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Ausgabe:

1979

Spalte:

580-581

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grimm, Werner

Titel/Untertitel:

Weil ich dich liebe 1979

Rezensent:

Böcher, Otto

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Lileraturzcitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 8

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R. Pesch (Herders Kommentar II/1-2, 1976-1977) noch nicht
zur Verfügung gehabt. Seine Position konnte Th. jedoch den
Einzeluntersuchungen entnehmen, die R. Pesch früher veröffentlicht
hat. In der Untersuchung der markinischen Redaktion
innerhalb 2,1 - 3,6 (Kap. 2) hat Th. auch auf R. Pesch
Bezug genommen.

Im 3. Kap. wird die vormarkinische Sammlung und ihre
Theologie untersucht. Th. setzt sich oft mit H.-W. Kuhn auseinander
(Ältere Sammlungen im Markusevangelium, 1971,
Rez. von J. Roloff in ThLZ 98, 1973 Sp. 517ff), der von den
kleinsten und ältesten Einheiten ausgegangen ist. Th. untersucht
die Sammlung als Erzähleinheit, d. h. er sucht auch die
gemeinsamen Motive, die die übergreifende Komposition des
Ganzen bestimmen. Für diese Komposition ist schon der vormarkinische
Redaktor dieser Sammlung verantwortlich. Das
übergreifende Motiv der Sammlung ist die Befreiung von Sünde
und Gesetz durch Jesus. Die Identifizierung Jesu mit dem
Menschensohn, der die eschatologische Vollmacht hat (2,
10.28), dient im Lichte der nachösterlichen Erfahrung zur Begründung
dieser Freiheit. Der „Sitz im Leben" von Mk 2,1-3,6
sei wahrscheinlich die Verkündigung an die getauften Judenchristen
. Im Unterschied zu H.-W. Kuhn und mit R. Pesch
hält Th. auch 3,1-6 für einen Bestandteil der vormarkinischen
Sammlung.

Im 4. Kap. wird die Vorgeschichte der vormarkinischen
Sammlung untersucht. Ihre Mittelachse und ihr Kristallisationspunkt
ist die Fastenperikope, bes. 2, 18-20. Die vormarkinische
Redaktion hat die älteren isolierten Apophthegmen chri-
stologisch akzentuiert und die polemischen Töne erbaulich
ausgenutzt. Dabei hat sie jedoch die charakteristischen Züge
des Verhaltens des irdischen Jesus nicht verdeckt: Die Gemeinschaft
mit den Sündern und seine provozierende Haltung
zum Sabbatgebot (Kap. 5).

Der zweite Hauptteil befaßt sich mit der Rolle, die die vormarkinische
Sammlung im Rahmen des Markusevangeliums
spielt. Das Fazit des 6. Kapitels ist die Feststellung, da5 der
Evangelist Hinweise zu Kreuz und Auferstehung hinzugefügt
hat, ähnlich wie er es mit der Sammlung der Gleichnisse im
Kap. 4 getan hat. Das markinische ELALEI TON LOGON in 2,2
bezieht sich etwa auf das mündliche Evangelium im Sinne von
1 Kor 15, 3b-5. Die christologische Relevanz wird dadurch nur
verstärkt. Überzeugend hat Th. nachgewiesen, daß das EUAN-
GELION ein Schlüsselbegriff der markinischen Theologie ist
und dafj das Markusevangelium als Ganzes eine Neuinterpretation
dieser mündlichen Botschaft bedeutet. Es ist auch wahr,
dafj wir im Markusevangelium mehreren transparent erzählten
Stoffen begegnen, die auf diese Weise in das irdische Leben
Jesu Probleme und Aussagen der Kirche zurückprojizie-
ren. Es ist sogar auch wahr, dafj Markus an manchen Stellen
solche Motive bewu5t entfaltet hat; aber einseitig wird das
Urteil Thissens, wenn er das Markusevangelium für eine synchronisierte
Erzählung des Gottessohngeheimnisses erklärt
(338). Markus hat m. E. zwischen der vor- und nachösterlichen
Zeit, zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterschieden
. Die Geschichte des irdischen Jesus ist trotz der Aktualisierungen
als eine gewesene Geschichte erzählt, die bezeugt,
wie der gegenwärtige Herr auf Erden gehandelt hat und was
also die endgültige Zukunft hat. Auf diese Unterscheidung, die
die christliche Predigt vor Subjektivität geschützt hat und die
an der Wurzel der literarischen Gattung Evangelium steht,
haben schon J. Roloff und R. Pesch hingewiesen.

Im 7. Kap. untersucht und interpretiert Th. den ganzen Abschnitt
als eine linguistische Struktur, als Erzählung. Es ist
ihm gelungen, die „poetische" Funktion des Textes in ihrem
Verhältnis zu der referierenden Funktion (referential func-
tion - P. Ricoeur) zu interpretieren und dadurch die linguistische
Methode sachgemäß mit der historisch-kritischen Arbeit
zu verbinden.

Im letzten Kapitel wird der Ertrag der Studie für die gegenwärtige
Lage der Kirche erklärt, wobei überzeugend vor
den Kurzschlüssen in der Interpretation - besonders des Freiheitsbegriffs
- gewarnt wird.

