasakten 1979 |
Rezensent: | Klijn, Albertus Frederik Johannes |
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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9
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Punkt liegt in der grundverschiedenen Stelle der theologischen
Auctoritates (299-311). Seit 1433 waren die Brüder
des Gemeinen Lebens im St.-Martinus-Kloster mit einer
Schule und einem Konvikt wohnhaft. Anschließend an
seine früheren Untersuchungen geht Willem Lourdaux
jetzt den nicht immer friedlichen Beziehungen der Marti-
nisten zur theologischen Fakultät nach. Als Zeugen der Zusammenarbeit
aber bleiben die Augustinus-Ausgaben bei
Froben in Basel und bei Plantin in Antwerpen und die
Opera Leonis per canonicos reguläres Sancti Martini oppidi
et Üniversitatis Lovaniensis (313-325).
Die Bedeutung Augustins für die Brabanter Universität
wird besonders dokumentiert durch die umstrittene Theologie
von Baius und Jansenius. Alfred Vanneste zeigt,
Wie s. E. die Kontroverse über Natur und Gnade in der Interpretation
der Theologie von Baius nicht richtig geführt
Worden ist. Im wesentlichen handelt es sich nicht um ein
Verständnis der menschlichen Natur in ihrer Beziehung zur
übernatürlichen Ordnung, sondern um die Verderbung der
Natur durch die Sünde. Baius hat die Augustinische Lehre
der natura viciata noch verhärtet und radikalisiert. Hier-
mit sind alle weiteren Thesen der Bai'ischen Theologie und
sein Mißlingen der Deutung Augustins verbunden (327 bis
350).
Zwei lesenswerte und übersichtliche Beiträge beschäftigen
sich mit Cornelius Jansenius und den Anfängen des
Jansenismus. Jean O r c i b a 1 versucht eine Darstellung
der erstaunlichen Persönlichkeit des Jansenius zu geben,
der sich fünfzehn Jahre lang angestrengt hat, um Augustins
Gedanken genau zu verstehen (351—380). Lucien Ceys-
s e n s beschreibt in einem Aufsatz, der frühere Schriften
zusammenfaßt, den Anfang des Jansenismus-Streites in
Löwen und die Auseinandersetzungen mit den Jesuiten
(381-431).
Bibliographisch ist dieser Sammelband wichtig. Luc
B u r i e sammelte in einem noch vorläufigen Inventar die
aufbewahrten Manuskripte und veröffentlichten Werke
Löwener Theologieprofessoren des 15. Jh., von Nicolas Midi
bis Adriaan Florensz von Utrecht (215—272). Eine ausführliche
Bibliographie mit 1026 Titeln über die Löwener theo-
'ogische Fakultät und ihre Professoren schließt den Band
ab (495-557).
In diesem mehrsprachigen Band findet man Aufsätze in
Lateinisch (Ijsewijn), Deutsch (Brandt), Englisch (Black)
und Französisch (Vanneste, Orcibal und Ceyssens). Den
niederländischen Aufsätzen wurde eine Zusammenfassung
in einer anderen Sprache hinzugefügt.
Zusammen mit dem prunkvollen Band „De Universiteit
van Leuven 1425—1975" (Leuven: Universitaire Pers 1976,
461 S., Französische, Englische und Niederländische Ausgabe
) ist auch dieser Sammelband ein wertvoller, wenn
auch etwas disparater Beitrag zur Geschichte einer Universität
, die, verbunden mit den Wechselfällen der Geschichte
der südlichen Niederlande, eine oft beachtliche Rolle in
der Ideengeschichte Europas gespielt hat.
Löwen Jos Vercruysse S. J.
Kirchengeschichte: Alte Kirche
Zelzer, Klaus [Hrsg.]: Die alten lateinischen Thomasakten.
Berlin: Akademie-Verlag 1977. LVIII, 114 S. gr. 8° =
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen
Literatur, 122. Kart. M 33,-.
Dieses Werk ist die Erstausgabe einer textkritischen Bearbeitung
der zwei lateinischen Fassungen — passio sancti
apostoli Thomae und de miraculis beati Thomae apostoli —
der Thomasakten, des in verschiedenen Fassungen und
Sprachen erhaltenen legendären Berichtes über Missionsreisen
und Märtyrertod des Apostels Thomas in Indien.
Derartige Erzählungen genossen im Westen eine große Popularität
und sind infolgedessen in zahllosen Handschriften
überliefert.
