Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

646-648

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Westermann, Claus

Titel/Untertitel:

Die Verheißungen an die Väter 1979

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

«45

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

646

wegs „kritisch gesichertes Objekt" ins Subjektive hinein
und überschreite unkontrolliert die Grenze zwischen Psychologie
und Metaphysik. Mit H. Steubing sieht er im Begriff
des Heiligen bei Otto keineswegs eine formale Kategorie
a priori, sondern eher „eine inhaltliche Reduktion
komplexer Phänomene auf ein einfaches Urphänomen";
zugleich wirft er mit P. W. Schmidt Otto eine Flucht ins
Lateinische Kants vor: „Was man nicht deklinieren kann,
sieht man als a priori an" (402 f., mit Anm. 40). Walter
Baetke lenkt im einleitenden Abschnitt seines Werkes zum
Heiligen im Germanischen (1942) (337-379) unser Augenmerk
auf die volkhaft-sprachliche und kulturell-soziale
Vermittlung sowie auf die kultisch-religiöse und sittlich-
rechtliche Ausprägung des Heiligen. Dem religiösen Subjekt
tritt es stets als ein Vorgegebenes entgegen, „geknüpft
an die von einer religiösen Gemeinschaft getragene Tradition
in Lehre (Mythus) und Kult" (378). In seiner Antwort
auf jene Kritiken an Ottos Intention zeigt Werner Schilling
auf (406—427), daß sich jene unterschiedlichen Sichtweisen
und Verstehensansätze, welche bereits in Hegel und
Schleiermacher aneinander geraten sind, auf dem Hintergrund
von Kants Kritik der Urteilskraft durchaus miteinander
ins Gespräch bringen lassen.

Drei weitere Texte suchen nach recht unterschiedlichen
Richtungen hin neue Aspekte und Fragehorizonte zu erschließen
. Eberhard Cold (431-446) fügt das Heilige ein in
eine übergreifende Spekulation von Natur und Geschichte,
Kosmologie und Anthropologie, Ethos und Religion.
Menschsein ist einerseits ein geschickhaftes Heraustreten
Jn Selbstzentriertheit, Vorsorge wie Eigenwille aus der
kosmischen Energie der Causa prima; in einer mystischen
Rückwendung solle der Mensch sich andererseits jedoch
wieder mit jenem Urlebensstrom vereinen. Roger Caillois
(447—460) erneuert die doppelsinnige Dialektik des Heiligen
zwischen abstoßendem Tremendum und anlockendem Fas-
cinans, zwischen Segensquelle und Unglücksherd. Hierin
dürfte er Freuds späte Faszination vom Ringen zwischen
Eros und Thanatos aufgreifen und den universalen Ambivalenzkonflikt
zwischen Lebens- und Destruktionstrieb
für die Religionswissenschaft fruchtbar machen. Sabino
S. Aquaviva (461—491) sieht das Heilige hineingerissen in
den Prozeß einer Desakralisierung, wie er für die sich über
die gesamte Welt ausbreitende technisch-industrielle Zivilisation
charakteristisch ist und in dem ein nicht zu entwirrendes
Knäuel von Faktoren und Tendenzen zur Wirkung
kommt. Ob dieser irreversible Zerfallsprozeß das religiöse
Schicksal der Menschheit besiegeln werde, oder ob sich das
religiöse Gefühl ins Inwendige der Psyche zurückziehe, um
als produktiver Archetyp erneut hervorzubrechen, hierüber
wagt er keine Prognose.

Dieser Sammelband enthält, dies dürften die knappen
Charakteristiken gezeigt haben, einen buntscheckigen
Strauß von Beobachtungen und Aspekten, Erkenntnissen
und Einsichten, Hypothesen und Theorien. Vielleicht verhilft
der konzentrierende Rückgriff auf das klassische
Thema des Heiligen zu einem erneuten Aufbruch in die
Zukunft und wird aus dem Gespräch mit den Vorfahren
ein Sich-Öffnen des Weges für die Nachkommen.

Heldelberg Albrecht Peters

Loth, Heinz-Jürgen, Michael Mildenberger u. Udo Two-
ruschka: Christentum im Spiegel der Weltreligionen. Kritische
Texte und Kommentare. Stuttgart: Quell-Verlag
[1978]. 334 S. 8°. Kart. DM 18,-.

