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Ausgabe:

1979

Spalte:

588-589

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Trüdinger, Karl

Titel/Untertitel:

Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg 1979

Rezensent:

Blaschke, Karlheinz

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587

Theologische Lileraturzeitung 104. Jahrgang 197S Nr. 8

588

Innerhalb der Erscheinungsjahre sind die Titel alphabetisch
nach Verfasser- bzw. Herausgebernamen geordnet.

Bei der Erarbeitung einer Bibliographie wie der vorliegenden
stellt sich in jedem Falle die Frage nach den Kriterien
der Auswahl. Denn eine Auswahl muß getroffen werden, es
sei denn, man verfolgt das Ziel der Lutherbibliographie des
Lutherjahrbuches, alle Veröffentlichungen zu erfassen, in denen
auch nur der Name der Person erscheint, der die Bibliographie
gilt. Dieses Ziel hat sich die vorliegende Bibliographie
ausgesprochenermaßen nicht gestellt. Sie möchte sich
aber auch nicht auf Titel beschränken, die sich ausschließlich
mit Bullinger beschäftigen, obwohl sie unter dieser Maßgabe
Vollständigkeit anstrebt. Das Auswahlproblem wird zusätzlich
dadurch kompliziert, daß Bullinger bekanntlich der Verfasser
bzw. Mitverfasser zweier Dokumente ist, die in der Literatur
an unzähligen Stellen behandelt werden: des Conscnsus Tigu-
rinus und der Confessio Helvetica Posterior. Der Bearbeiter
wird hier sinnvoll entschieden haben, wenn er für die Literatur
über diese beiden Dokumente im Rahmen der vorliegenden
Bibliographie keine Vollständigkeit anstrebt. Andererseits
sind, wie Stichproben ergeben, wichtige Gesamtdarstellungen
der Reformationsgeschichte aus neuerer Zeit aufgenommen
worden, wenn sie Bullinger behandeln und würdigen.
Auch Publikationen von Briefen aus Bullingers Briefwechsel
sind aufgenommen, freilich nur dann, wenn sie einzige Quelle
für den betreffenden Brieftext sind oder wenn es um strittige
Datierungen geht. Unter Nr. 1721 erscheint ein Auktionskatalog
, der Regesten und Zitate aus Originalbriefen Bullingers
enthält. Nicht lückenlos aufgenommen sind ungedruckte Dissertationen
, die sich mit Bullinger befassen (vgl. jedoch Nr.
1733 und 1909).

Eine besonders heikle Frage ist die nach der Aufnahme von
Lexikonartikeln. Auch hier ist ein Mittelweg eingeschlagen
worden, der nicht nur die Bedeutung eines solchen Artikels,
sondern auch die Person seines Verfassers im Auge hat.

Die Inhaltsangaben zu den einzelnen Titeln verfolgen die
Absicht, dem Benutzer der Bibliographie den Hauptinhalt der
Veröffentlichungen bekannt zu machen. Dies geschieht häufig
auch so, daß wichtig erscheinende Zitate wörtlich mitgeteilt
werden. Ein gewisser Nachteil ist, daß bei selbständig erschienenen
Publikationen und Monographien die Seitenzahl nicht
mitgeteilt wird, so daß sich der Benutzer keine Vorstellung
vom Umfang der Publikation machen kann. Nützlich ist die
Angabe von wichtigen Rezensionen zu einzelnen Veröffentlichungen
. Da einzelne Rezensionen auch als Einzelpublikation
mit Ziffer aufgeführt sind, kommt es gelegentlich zu doppelten
Anzeigen (vgl. z. B. Nr. 1836 mit Nr. 1848).

Die Verweise auf Ziffern von Veröffentlichungen in der Bibliographie
, in denen zum gleichen Gegenstand u. U. differierende
Äußerungen gemacht werden, sind hilfreich. Bei Sammelbänden
(etwa Nr. 1811 oder Nr. 1962) hätte es sich empfohlen
, Verweise auf die Ziffern der Verzeichnung der Einzelbeiträge
anzubringen.

Einen besonders wichtigen Teil des Bandes stellen die Register
dar, die sich auch auf den Inhalt von Bd. 1 erstrecken:
1. das Register der Autoren, Herausgeber und Rezensenten
(wobei Herausgebernamen von in Bd. 1 erfaßten Titeln nicht
berücksichtigt sind), 2. das Register der Eigennamen (Personen
und Orte) (wobei Personen nach 1600 nicht mit erfaßt
sind), 3. das Register der erwähnten Werke Bullingers, 4. das
Sachregister. Diese Register schließen auch Bd. 1 erst hinreichend
auf, dessen Benutzbarkeit durch die Art und Weise der
Bibliographicrung relativ erschwert war. Das Sachregister ersetzt
nun eine Vervielfältigung, die am Institut für Schweizerische
Reformationsgeschichte in Zürich erarbeitet war und die
einen ersten Schlüssel zu Bd. 1 darstellte.

