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Ausgabe:

1979

Spalte:

607-609

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Figl, Johann

Titel/Untertitel:

Atheismus als theologisches Problem 1979

Rezensent:

Gabriel, Hans-Jürgen

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607

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 8

608

Stellung von einer kirchlich zu rezipierenden Vergangenheitsbewältigung
durch theologische Forschung. Brandenburg, der
selbst zur katholischen Lutherforschung wichtige Beiträge geleistet
hat, setzt sich mit dieser Auffassung kritisch auseinander
. Gegen die Vorstellung der Vergangenheits- und Schuldbewältigung
setzt er eine pneumatologisch-ekklesiologisch begründete
These, in der er den reformatorischen Anspruch auf
Katholizität in die geschichtliche Wirklichkeit der katholischen
Kirche integriert. Mit seinen eigenen Worten lautet die These:
„Eine letzte gültige, legitime und eigentliche Deutung Luthers
erfolgt aus dem Verhältnis zur Katholizität, um unverwechselbar
und eindeutig zu sprechen: zur Römisch-Katholischen Kirche
nach dem letzten Konzil. Wird Luther gesehen im Zusammenhang
mit der Katholizität, kommt er zum Eigentlichen
seiner Berufung, seiner Existenz und Essenz." (75). Oder etwas
anders: „Der in seiner Theologie fortlebende Luther und
die in Bewegung geratene katholische Kirche begegnen einander
." (V). Daher sei nicht von einem Versagen zu reden,
sondern von einer geistlichen Entwicklung. So wird die Verständigung
über Luther nicht nur als ein isoliertes Forschungsergebnis
, sondern als eine katholische Realität aufgefaßt, von
der allerdings auch Brandenburg dann fordert: „Die Kirche
muß die Rezeption vollziehen." (68).

Die schon oft vertretene These vom „katholischen Luther"
wird so noch überboten, indem gewissermaßen die geschichtliche
Spaltung der Kirche im 16. Jh. in der geschichtlichen
Entwicklung des Katholischen aufgehoben wird. An einer
„Bannwegnahme" - darüber wird in dem erwähnten Conci-
lium-Heft ausführlich berichtet - ist Brandenburg nicht interessiert
. Denn was für die einen Forschung und Ruf nach einer
Entscheidung ist zur Bewältigung von Geschichte, liegt für
Brandenburg bereits im Gang dieser Geschichte. „Begegnung
ist bewirkt vom Geheimnis Gottes", so sagt er mit Y. Congar.

In den vier Teilen des Buches wird die These im Lichte
der neueren Verständigung über Luther vorgeführt und von
verschiedenen Seiten beleuchtet. Manche Wiederholungen, Verkürzungen
, aber auch eine ganze Anzahl von Errata sind
Zeichen einer offenbar raschen Abfassung, wo man um der
Bedeutung des Anliegens willen eine wesentliche Vertiefung
gewünscht hätte. Denn zweifellos wird hier ein Problem ökumenischer
Begegnung aufgeworfen, das Beachtung verdient
und für die Verständigung hilfreich sein könnte. Bei mancher
Zustimmung im Ansatz wird aber wohl selbst ein evangelischer
Theologe fragen, ob das angedeutete Verständnis einer
dynamischen Katholizität nicht letztlich überspielt, was in der
Kirche Scheidung und Entscheidung zwischen Irrtum und
Wahrheit ist und was umgekehrt das Ziel der Einheit in der
Wahrheit fordert.

Heidelberg Reinhard Slenczka

Figl, Johann: Atheismus als theologisches Problem. Modelle
der Auseinandersetzung in der Theologie der Gegenwart.
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag (1977). 287 S. 8° = Tübinger
theologische Studien, 9. Kart. DM 42,-.

Vorliegende Arbeit stellt sich die Aufgabe, einen Beitrag
zur theologischen Auseinandersetzung mit dem Atheismus zu
leisten, indem „sie einige der wichtigsten schon vorliegenden
Lösungsvorschläge in ihren charakteristischen Grundzügen zu
erfassen versucht". (11). Dies geschieht - sieht man von der
Einbeziehung der diesbezüglichen Aussagen des II. Vaticanum
ab - in Begrenzung auf die katholische und protestantische
Theologie in der BRD von etwa 1960 bis zum Anfang der 70er
Jahre. In diesem Zeitraum habe in beiden Konfessionen „eine
besonders intensive Auseinandersetzung mit dem Atheismus
stattgefunden" (13), und insofern handele es sich hier um
„eine relativ geschlossene theologiegeschichtliche Einheit" (20).
Innerhalb der gewählten thematischen Begrenzung kann diese
richtige Periodisierung freilich nur durch Symptome belegt
werden. Vf. sucht in der Gliederung seines Materials systematisch
vorzugehen, indem er die einzelnen Versuche, sich mit

dem Atheismus von der Theologie her auseinanderzusetzen,
nach vier Hauptaspekten aufschlüsselt. Als solche ergeben
sich: „der Gesichtspunkt des Dialogs, die Interpretation des
Atheismus als geschichtliches Phänomen, seine Thematisierung
als Problem der Anthropologie und schließlich der Versuch,
Theologie unter a-theistischen Voraussetzungen zu betreiben,
um dadurch zu einer Überwindung der Alternative von Theismus
und Atheismus zu gelangen". (27). Dabei macht freilich
die abschließende Zusammenfassung (266ff) die Relativität
dieser im Grunde formalen Typisierung deutlich.

