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Ausgabe:

1979

Spalte:

566-567

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Iconoclasm 1979

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 8

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unteren Stufen der städtischen Mittel- und Oberschicht, aber
keine Personen aus der hohen Aristokratie der Gemeinde angehörten
. - Es ist wohl ein Versehen, daß der kleine Beitrag
von Hall über „Praxeas and Irenaeus", die Hall für identisch
hält, unter „Origenism" statt unter „Tertullian" abgedruckt
worden ist.

Im Abschnitt „Origenism" untersucht Boyd, wie und aus
welchen (z. T. exegetischen) Gründen Origenes den Begriff
der Gcttesliebe so entfaltet, dafj die im Neuen Testament gemeinte
Agape in eine hierarchisch nach der Würdigkeit geordnete
Moral umgesetzt wird. Man wird nicht übersehen dürfen
, daß wohl auch das ehrliche Bestreben, den Wortlaut
biblischer Weisungen im menschlichen Alltag zu verwirklichen,
an dieser Umdeutung beteiligt war. - E. Früchteis eindringliche
und ausführliche Interpretation des Arche-Begriffs (im
1-Buch des Johanneskommentars) wirft auf viele zugehörige
Gedanken des Origenes Licht. Zu erwähnen ist, daß Früchtel
dessen Eschatologie die Annahme eines Lichtleibes, nicht, wie
Hieronymus zu Unrecht behaupte, die völlige Körperlosig-
keit des Geistes zuschreibt. Diesem bis heute heftig umstrittenen
Problem ist Rius-Camps in einer besonderen Untersuchung
über „La suerte final de la naturaleza corporea segün
e' Peri Archon de Origenes" nachgegangen. Er ist überzeugt,
daß der Alexandriner bei dem Bemühen, die Offenbarungswahrheit
der Schrift von platonischen und stoischen Voraussetzun-
9en aus zu erklären, ganz bewußt eine „fluktuierende" Formulierung
gewählt hat, die man auch in den späteren Werken
zu beachten habe. In genauer Textanalyse will Rius-Camps
auch zeigen, daß Origenes erst nachträglich in den kosmo-
logischen Zusammenhang von Peri archön die „somatische"
Fragestellung hineingebracht habe, wie der Endzustand der
körperlichen Schöpfung zu denken sei. Der Leser wird fragen,
ob dann etwa auch die „fluktuierende" Haltung dem Origenes
in seinem ursprünglichen Versuch der Synthese fremd war.
Das ist unwahrscheinlich, und auch die „somatische" Problematik
mu5 ihn durch die kirchliche Auferstehungsbotschaft
früh beschäftigt haben. Das können wohl die verlorenen, noch
vor Peri archön verfaßten Bücher über dieses Thema beweisen
; ihretwegen könnte er sich im Hauptwerk kürzer gefaßt
haben. - Für die weitere Erforschung des nur durch Origenes
bekannten „Logos alethes" des Celsus bringt Ulimann viele
Anregungen, indem er fragt, welche Bedeutung die Gotteserkenntnis
für die Gesamtkonzeption dieses Werkes besitze
(XIV, 180).

Den letzten Abschnitt des Bandes XIV bilden 14 Beiträge zu
•Augustin. Von ihnen befassen sich drei mit dessen Schrift "De
doctrina christiana". Allard möchte daraus Augustins Philosophie
in der heutigen Diskussion über die Sprache zur Geltung
bringen; diesen Versuch kann er nicht ganz durchführen,
ohne die von Augustin den „Sachen", den „Zeichen" und der
Beredsamkeit zugeteilten Gewichte etwas zu verschieben. Ke-
vane versteht die Schrift "De doctrina christiana" wie manche
andere Darsteller als wichtiges Dokument des weltgeschichtlichen
Übergangs von antiker zu christlicher Erziehung und
Kultur und wählt deshalb auch die Überschrift „Translatio
imperii"; aber nach Meinung des Rez. will Augustins Schrift
ganz überwiegend eine Anweisung für kirchliche Lehr- und
Predigttätigkeit sein, die höchstens am Rande das allgemeine
kulturelle Geschehen streift. Sehr schön hat Pieszczoch in
einem kurzen Beitrag die „actualite des idees fondamentales
sur l'exegese" aus demselben Schriftchen Augustins dargestellt
, aber auch er dürfte die spätere kulturgeschichtliche Wirkung
des Werkes zu Unrecht als Absicht seines Verfassers
aufgefaßt haben. - Andere Beiträge zu Augustin befassen sich
mit Fragen der Überlieferung und Interpretation, der theologischen
Lehre (so De Letter mit der allgemeinen Gnade bei
Augustin und Prosper) und auch mit der Nachwirkung auf die
Erneuerung der französischen Katechese des 17. Jh. mittels
des Schriftchens De catechizandis rudibus.