In den kritischen Apparat wurden alle bis zum Ende des
11. Jh. bekannten Handschriften aufgenommen. Durch diese
Auswahl wurden für die passio 17 Handschriften herangezogen
und für de miraculis 8.
In der heutigen Form sind diese lateinischen Schriften
nicht wichtiger als die anderen bekannten lateinischen Ha-
giographien. Auch wenn sie auf ältere Traditionen zurückgehen
, wurden sie doch im Laufe der Zeit angepaßt an den
später üblichen Geschmack und die späteren Auffassungen.
Das, was den griechischen und im geringeren Maße auch
den syrischen Text der Thomasakten interessant macht, ist
hier verschwunden. Jedoch ist die Verbindung mit älteren
Traditionen in der Schrift noch vorhanden, wie aus den
Worten des Bearbeiters von de miraculis hervorgeht: Nam
legisse me memini quendam libellum in quo iter eius (seil.
Thomae) vel miracula quae in India gessit explanabantur.
De quo libello, quod a quibusquam non reeipitur, verbosi-
tate praetermissa pauca de miraculis libuit memorare ...
Zelzer nimmt an, daß beide Schriften den Charakter einer
raffenden Nacherzählung tragen mit Auslassungen jener
Stellen, „die der eher nüchternen römischen Mentalität
nicht entsprechen konnten". Es ist dies ein kompliziertes
Problem, weil nämlich feststeht, daß auch in der griechischen
Uberlieferung zahllose anstößige Passagen weggelassen
wurden. Es ist daher kaum festzustellen, was der
lateinische Bearbeiter selbst verändert hat und was bereits
verändert in seiner griechischen Vorlage gestanden hat.
Die Bemerkungen über die zeitliche Einordnung — in den
Jahren nach der Mitte des 4. Jh. (XXV) — und über die
Verfasserfrage der Schrift de miraculis — nicht Gregor von
Tours (XXVI-XXVH) — sind durchaus akzeptabel.
Dagegen sollte etwas gesagt werden über die Bemerkungen
, die sich auf einen möglichen historischen Kern der
Thomasüberlieferung beziehen (XXX-XXXII).
Die Auffassungen sind nicht immer klar. Im allgemeinen
folgt der Vf. der Meinung von A. Dihle, Neues zur Thomas-
Tradition, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 6, 1953,
S. 54—70. Dihle kommt zum Schluß, daß die Thomasakten
ursprünglich die relativ junge Missionskirche in den unmittelbar
an das Partherreich grenzenden Teilen Nordindiens
mit apostolischer Tradition versehen sollten (60).
Hundert Jahre später kamen ostsyrische Emissäre mit Christen
in Südindien in Kontakt und brachten „auch eine neue,
gleichsam gebrauchsfertige, apostolische Tradition nach
Indien". Die Thomas-Legende „übertrug man jetzt ganz
folgerichtig auch auf Südindien. Damit wurden die Mala-
baren auch in der Hagiographie zu Abkömmlingen der
syrischen Kirche" (69).
In den Thomasakten hätte man also nicht nur versucht,
der parthischen und indischen Kirche eine apostolische Basis
zu geben, sondern zugleich hätten kirchenpolitische Motive
eine Rolle gespielt. Denn die südindische Kirche wäre
unter den Einfluß der syrischen gekommen.
Hier sollten ein paar Bemerkungen angefügt werden. Die
ältesten Traditionen teilen mit, daß Bartholomäus nach
Indien gegangen ist (Eusebius, hist. eccl. V 10 3) und Thomas
nach Parthien (Eusebius, hist. eccl. III, 111; Ps. Clem.,
recogn. IX, 29, 2; Socrates, hist. eccl. I, 19, 3). Diese Auffassung
ist auch aus syrischen Überlieferungen bekannt (Chro-
nicon Ps. Dionysium vulgo dictum, Interpret. J.-B. Chabot. in:
C.S.C.O. 121, Lovanii 1949, S. 122; nach der Doctrina Addai,
ed. Phillips, London 1876, S. 5, sendet Judas Thomas Addai
nach der Himmelfahrt von Jesus nach Edessa). Man kann
daher mit Dihle annehmen, daß die Thomasakten ursprünglich
in Hinblick auf die parteiische Mission des Thomas geschrieben
wurden. Ebenso deutlich ist, daß die Thomasakten
in ihrer heutigen Form sagen möchten, daß Thomas
nach Südindien gegangen ist. Wir wollen hinzufügen, daß
dies erst dadurch zustande gekommen ist, weil den ursprünglichen
Kapiteln 1-61 ein zweiter Teil angefügt