Der Band enthält nur wenige Druckfehler. Von den gewichtigen
seien genannt: Nr. 1300 Z. 2: Das Erscheinungsjahr muß
lauten: 1899. Nr. 1794 Z. 8: Heilslehre. Nr. 1851 Z. 3: De
coetibus.

Die Einleitung zu diesem Band kündigt das Erscheinen des
1. Bandes der theologischen Schriften Bullingers für „demnächst
" an. Es ist erfreulich, daß die Bullinger-Edition kontinuierlich
weitergeht.

Leipzig Ernst Koch

Territorialkirchengeschichte

Trüdinger, Karl: Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen
Würzburg. Stuttgart: Klett-Cotta [1978]. 193 S. gr. 8° =
Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur
Geschichtsforschung, 1. Lw. DM 54,-.

Gab es die um 1500 traditionellerweise angesetzte Grenzscheide
zwischen Mittelalter und Neuzeit wirklich? Hatten Renaissance
und Reformation tatsächlich die Tiefendimensionen,
die ihnen stets beigelegt werden oder war nicht vielmehr das
Verbindende von Vorher und Nachher stärker? Angesichts der
heute vorherrschenden Neigung, die Reformation als Revolution
oder als Teil einer solchen aufzufassen, sind diese Fragen
einigermaßen provozierend. Aus dem Zusammenhang größerer
Forschungsvorhaben, die sich diese Fragen zu eigen gemacht
haben und sich unter dem Leitgedanken von Kontinuität
und Umbruch mit den Strukturen und Ereignissen des
späten Mittelalters und der Reformationszeit beschäftigen,
stammt das anzuzeigende Buch.

Hier wird am Beispiel einer bedeutenden Stadt die Rolle
der Kirche für die Stadt und das Verhältnis zwischen bürgerlichen
und geistlichen Elementen untersucht. Der bischöfliche
Stadtherr, das Domkapitel, ein zahlreicher Klerus und die Insassen
vieler Klöster und Stifte verschafften den kirchlichen
Kräften eine starke Stellung, im Jahre 1400 siegte der Bischof
nach vielen Konflikten endgültig über den Rat als den Anwalt
städtischer Autonomie. Von dieser ungünstigen Ausgangsstellung
her entfaltete der Rat seine kirchenpolitische Aktivität
, die hier vor allem für das 15. Jh. dargestellt wird. Die
Arbeit bietet keine Überraschungen oder sensationelle Neuigkeiten
. Ihr Wert liegt darin, daß sie die ganze Breite der Beziehungen
zwischen der Stadt als einer bürgerlichen Lebens-,
Rechts-, Wirtschafts- und Interessengemeinschaft auf der einen
und der Kirche mit allen ihren Institutionen und Funktionen
auf der anderen Seite aufrollt und in einer vorwiegend sachlich
referierenden, systematisch klar aufgebauten Darstellung
vorlegt. Allgemein bekannte Erscheinungen erhalten somit ihre
Bestätigung, Vprtiefung und Vergegenständlichung: der Kampf
um die Steuerfreiheit des Klerus und seine wirtschaftliche Betätigung
, die leidige Frage der geistlichen Gerichtsbarkeit in
der Stadt, die in weltliche Belange eingriff, das gute Verhältnis
zu den beliebten Bettelorden und die bis zu gewalttätigen
Auseinandersetzungen gesteigerten Streitigkeiten mit den vornehmeren
, ständisch hochgestellten anderen Klöstern und Stiften
, die reich entwickelte Frömmigkeit des späten Mittelalters
mit den vielen Stiftungen, der Heiligenverehrung, den
Prozessionen und Wallfahrten und dem um die Mitte des 15.
Jh. in seine Blütezeit eingetretenen Bruderschaftswesen. Gegen
den festgefügten Bau der geistlichen Institutionen konnte
der Rat nur in geringem Maße an Boden gewinnen. Er trat
vor allem beim Ausbau der Marienkapclle zur Rats- und Bürgerkirche
in Erscheinung, in der er Patronatsrechte über einzelne
Stiftungen erlangte. Über die Laien-Kirchenpflegcr gewann
er seit dem 14. Jh. Einfluß auf die äußere Bestellung
des Bürgerspitals und der Dompfarrei, seit Anfang des 15. Jh.
wirkte er als Treuhänder und Vormund bei Almosenstiftungen
, da die Armenfürsorge mehr und mehr als städtische Angelegenheit
betrachtet wurde. Wie es zu dieser Wendung kam,
warum die Fürsorge nicht mehr allein der Kirche überlassen
wurde, das bedarf wohl noch breiterer Erörterung, bei welcher
die allgemeine Tendenz zur Säkularisierung eine Rolle
spielen dürfte.

Die Lektüre des Buches bekräftigt bekannte Tatsachen der
spätmittelalterlichen Kirchengeschichte: Eine durch und durch
christliche Gesellschaft, die damals eine hohe Zeit tiefer Frömmigkeit
erlebte, stand der Kirche als Institution und ihren