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Ausgabe:

1979

Spalte:

578-580

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Thissen, Werner

Titel/Untertitel:

Erzählung der Befreiung 1979

Rezensent:

Pokorný, Petr

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 8

578

Teil II der Arbeit erörtert die Benutzung und Wirkung der
Worte des Jeremia. Mutig und überzeugend ist der Versuch,
den „Neuen Bund" sowohl in den Qumrantexten (Damaskusschrift
) als auch in den lukanischen und paulinischen Texten
des NT nicht von Jer 31 her zu verstehen. Vielmehr handelt
es sich jeweils um eigene antithetische Neubildungen.
Der Neue Bund in den Abendmahlsberichten ist eine von
Jer 31 unabhängige Präzisierung der Aussagen bei Mk und
Mt. Erst in Hebr wird, gewissermaßen am Endpunkt einer
Entwicklungslinie, dieser Neue Bund zu dem aus Jer 31 in
Beziehung gesetzt. Vf. kann sich vor allem darauf stützen, daß
das Wortfeld des in Jer 31 beschriebenen Bundes weder in der
Verkündigung Jesu noch in den Abendmahlstexten eine Rolle
spielt. - Ob freilich für IKor 1,26-31 und lClem 13,1 eine gemeinsame
vorpaulinischc Tradition anzunehmen ist, bleibt unbeweisbar
. Auf jeden Fall steht dort Jer 9,22f im Hintergrund.
- Überhaupt zeigt der Vf. eine gewisse Neigung, den Autoren
und Redaktoren der neutest. Schriften die Kenntnis des Jere-
miabuches abzusprechen, für die vorausliegende Tradition dieses
aber dann doch wieder annehmen zu müssen. Damit ist
die Frage nach der Bekanntheit des Jeremiabuches nur verschoben
. - Zu den exegetischen Delikatessen des Buches gehören
die Ausführungen über die Judaslegende S. 159-166.
Von den nachneutestamentlichen Schriften werden nur Barn
und Justin erörtert. Den Abschluß des Buches bildet eine Übersetzung
der slavischen Versionen der Paralipomena Ieremiae.
Eine altrumänische Version war schon S. 45 Anm. 1 erwähnt
worden. Man hätte gerne Auskunft darüber gehabt, in welchem
Verhältnis dazu der von V. Jagic, in: Novi Prilozi za
literaturu biblijskih Apokrifa (Starine 5, Zagreb 1873, 69-108)
unter dem Titel „Apokrifi bogomila popa Jeremijc" (79-95,
Text: 83-95) publizierte Text steht.

Folgende Texte der apokryphen Jeremia-Literatur (die zumindest
ebenso ehrwürdig sind wie die vom Vf. häufiger zitierte
„Schatzhöhle") sind in der Arbeit übersehen worden:
1- die oben genannten Texte über Henoch und Jeremia, 2. Kopt
apokr Vita lerem (Nr. 91 in der Liste, die der Griechischen
Daniel-Diegese, Studia Postbiblica 27, Leiden 1976 vorangestellt
ist), 3. die äth. Version der Vita Ieremiae, äth. Text bei
J- Bachmann, Äthiopische Lesestücke, Leipzig 1893, 10-13,
frz. Übersetzung mit reichen Anmerkungen bei R. Basset, Les
Apocryphes Ethiopiens, I: Lc Livre de Baruch et la Legende
de Jeremie, Paris 1893, La Legende de Jeremie, 25-29, 4. The
History of the Blessed Men who lived in the Days of Jeremiah
the Prophet, in: E. A. W. Budge, The Life and Exploits of
Alexander the Great, Engl. Übers., London 1896, 555-584, speziell
über Jeremia 555-561, 5. Sib II 249f, 6. Kebra Nagast
(Übers. C. Bezold Kap. 106, p. 122) (Jeremia-Apokryphon:)
-Der Erlöser wird aus Zion gesandt werden und die Sünde
vom Volk Israel nehmen", in einer Testimonienlistc. 7. Texte
über Elia und Jeremia als Gegner des Antichrist, vgl. J. T. Mi-
lik, The Books of Enoch, Oxford 1976, 123 und dazu die Texte,
die in Teil I Anm 72 meines o. g. Buches „Auferstehung . . ."
angeführt sind, bes. Victorin v. Pcttau, den Vf. nicht zureichend
interpretiert, und Carmen adv. Marcionem III 179-189.

Die große Stärke der vorliegenden Arbeit sind die Einzelanalysen
der Entwicklungsgeschichte von bestimmten Traditionen
im Längsschnitt durch verschiedene Texte hindurch. Für
die Methode wirkungsgeschichtlicher Fragestellungen ist die
Arbeit vor allem auch darin vorbildlich, daß nicht überall
nur „Zitate" angenommen werden, wo in Wirklichkeit breiter
entfaltete allgemeinere Tradition vorliegt. Den Mut zu neuen
Wegen, insbesondere in der Frage des „Neuen Bundes" wird
der Leser dankbar anerkennen.

