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Ausgabe:

1979

Spalte:

637-641

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Maul bis zwölf 1979

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 9

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Verständnis nahe. Der Uoh verstärkt dies sogar: die Got-
teskindschaft ist Erweis der Liebe des Vaters (3,1). Nur
hier wird die Korrespondenz zu Gottes Vatersein hergestellt
. Was dagegen den eschatologischen Horizont betrifft,
so fällt der kosmologische Aspekt weg: was noch aussteht,
ist die Versammlung der „zerstreuten Kinder Gottes" zur
Einheit (Joh 11, 52) und ihr Gleichwerden mit Christus
(Uoh 3,2; kaum: mit Gott). Von den „Kindern des Teufels"
unterscheiden sich die „Kinder Gottes" durch ihr Leben in
Gerechtigkeit und Liebe (Uoh 3,10), die zuerst eine Liebe
gerade zu den „Kindern Gottes" ist (Uoh 5, 2). So zeigt
sich, daß der dualistischen Denkstruktur eine ekklesiolo-
gisch-individualistische Blickverengung entspricht.

Insgesamt ergibt sich für den übertragenen Sprachgebrauch
eine bemerkenswerte Vielfalt, die aber nur der
Vielfalt im Sprachgebrauch der jüdisch-hellenistischen Umwelt
entspricht. Selbst die relativ grobe Aufteilung, die hier
versucht wurde, führt schon auf fünf Formen: die Kinder
j*ls Nachkommen, die wahren Abrahamskinder, He-
oraismen, die engste Zugehörigkeit ausdrücken, Kindschaft

als Ausdruck innerer Verbundenheit mit einer bestimmten
Person, insbesondere mit Jesus oder dem Apostel, die pau-
linische und johanneische Rede von den Christen als den
„Kindern Gottes". So sehr auch diese Sprachformen formal
mit ihrer Umwelt verbunden sind, empfangen sie doch inhaltlich
neue Akzente aus dem christlichen Selbstverständnis
.

8. Fazit

Es hat sich gezeigt, daß das Neue Testament vom Kind
in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen und Formen
spricht. Dies erlaubt es kaum, so etwas wie ein allgemeines
Ergebnis zu formulieren. Über die Teilergebnisse am Ende
der einzelnen Abschnitte ist nicht hinauszukommen. Für
den Versuch einer Theologie des Kindes reicht das Material
nicht aus. Wohl aber verdient es Beachtung, daß im
Umkreis der Verkündigung Jesu offensichtlich eine vertiefte
Sensibilität für das Kind entstanden ist.

* Überarbeitete Fassung eines am 16. 1. 1979 in Züssow auf einem
Ephorenkonvent gehaltenen Vortrages

Allgemeines

Röhrich, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten.

1: Aal bis mau. 2: Maul bis zwölf. 3. Aufl. Freiburg-Basel
-Wien: Herder [1974]. 1256 S. m. ca. 600 Abb. gr. 8°.

Das umfangreiche Werk, das inzwischen auch in Taschenbuchform
vorliegt, wurde dem Rez. von der Redaktion der
ThLZ mit der verständlichen Eingrenzung zur Besprechung
gegeben, „das Lexikon unter besonderer Berücksichtigung
des Materials aus dem 16. Jahrhundert (speziell natürlich
im Bezug auf Luther)" zu würdigen. Hier liegt allerdings
einer der Gründe zur verspäteten Behandlung des zweibändigen
Werkes. Zunächst jedoch eine kurze Vorstellung,
obschon in speziellen Fachorganen ausreichende Vorstellungen
gekommen sind.

Das Lexikon will in leicht verständlicher Sprache über
Bedeutung und Herkunft von mehr als zehntausend Redensarten
wissenschaftlich zuverlässige Auskunft geben.
Gleichzeitig dient es der spracherzieherischen Aufgabe, indem
auch Hinweise zur sinnvollen Anwendung der bildhaften
Redewendungen mit gelegentlich fast sprichwörtlichen
Gleichnissen gebracht werden. Damit es leicht benutzbar
wird, sind beigegeben: Abkürzungsverzeichnis
(5-7), Einleitung (9-34), Quellen und Darstellungen (1191
°is 1213), Abbildungsnachweis (1214-1226) und ein Register
(1227—1256). Auf den Umschlagklappen finden sich fünf
Kurzumschreibungen zum Anliegen und Charakter des
zweibändigen Werkes, acht Wiedergaben von bereits vorliegenden
Urteilen und eine knappe persönliche Vorstellung
(mit Bild und Angaben wissenschaftlicher Veröffentlichungen
) des Hrsg., der mit seinen Mitarbeitern in über
zehnjähriger Arbeit das Material für das neue Standard-
Werk erfaßt hat.