Daß Spiegel zumindest seitenverkehrt abbilden, ist in
dieser Publikation durchaus (auch von den Kommentatoren
) ernst genommen. Es ist aber gut, daß die „Spiegelung"
überhaupt und auch in sachlicher Weise geschieht. Unter 9
verschiedenen Themen, die zugleich sowohl die außerordentliche
Differenziertheit als auch Schwächen und Stärken
christlichen Glaubens und Theologisierens verraten,

werden aus dem Bereich aller großen Weltreligionen Texte
geboten (mit jeweils angefügten Kommentaren), die sicher
nicht nur der interreligiösen Verständigung dienen, sondern
auch als willkommenes Material aufgenommen werden
und als berechtigte Anfragen, wie sie sich aus der
gegenwärtigen Lage der Religionen in der Welt ergeben, zu
werten sind.

M. P.

ler et 2e Colloques d'histoire des religions. Organises par
la Society Ernest-Renan, Societe frangaise d'histoire des
religions au College de France. 1976 et 1977. Orsay:
C.I.E.E.I.S.T. 1977. 157 S. 4°.

Les Litteratures sacrees
Gitton, M.: Le Livre sacre en figypte (1—9)
Caquot, A.: Une littörature sacree ä Ugarit? (10 f.)
Laperrousaz, E. M.: La bibliotheque de l'etablissement es-

senien de Qoumrän (12)
Sephia, H.-V.: Sacrö, Litt6ralite et Littörarite en judeo-

espagnol (13-19)
Duchemin, J.: Peut-on parier en Grece de litterature sacree?

(20-34)

Bloch, R.: Problemes d'Hermeneutique ä propos d'inscrip-
tions et de textes litteYaires classiques (35—43)

Filliozat, J.: Etat des questions sur les traditions orales au
Laos (56)

Durand, J. de: Fixite et permanences des traditions azte-
ques (57-69)

Le Dieu personnel

Meslin, M.: L'homme romain et ses dieux: relatons contrac-
tuelles et personnalisantes? (73—78)

Keller, CA.: Religion personnelle et negation de la personne
chez les mystiques hindous et musulmans (79—92)

Levy, P.: Culte rendu au Bouddha, präsent dans ses Statutes
(93-105)

Marliere, M.: Le dieu personnel dans les religions de Sri

Lanka (106-115)
Kahn, G.: Dieu personnel et Dieu impersonnel chez Simone

Weil (117-125)

Ciavier, H.: L'alternance mystique entre la recherche de
relations personneles avec un dieu personnel et l'attirance
panth&stique, dans les religions (126—142)

Vernus, [ ]: Dieu personnel dans l'Egypte pharaonique
(143-157).

Altes Testament

Westcrmann, Claus: Die Verheißungen an die Väter. Studien
zur Vätergeschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1976. 171 S. gr. 8° = Forschungen zur Religion und
Literatur des Alten und Neuen Testaments, 116. Kart.
DM 28,-; Lw. DM 38,-.

Claus Westermann vereinigt in diesem Band drei Studien
zur Vätergeschichte, die sich nach Form und Inhalt
sehr nahestehen. Davon ist die bei weitem komprimierteste
und zugleich umfassendste Darstellung des ganzen Problemkreises
schon seit längerer Zeit bekannt. Es ist die
Studie über „Arten der Erzählung in der Genesis" von
1964, die hier wenig gekürzt noch einmal abgedruckt ist
und die Seiten 9-91 füllt (Erstveröffentlichung in: Forschung
am Alten Testament, Theologische Bücherei Bd. 24,
München: Kaiser 1964). Dieser ersten Studie gegenüber haben
die beiden anderen, hier neu vorgelegten Arbeiten teils
ergänzenden, teils vertiefenden Charakter. Der Vf. versucht,
wie er im Vorwort sagt, die 1964 nur skizzierten Linien
auszuziehen. Das geschieht in Gestalt zweier für den Druck
bearbeiteter Vorträge, die vor der spanischen exegetischen
Gesellschaft 1974 in Bilbao gehalten wurden.