Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

567-569

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Apocalypses et théologie de l'espérance 1979

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

567

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 8

568

christlicher Texte als eine Neuerung aus der zweiten Periode
des Ikonoklasmus. I. Sevcenko (XIV) untersucht die Hei-
ligenviten aus der Zeit des Bilderstreites, wobei er mit beachtlichen
Gründen erneut die Autorschaft des Ignatius Diaco-
nus für die Vita des Georgius von Amastris behauptet, die er
ikonoklastisch interpretiert. Schließlich versucht D. Freed-
b e r g (XVIII) mit großer Sachkenntnis eine phänomenologische
Darstellung von Ikonoklasmen überhaupt, in der sich alle
Vorteile, aber auch alle Schwierigkeiten dieser Betrachtungsweise
zeigen.

Eine Chronologie und eine Anthologie von Texten in Übersetzung
beschließen den Band, der eine Reihe materialreicher,
qualitätvoller und weiterführender Aufsätze enthält.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Monloubou, Louis [Ed.]: Apocalypses et theologie de l'espe-
rance. Congres de Toulouse (1975). Preface de H. Cazelles.
Paris: Les Editions du Cerf 1977. 486 S. 8° = Lectio Divina
, 95. Kart. ffr. 95,-.

In der Reihe der Tagungen der Association catholique fran-
caise pour l'etude de la Bible nahm der Kongreß von Toulouse
vom 8. - 11. September 1975, der sich das Thema Apokalyptik
und Theologie der Hoffnung gestellt hatte, einen herausragenden
Platz ein. Er galt nicht nur dem 10jährigen Bestehen der
Vereinigung, die sich nach dem 2. Vatikanischen Konzil und
in dessen Geiste konstituiert hatte, er erschien zugleich als
Selbstdarstellung bibelwissenschaftlicher Arbeit im heutigen
Frankreich. Wer sich des eindrucksvollen Berichtes erinnert,
den Joseph Hoffmann vor einiger Zeit von der Lage der französischen
katholischen Theologie gegeben hat (ThQ 153, 1973,
54-67= Theologisches Jahrbuch 1975, 36-52), mag beim Studium
dieses Bandes das dort gegebene Bild bestätigt, konkretisiert
, aber auch korrigiert finden. Einige Charakteristika treten
sogleich hervor: die biblischen Fächer erscheinen enger
zusammengerückt, Alttestamentler reden unbefangen über neu-
testamentliche Themen und umgekehrt; die Öffnung zu aktuellen
, Kirche und Gesellschaft bewegenden Fragen ist unverkennbar
.

Wie der geistige Ort der Themenwahl zu verstehen war,
verdeutlichte der Schlußvortrag des Rektors des Katholischen
Instituts Toulouse, Pierre Eyt, der unter den Leitworten Apokalyptik
, Utopie, Hoffnung ihre philosophische und theologische
Aktualität zu umreißen versuchte (441-458). Für ihn, der
in der Auferstehung von den Toten den articulus stantis et
candentis fidei (442) sieht, ist im Zeichen der Begegnung von
Theologie der Hoffnung und kritischer Philosophie eine Erhellung
(elucidation), Unterscheidung (discernement) und Verifikation
des Begriffs der Utopie erfolgt, die es erlauben, von
der christlichen Eschatologie als „authentischer Utopie" zu reden
. Was bei Ernst Käsemann als historisches Urteil gemeint
war - die Apokalyptik als Mutter der christlichen Theologie -
gewinnt den Charakter einer theologischen Fundamentalaussage
.

Daß man bei allem so bekundeten Verzicht auf traditionalistische
und akademische Selbstgefälligkeit der historischen
und exegetischen Vergewisserung nicht entraten kann und
will, zeigen die Beiträge, die sich, wiewohl als Einzelstücke
konzipiert, zu 14 Kapiteln eines Ensembles zusammenfügen
und so als Abschnitt eines Themabandes vorgelegt werden
können.