Bedeutender als der exegetische Beitrag dieser Arbeit, die
die älteren Untersuchungen gut präzisiert und vertieft, sind
die Überlegungen zur Methodik der Exegese (232-239) und
zur theologischen Deutung ihrer Ergebnisse im letzten und
im ersten Kapitel (Stand der Forschung und die Fragestellung).

Thissens Studie ist ein erfreuliches Beispiel der exegetischen
Arbeit, die mit den Nachbardisziplinen gut kommuniziert und
sich auch ihres kirchlichen Kontextes bewußt ist.

Prag Petr Pokorny

Grimm, Werner: Weil Ich dich liebe. Die Verkündigung Jesu
und Deuterojesaja. Bern: H. Lang; Frankfurt/M.: P. Lang
1976. XI, 321 S. 8° = Arbeiten zum Neuen Testament und
Judentum, 1. Kart. sfr. 38,-.

Die vorliegende Monographie ist eine unter Leitung von
Otto Betz entstandene Tübinger theol. Dissertation von 1972/
73, die für den Druck überarbeitet und ergänzt wurde. Ihr
Titel zitiert Jes 43,4, die „alttestamcntliche Grundstelle von
Mk. 10, 45" (VI). Das nach einem Schreibmaschinenmanuskript
vervielfältigte Buch besteht aus drei Teilen: A. Die Aufgabe
(1-67); B. Analyse synoptischer Jesusworte (68-300);
C. Zusammenfassung (301-312).

Nach einer kurzen „Einführung" (1-3), die auf die große
Zahl und Bedeutung jesajanischcr Zitate in den synoptischen
Evangelien verweist, nennt der Autor als „vorläufige Bestimmung
der Aufgabe" das „Ziel . . ., anhand der synoptischen
Logienüberlieferung einmal gründlich und ausschließlich der
Frage nachzugehen, in welchem Maße die deuterojesajanischc
Prophetie - einschließlich der Gotteskncchtaussagen - die
Verkündigung Jesu beeinflußt hat" (4). Insbesondere geht es
ihm um die „Analyse derjenigen Stoffe . . ., bei denen noch
nicht bekannte Zusammenhänge zwischen der Jesusübcrliefe-
rung und Deuterojesaja wahrscheinlich gemacht werden können
" (ebd.).

Ein „Uberblick über die bisher zum Thema geleistete Forschungsarbeit"
(5-63) befragt die Jesusbücher von R. Bultmann. G. Bornkamm. H. Braun.
O. Betz und D. Flusscr nach ihrer Beurteilung des deuterojesajanischen Einflusses
, behandelt die christologisch-thcologischcn Entwürfe von O. Cullmann.
F. Hahn und J. Jeremias und setzt sich auseinander mit Ebed-Monographien
von C. v. Orclli, C. C. Torrcy. E. Lohmcycr, T. W. Manron und M. Hookcr
sowie mit Arbeiten von H. W. Wolff, V. Taylor, J. Jeremias. C. Maurer,
J. Morgenstern. E. Lohse und N. H. Snaith zum Einflufj von Jes 53 auf die
Jcsusüberlieferung; schließlich untersucht Grimm den Schriftgebrauch Jesu, bevor
er ein erstes Fazit zieht (.Aufgabe und Methoden der Untersuchung".
64-67).

Den Hauptteil des Buches bildet die „Analyse synoptischer
Jesusworte" (68-300). Grimm ordnet das synoptische Material
um die Themen „Das Evangelium, Sendung und Makarismus"
(Mt 5, 3-12/Lk 6, 20-33; Lk 14, 16-24/Mt 22, 1-10; elthon-
Wortc), „Der Sieg über den Satan" (u. a. Mk 3, 27; Lk 13, 16;
Mt 11,28-30), „Gegenwart und Zukunft des Heils" (Lk 10,
23f/Mt 13, 16f; Mt 11, 2-6/Lk 7, 18-23; Mk 4, 3-8), „Die Vergebung
der Sünden" (u. a. Mk 3, 28f; Mk 9, 19; Mk 2, 5.7-10;
Mk 10, 27), „Das Bittgebet" (u. a. Mt 7. 7/Lk 11, 9), „Der
Trost" (u. a. Lk 12,32; Mt 10, 28-31/Lk 12,4-7), „Das Neue
und das Alte" (u. a. Mk 2, 21f; Mk 8, 14-21), „Die Auseinandersetzung
mit Daniels Apokalyptik" (Mt 11, 25-27/Lk 10,
21f; Mk 13, 31), „Die messianische Tora" (u. a. Mt 5, 39/Lk 6,
29), „Heil für die Völker" (Mt 8, llf/Lk 13, 28f; Mk 11, 15-17).
„Die Lebenshingabe" (u. a. Mk 8, 32f; Mk 8,31 par.; 9,31
par.; Lk 22.35-38; Mk 10,42-45; Lk 12, 49f; Lk 13,31-33;
Mk 14,22-24). Besondere Erwähnung verdienen die Exkurse
„Dcuterojesajanisches in den synoptischen Erzählungen von
den Dämonenaustreibungen Jesu", „Jesu Vergeben bei den
Synoptikern", „Das Kreuz - Gcstus der radikalen Liebe Gottes
" und „Ex. 19 in der Jcsusüberlieferung" sowie die beiden
Exkurse zu Lk 13, 31-33.

In der „Zusammenfassung" (301-312) resümiert der Autor
die Ergebnisse seiner Einzelanalysen. Als Textform des Jesus