In der Einleitung ist in ungewöhnlicher Ausführlichkeit
die schwierige Abgrenzung von Sprichwort und sprichwörtlicher
Redensart behandelt worden, ausgehend von
der Erklärung: „Wie schon der Name sagt, gehören die
sprichwörtlichen Redensarten in die Nähe der Sprichwörter
; und doch sind sie keine." Nachdem über die Unterschiede
„in Form, Struktur und Funktion" etwas gesagt ist
— Sprichwort: abgeschlossener Satz, unveränderliche Formulierung
, Warnung oder imperativischer Anspruch;
sprichwörtliche Redensart: „verbaler bildhafter Ausdruck,
• • • veränderlich nach Zeit und Person: ... noch ungeform-
ter sprachlicher Rohstoff" (9a) — folgt die zusammenfassende
Sachbeschreibung: „Unter einem Sprichwort verstehen
wir also einen festgeprägten Satz, der eine unser
Verhalten betreffende Einsicht oder eine Aufforderung zu
einem bestimmten Verhalten ausspricht. Demgegenüber
weisen sprichwörtliche Redensarten keine feste Prägung
auf; sie sind in ihrer Tendenz beliebig einsetzbar; sie sind
wertfrei. Ihre offene Form des verbalen Ausdrucks bringt
es mit sich, daß sprichwörtliche Redensarten auch keinen
festen Inhalt und schon gar keine lehrhafte oder ethische
Tendenz haben können. Sie bieten keine ,Spruchweisheit'.
Erst dadurch, daß sie zu Sätzen vervollständigt werden, bekommen
sie einen Inhalt" (9b). — So einfach die Unterscheidung
danach zu sein scheint, so schwierig wird die Sache
aber am konkreten Fall: „Die an sich klaren Unterschiede
der Form schließen jedoch nicht aus, daß es Übergänge von
Sprichwörtern zu Redensarten und umgekehrt gibt, und
nicht immer ist eine scharfe Grenzziehung möglich." Mit
einem Beispiel aus Bertolt Brecht wird der Ubergang belegt;
die Grenzen „werden in dem Augenblick fließend, wo
Sprichwörter bzw. Redensarten in einen dichterischen Text
eingeflochten werden" (10).

Diesen Problemen der Parömiologie, denen sich die Einleitung
u. E. etwas zu viel widmet, gehen wir nicht nach.
Röhrich teilt selbst mit, daß der „Begriff .sprichwörtliche
Redensart' ... nicht eindeutig festgelegt" und sein „Auswahlprinzip
darum nicht immer straff durchgeführt" sei.
„Im ganzen ist die Grenze dessen, was man noch als sprichwörtliche
Redensart bezeichnen kann, wohl eher zu weit
als zu eng abgesteckt worden." Da weder „das treffende
Einzelwort noch ein Schlagwort" schon eine Redensart ausmachen
, oft sind sie „bloße Metaphern", grenzte sich der
Bestand wieder ein. Auch ganz selbstverständlich Erklärbares
setzte eine Grenze. So wurde „die Erklärungsbedürftigkeit
" zum „Kriterium dessen, was davon hier aufgenommen
wurde" (11 f.). „Herkunft des sprachlichen Bildes"
und „Bedeutungsgeschichte einer Wendung" (18), Ursprung
im alten Rechtsleben, in den Standessprachen, im brauchtümlichen
Volksleben, im Volksglauben, in Gebärden, in
Volkserzählungen, Fabeln, aber auch in der Moderne sind
— oft recht unterschiedlich in Umfang und Zuverlässigkeit —
bei den Artikeln besonders berücksichtigt, da das Lexikon
„vor allem ein historisches Wörterbuch sein" will (34). Für
den Prediger, Katecheten und Theologen bietet es viel, zumal
da „unsere Gegenwart" in der Tat „das Bild wie keine
andere Zeit zuvor" liebt (18).

Hier liegt wohl auch der Grund für die reiche Ausstattung
mit Bildwiedergaben und Ausschnitten vor allem aus dem
16. Jh., aus dem zweiseitig wiedergegebenen Bild von Pieter