Matthias D e 1 c o r (Alttestamentler in Toulouse) eröffnet
mit seinem Überblick über die Forschungsgeschichte von Hilgenfeld
bis Karlheinz Müller, wobei er neben dem deutschen
den französischen Anteil an der historischen und theologischen
Erschließung der Apokalyptik hervorhebt (29-42). Sein Straßburger
Kollege Edmond Jacob, der einzige nichtkatholische
Gastreferent, versteht diese als Erbin der Prophetie, in
der deren große Themen durchgehalten werden: die göttliche
Lenkung von Menschheit und Schöpfung und die Erwählung
Israels mit Jerusalem als dessen Zentrum (43-61). Problematischer
sieht Pierre G r e 1 o t (Institut catholique Paris) das
von ihm thematisierte Verhältnis von Eschatologie und Geschichte
im Buche Daniel. Die Spannung von politischer Geschichte
und prophetischer Geschichtsdeutung erfordert die
Konzentration auf Gericht und Heil als Gegenstand der Eschatologie
, die sich einer von Symbolen und Chiffren bestimmten
Sprache bedient, wie sie Daniel und Henoch verbindet. Der
andere Pariser Referent Andre C a q u o t (College de France)
zieht die Linien von Daniel 7 zu aethHen 70/71 und konstatiert
eine Entwicklung vom Menschensohn als Symbolfigur zu
einer konkreten (mit Henoch identifizierten) Gestalt (111-122).
Pierre Bogaert (Louvain) versteht ApkBar(syr), 4Esr und
die Apk als Angehörige einer Familie, wo in je verschiedener
Weise auf die Zerstörung Jerusalems reagiert und sein zukünftiger
Wiederaufbau erwartet wird - ein Aspekt, der trotz
gewisser Parallelen zwischen Bar 31f, 4Esr 9,26-10,50 und
Apk 21 in der Johannes-Apokalypse doch nur peripher ist
(123-142).

Mit der ihm eigenen meisterlichen Handhabung weit verstreuten
Materials nimmt sich M. D e 1 c o r noch einmal des
Themas Mythologie und Apokalyptik an (143-179). Die neuerlich
wieder gestellte Frage, ob die Apokalyptik als Mythologisierung
der Eschatologie definiert werden kann, wird von ihm
positiv beantwortet. Am Beispiel des Mythologems der Chaosmächte
verfolgt er Rezeption und Aktualisierung mythischer
Vorstellungen über das AT hinaus bis zu Apk 12 und kommt
zu dem Urteil, daß die jüdische Religion in nachexilischer Zeit
einer immer stärkeren Remythisierung ausgesetzt war. Die gegenläufige
Entwicklung beleuchtet Joseph S t i a s s n y (Jerusalem
), wenn er den Prozeß der Rücknahme und „Unsichtbar-
machung" der Apokalyptik im rabbinischen Judentum des
2. nachchristlichen Jahrhunderts sorgsam belegt zur Darstellung
bringt (188-206). Die rabbinischen Urteile über das Ende
des Tempels und der Komplex b. Sanh. 96b-98a kommen dabei
ebenso zur Geltung wie die Kanonabgrenzung (Ez, Dan)
und der Kampf gegen das Judenchristentum und die apokalyptischen
Implikationen jüdischer Gnosis.

Daß die im französischen Sprachgebiet geleistete neutesta-
mentliche Arbeit einen unverwechselbaren Beitrag im Kontext
der exegetischen Forschung darstellt, zeigen die Studien
des zweiten Teils. Voran steht der umfangreiche Aufsatz von
Jacques Dupont (Louvain-Rom), der unter souveräner Beherrschung
der englischen und deutschen Literatur dem oft
behandelten Thema Tempelzerstörung und Ende der Zeit nach
Mk 13 neue Aspekte abzugewinnen vermag (207-269). Das
gilt sowohl für Einzelfragen (Widerspiegelung von Profana-
tion und Zerstörung des Tempels, Verhältnis von Krise und
Ankunft des Menschensohns) wie auch für die redaktionsgeschichtliche
Gesamtsicht (Bedeutung der 2. Pcrs. PL, Gestaltung
einer Aufeinanderfolge von apokalyptischen Offenbarungen
und paränetischen Exhortationen). Simon Legasse
(Neutestamcntler in Toulouse) stellt die aktuelle Diskussion
über die Menschensohnworte dar und reiht sich selbst in die
Gruppe der Forscher ein, für die die Worte über den künftigen
Menschensohn als ältestes und sicherstes Gut gelten, zugleich
aber als Selbstaussage Jesu zu begreifen sind. Um den
Menschensohn geht es auch bei Joseph Schmitt (Straßburg
), der daran die apokalyptische Komponente in der Chri-
stologie des 4. Evangeliums (337-350) aufweist. Die in dei
deutschen Forschung nur vereinzelt (u. a. vom Rez.), im angelsächsischen
Raum häufiger vertretene Ansicht von einer Entwicklung
innerhalb der paulinischen Eschatologie findet in
Pierre Benoit einen entschiedenen Verfechter (299-336).
Er sieht (ähnlich wie C. H. Dodd) drei Phasen: Thessalonicher-
briefe - Hauptbriefe einschließlich Philipper - Kolosser, Ephc-
ser, wobei mit 2. Korinther und Philipper die Wende zur individuellen
, mit dem Kolosser die zu einer präsentischen
Eschatologie erfolgt. So bildet Paulus die Brücke von der Apokalyptik
zum „Frühkatholizismus". Eine Konzeption, die gewiß
Widerspruch wecken wird, mit der auseinanderzusetzen
sich jedoch lohnt.

Schwieriger hat es der Leser mit der Arbeit einer Gruppe
in Lyon wirkender Exegeten (Jean C a 11 o u d , Jean D e -