Die innerhalb der somit bezeichneten Grenzen erfolgende
Einzeldarstellung besticht durch ihre Klarheit und ist von hervorragendem
Informationswert. An erster Stelle werden die
Aussagen des II. Vaticanum (Pastoralkonstitution „Gaudium et
spes") erörtert, wobei Vf. auch deren Vorgeschichte anhand
unveröffentlichten Quellenmaterials nachgeht und somit den
Weg von der pauschalen Verdammung des Atheismus zur Dialogbereitschaft
markiert. Hierauf folgt in einem 2. Teil eine
Darlegung des Säkularisierungskonzeptes von F. Gogarten,
wonach der Atheismus eine Entartung der durch das Christentum
vollzogenen Entgöttlichung der Welt und des dadurch
ermöglichten wissenschaftlichen Herangehens an sie darstellen
soll. Hierbei werden - die zeitliche Beschränkung sprengend
- neben dessen letzter Veröffentlichung „Die Frage nach Gott"
auch seine für diese Thematik grundlegenden Arbeiten von
1952/53 „Der Mensch zwischen Gott und Welt" und „Verhängnis
und Hoffnung der Neuzeit" herangezogen. Nicht erörtert
wird die Herausbildung dieser Theorie, deren Ansätze sich bis
1933 zurückverfolgen lassen. Hieran schließen sich Ausführungen
über sich an Gogarten anlehnende Überlegungen der katholischen
Theologen J. B. Metz und W. Kern. Eine zusammenfassende
Betrachtung stellt die Auffassungen dieser drei
Theologen geistesgeschichtlich in Frage und macht letztlich deren
Anpassungscharakter deutlich. (116-118).

Des weiteren beschäftigt sich Vf. mit der Interpretation des
Atheismus durch H. Mühlen und W. Dantine, die in ihm eine
partiell berechtigte Reaktion auf die Überfremdung des christlichen
Glaubens durch griechische Seinsmetaphysik erblicken.
Im Zusammenhang mit W. Dantine kritisiert Vf. - W. Pannenberg
folgend - auch dessen „theologiegeschichtlichen Hintergrund
", die von der dialektischen Theologie vertretene Unterscheidung
zwischen christlicher Offenbarung und Religion
und das hier praktizierte Verfahren, letztere der Kritik des
Atheismus zu überlassen und gleichzeitig zu behaupten, daß
der Gott der Offenbarung der Religionskritik gar nicht zugänglich
sei. Das sei „Kapitulation vor der Herausforderung
des Atheismus". (131).

Das Schwergewicht der Arbeit wird im 3. Teil zu erblicken
sein, wo drei Entwürfe behandelt werden, die im Bereich anthropologischer
Fragestellungen den Atheismus zu widerlegen
suchen durch den Nachweis der notwendigen Zugehörigkeit
des Gottesgedankens zum Menschen. Neben den sich im Grunde
auf dem Boden der religionsgeschichtlichen Problematik
E. Troeltschs bewegenden Überlegungen W. Pannenbergs gelangt
K. Rahners mittels einer transzendental-anthropologischen
Fundamentierung der Theologie unternommener Versuch
, den Atheismus als eine im Grunde denkunmögliche Position
hinzustellen, zur Wiedergabe. Dabei liegt der Schwerpunkt
auf der von Rahner besonders intensiv nach dem Konzil
erörterten „Heilsmöglichkeit des Atheisten" (155), der Behauptung
, ein „expliziter Atheist" könne nicht nur ein „anonymer
Theist, sondern auch anonymer Christ" sein. (169f).
Welche Möglichkeiten eine solche „Hermeneutik, die vom
Glauben aus den Ungläubigen deutet" (176), eröffnet, zeigt
die anschließende Darlegung der Bemühungen von B. Welte
um eine anthropologisch orientierte „Philosophie, die die Möglichkeitsbedingungen
von Offenbarung erhellt", und seiner
damit verbundenen partiellen theologischen Approbation von
Heidegger und Nietzsche. Sieht Vf. in Weltes Unternehmen,
„Symbole atheistischer Herkunft christlich zu deuten", „ein radikal
neues Verhältnis von Theologie und atheistischer' Philosophie
denkbar" werden (206f), so ist seine im 4. Teil erfolgende
Darstellung der ebenfalls anthropologisch verankerten