Der ganze abschließende Teil bestärkt noch einmal den
starken Eindruck umfassender, sehr anregender und oft aktueller
Belehrung durch die internationale Forschung, den alle

Bände der "Studia Patristica" machen. Für ihre Veröffentlichung
kann man nur allen Mitarbeitern dankbar sein.

St. Augustin Heinrich Karpp

Bryer, Anthony, and Judith Herrin [Eds.]: Iconoclasm. Pa-
pers given at the Ninth Spring Symposium of Byzantine Stu-
dies. University of Birmingham March 1975. Birmingham:
Centre for Byzantine Studies, University of Birmingham
(1977). XI, 195 S. m. 37 Abb. 4°.

Der Band gibt achtzehn Vorträge eines Birminghamer Symposiums
wieder. Besonders eindrücklich ist dabei die - auf
derartigen Veranstaltungen selten erreichte - thematische Geschlossenheit
. Keiner der wichtigsten Gesichtspunkte fehlt, kaum
etwas wird behandelt, das nicht direkt zum Thema gehörte. Die
Beiträge von C. Mango und L. Barnard haben einführenden
Charakter. Mango (I) gibt einen historischen Abriß.
Seine Voraussetzung, dafj die Bilder seit langem Bestandteil
christlichen Lebens waren, läßt nicht verstehen, warum sich
jetzt plötzlich gegen sie eine so starke Opposition erhebt.
Die - nicht erst von ihm - angeführten ethnischen und politischen
Gründe befriedigen nicht recht. Man wird wohl doch
stärker anikonische Traditionen in Rechnung stellen müssen
(vgl. dazu auch H.-G. Beck, SB München 1975/7). Barnard (II)
gibt einen Überblick über die theologischen Probleme, wobei
er traditionelle Thesen vertritt: im Ikonoklasmus erhebt sich
orientalisch-magisches Denken gegen die neuplatonische Bildauffassung
der Ikonodulen. Doch sind wohl neuere Auffassungen
besser begründet, nach denen gerade die Ikonoklasten
von einer neuplatonischen Auffassung herkommen, während
die Bilderverehrer ihr weitgehend ablehnend gegenüberstehen
(Gero in: Byzantinische Zeitschrift 68, 1975; Thümmel in:
Studia byzantina II, 1973). J. Herrin (III) durchleuchtet
die politische Krisenzeit 695-717, H. Ahrweiler (IV) bestimmt
die Randgebiete byzantinischer Machtausübung, die Zufluchtstätten
der Ikonodulen sind. Das Verhältnis Roms zum Kaisertum
im 7. und frühen 8. Jh. untersucht mit sehr differenzierten
Ergebnissen P. Llewellyn (V). Zu einer eigentlichen
revolutionären Haltung gegenüber Byzanz kommt es
erst unter Leo III. Sicher zu Recht wird ein Einfluß von Islam
(O. Grabar, VII), Monophysitismus (S. Brock, VIII)
oder Paulikianern (B a r n a r d , X) auf den byzantinischen
Ikonoklasmus abgelehnt. R. Cormack hat in zwei Beiträgen
(VI, XVII) für die Kunstübung während und nach dem
Ikonoklasmus die Zeugnisse der Texte und der Denkmäler
zusammengetragen. Auch er muß feststellen, daß der Aufschwung
der Bildkunst erst unter Photius, dreißig Jahre nach
dem Ende des Bilderstreits einsetzt. Cormack beschreibt diesen
Aufschwung als redecoration, doch wäre zu fragen, ob
die von ihm beigebrachten Zeugnisse nicht eher dafür sprechen
, daß jetzt Bildkunst in einem Maße entsteht, wie es sie
vorher nicht gegeben hat. Auch das Kreuz in der Apsis der
Koimesiskirche in Nicaea dürfte schon vorikonoklastisch sein.
Die Naukratiosinschrift berechtigt nicht, hier ein älteres
Muttergottesbild ersetzt zu sehen. Auch A. W. Epstein
(XIII) betont, von kappadokischen Kirchdekorationen ausgehend
, daß das Kreuz nicht notwendig ikonoklastisches Symbol
ist. Und M. M u n d e 11 (IX) verweist auf die Stärke aniko-
nischer Tradition in monophysitischer Kirchdekoration. Warum
gerade Photius die Bildkunst forciert, machen die Vorträge
von C. Mango (XV) und P. Karlin-Hayter (XVI)
deutlich: Patriarch Photius war der Sohn von Confessoren im
Bilderstreit und konnte sich selbst als Confessor betrachten.
Dieses Moment hat er im Kampf gegen seinen Vorgänger
Ignatius, der anscheinend des Ikonoklasmus verdächtig war,
kräftig betont. Illustrierte Psalter sind erst aus nachikono-
klastischer Zeit erhalten. A. Cutler (XII) möchte jedoch für
den Psalter mit Marginal-Miniaturen vorikonoklastischen Ursprung
postulieren. A. Moffatt (XI) widmet sich dem
Niedergang der Bildung im 6. - 9. Jh. und betrachtet den Erwerb
der Elementarbildung (Lesen und Schreiben) anhand