Heidelberg KUus Berger

Wahl, Otto [Ed.]: Apocalypsis Esdrae, Apocalypsis Sedrach,
Visio Beati Esdrae. Leiden: Brill 1977. X, 61 S. gr. 8° = Pseud-
epigrapha Veteris Testamcnti Graecc, IV. hfl. 36,-.

Die drei in der Ausgabe zusammengefaßten Schriften stehen
in einer engen inneren Beziehung zueinander. A.-M. Denis

urteilte: „On pourrait considerer la Visio Esdrae, l'Apocalypse
grecque d'Esdras et Celle de Sedrach comme trois recensions
de la meine ceuvre" (Introduction aux pseudepigraphes grecs
d'Ancien Testament, 1970, 93). Deshalb offenbar haben die
Herausgeber der Reihe, die zur Veröffentlichung der griechischen
Überlieferung bestimmt ist, der Zufügung der nur lateinisch
überlieferten Vis. Esdr. zugestimmt. Freilich ist das Verhältnis
, in dem die drei hier publizierten Texte zueinander
und darüber hinaus auch zum IV. Esra stehen, noch keineswegs
sicher geklärt. Auch diese Ausgabe bringt solche Klärung
nicht und will das auch gar nicht. Wohl aber hat der Hrsg.
nicht nur durch die Textpublikation, sondern auch durch sein
informierendes Vorwort dafür Grundlagen geschaffen. Mit
eigenen Urteilen über die näheren Umstände der vorgelegten
Schriften ist er überhaupt sehr zurückhaltend. Das gilt selbst
für die Frage, wie der Name „Sedrach" für den Verfasser der
ihm zugeschriebenen Apokalypse zu erklären ist.

Deutlicher legt der Hrsg. sich fest bezüglich des Verhältnisses
der beiden Handschriften (V u. L) für die Vis. Esdr. Sie
sind entweder unabhängige Übersetzungen der gleichen Schrift
oder - wahrscheinlicher - Übersetzungen von zwei verschiedenen
Rezensionen der gleichen Schrift. Freilich wird gerade
hier durch die erst nachträglich vom Hrsg. entdeckte (und in
die Ausgabe noch eingearbeitete!) Rezension der Schrift im
Magnum Legendarium Austriacum das Bild wieder komplizierter
. Nicht nur dieser Tatbestand, sondern der ganze Komplex
der pseudepigraphen Esra-Literatur und ihrer Beziehungen
untereinander verdiente eine gründliche Untersuchung.

Die Texte sind jeweils einmal bereits früher herausgegeben
worden, alle drei sind bei Rießler übersetzt, Apc. Esdr. neuerlich
auch von U. B. Müller in JSHRZ V, 2. Noch nicht ediert
war bisher der größte Teil der Homilie über die Liebe,
mit der Apc. Sedr. beginnt. Wahl bietet auch ihn mit der Zählung
H 1-21 (sonst hat er sich den vorhandenen Zählungen
angeschlossen) an der Stelle, an der er in der einzigen Handschrift
für den ganzen Text steht. Es drängt sich doch die
Frage auf, ob diese Homilie nicht nur durch das Versehen
eines Kopisten in die Überlieferung der Apc. Sedr. geraten ist.

Die Textausgabe verbessert offensichtliche Fehler der (schlechten
) Manuskripte, gibt aber im Apparat jeweils sämtliche Lesungen
der Handschriften sowie der vorangegangenen Editionen
. So kann man sich jederzeit leicht selbst ein Bild von
der Überlieferung und ihrer bisherigen Beurteilung machen.
Den griechischen Texten ist beigegeben eine Korrekturliste zu
dem jeweils in Frage kommenden Index verborum in der von
J. B. Bauer besorgten Neuauflage von C. A. Wahl, Clavis libro-
rum Veteris Testamcnti apoeryphorum philologica (vgl. dazu
ThLZ 100, 1975 Sp. 356f {Delling]).

Die wichtige Reihe der Textausgaben griechischer Pseud-
epigrapha zum AT ist um einen nützlichen Beitrag vermehrt
worden.

Halle (Saale) Traugott Holtz

Neues Testament

Thissen, Werner: Erzählung der Befreiung. Eine exegetische
Untersuchung zu Mk 2,1 - 3,6. Würzburg i Echter Verlag
[1976]. 420 S. gr. 8° = Forschung zur Bibel, 21. DM 39,-.

Es handelt sich um eine unter der Leitung von Prof. W. Thü-
sing geschriebene Münsteraner Dissertation, die fotomechanisch
gedruckt ist. Sie soll sowohl zur Erforschung der Theologie
des Marküsevangeliums beitragen, als auch die Untersuchung
der vormarkinischen Tradition weitertreiben, der
nach den Pionieren der formgeschichtlichcn Schule in der letzten
Zeit mehrere Forscher (bes. P. Achtemeier, H.-W. Kuhn
und R. Pesch) ihr Interesse gewidmet haben. Leider hat Th.
vor dem Abschluß seiner Arbeit den Markuskommentar von