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Ausgabe:

1979

Spalte:

515-517

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Ducke, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Handeln zum Heil 1979

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologiseile Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 7

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Macaulay, J. C.: Expository Commentary on Acts. Chicago,

DL: Moody Press [1978]. 272 S. gr. 8°. Kldr. $ 6.95.
—: Expository Commentary on Hebrews. Chicago, DL: Moody

Press [1978]. 270 S. gr. 8°. Kldr. $ 6.95.
Mayer, Bernhard: Uberlicferungs- und redaktionsgeschichtliche

Überlegungen zu Mk 6, 1—6a (Josef Kürzinger zum 80. Geb.)

(BZ 22, 1978 S. 187-198).
Noack, Beut: A Jewish Gospel in a Hellenistic World (StTh 32,

1978 S. 45-55).

Pedersen, Sigfred: „Mit Furcht und Zittern (Phil 2, 12—13)
(StTh 32, 1978 S. 1-31).

Reim, Günter: Joh 9 — Tradition und zeitgenössische messia-
nische Diskussion (BZ 22, 1978 S. 245-253).

Theobald, Michael: Der Primat der Synchronie vor der Diachronie
als Grundaxiom der Literarkritik. Methodische Erwägungen
an Hand von Mk 2, 13-17 / Mt 9, 9-13 (BZ 22,
1978 S. 161-186).

Wiefel, Wolfgang: 30 Jahre Arbeit am Neuen Testament (Standpunkt
7, 1979 S. 156-159).

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Ducke, Karl-Heinz: Handeln zum Heil. Eine Untersuchung zur
Morallehre Hadrians VI. Leipzig: St. Benno-Verlag 1976.
XIX, 328 S. gr. 8° = Erfurter theologische Studien, 34. Kart.
M 24,50.

Hadrian VI. erfreut sich in den Darstellungen der deutschen
Reformationsgeschichte besonderer Aufmerksamkeit, weil er
durch seinen Nuntius Francesco Chieregati am 3. Januar 1523
vor dem in Nürnberg versammelten Reichstag eine Erklärung
verlesen ließ, in der er einräumte, daß alles Übel in der Kirche
seinen Anfang vielleicht in Rom genommen habe, und zugleich
versprach, daß von dort auch die Reformation der Kirche ausgehen
solle. Dieses „Schuldbekenntnis" scheint auf den ersten
Blick die Möglichkeit zu einer Erneuerung der Kirche eröffnet
zu haben, die leider durch den bald darauf erfolgten Tod Hadrians
VI. zunichte wurde. Jedoch bei näherem Zusehen wird
offenbar, daß dieses „Schuldbekenntnis" nichts mit einer Bereitschaft
zu tun hatte, auf die Anliegen der Wittenberger Reformation
einzugehen, denn es forderte im selben Atemzug von
den deutschen Fürsten, das Wormser Edikt von 1521 durchzuführen
und Luther mit seinen Anhängern zu vernichten. Sein
Pontifikat vom 9. Januar 1522 bis zum 14. September 1523
war eine Folge von Niederlagen, da er seine Pläne entweder
nicht durchsetzen konnte oder sogar das Gegenteil von dem tun
mußte, was er wollte. Sein Tod riß ihn daher nicht aus hoffnungsvollen
Anfängen heraus, sondern erlöste ihn von Enttäuschungen
. Unter diesen Umständen muß die Frage entstehen:
Welche theologischen Vorstellungen prägten das Verhalten von
Hadrian VI.? War er bereits der Wortführer einer Strömung,
die später die Reform der römisch-katholischen Kirche trug?
Die vorliegende Untersuchung der Morallehre Hadrians scheint
geeignet, auf diese Fragen eine Antwort zu finden, zumal ihr Vf.
selbst feststellt: „Hadrian VI. steht an der Wende der Neuzeit
und markiert als Theologe wie als Papst in besonderer Weise
eine Epoche des Übergangs" (1).

Der Vf. gibt zunächst eine Übersicht über das Leben des
Adrian Florens (5—28), sein Wirken als Reformer (29—49) und
als Theologe (50—73), ehe er seine Morallehre darstellt. Die
Quellen für diese stammen aus der Zeit, als Adrian Professor in
Löwen war (1491—1515). Die beiden Hauptwerke „Quaestioncs
quodlibeticae" und „Quacstiones in Quartum sententiamm
librum" sind bis 1507 bzw. 1509 an einer Universität entstanden
, an der die scholastische Methode noch unangefochten
herrschte, ohne daß es zu ausgeprägten Schulbildungen kam.
Auch Adrian schöpfte aus dem ganzen Strom der scholastischen
Autoritäten. So errichtete er seine Lehre vom menschlichen Handeln
nicht einfach auf einer intellektiven oder voluntativen
Grundlage, sondern er versuchte, die Einsichten dieser beiden
scholaslischen Lehrrichtungen in Beziehung zu setzen. Der Vf.
wehrt sich aber dagegen, Adrian deshalb als Eklektiker abzu-

tun, da er kritisch auswählte und selbständig verarbeitete (72).
Zu einem durchgehenden systematischen Aufbau ist er freilich
nicht gelangt, was der Vf. in der Kürze seiner akademischen
Lehrtätigkeit und in der Abhaltung durch andere Verpflichtungen
begründet sieht (2). Es ist jedoch zu bedenken, daß Thomas
von Aquin mit 48/49 Jahren starb, während Adrian auch bereits
46 war, als ihm die Erziehung des späteren Karl V. anvertraut
wurde, und über 56, als er seine Lehrtätigkeit einstellte
. Adrian teilte vielmehr das Schicksal aller Spätscholastiker
, denen nur die Möglichkeit blieb, entweder für eine Schulrichtung
zu kämpfen oder für den Bedarf des Tages aus dem
Reichtum scholastischer Theologie, der in über 300 Jahren aufgehäuft
worden war, widersprechende Aussagen abwägend auszuwählen
. Daher ist die Entscheidung des Vf. sachgemäß,
Adrian nicht mit Hilfe eines fremden Schemas zu befragen,
sondern entsprechend den Schwerpunkten seiner Darlegungen
den Stoff darzubieten: „Menschliches Handeln unter dem Gesetz
" (74-141), „Menschliches Handeln in Freiheit" (142-221)
und „Sittlichkeit und Heil" (222-320).

Adrian teilte die von den Scholastikern vertretene Meinung,
daß das Gewissen vorrangig an das natürliche bzw. göttliche
Recht gebunden sei, was notwendigerweise Folgen für das Verhallen
gegenüber ungerechten Gesetzen haben muß. Adrian
zeichnete sich aber dadurch aus, daß er einerseits die Kritik an
positiven Gesetzen, die von dem natürlichen Recht abweichen,
konsequenter als manche anderen Scholastiker durchführte und
andererseits dem einzelnen Menschen einen größeren Entscheidungsraum
zuwies, also gewissermaßen zu einer „Situationsethik
" neigte.

Während einige Scholastiker meinten, ungerechte Exkommunikationen
verpflichteten das Gewissen, setzte Hadrian sie ungerechten
Gesetzen und Befehlen gleich und bestritt dies. Entsprechend
stellte er die päpstliche Gewalt unter das göttliche
Recht. Er gestand dem Papst keine Dispcnsgewalt in Fällen zu,
in denen es naturrecblliche Normen gibt. So zählte er die
Schweigepflicht des Beichtvaters zum göttlichen Recht, von dem
auch der Papst nicht entbinden könnte. Ebenso bestritt er, daß
der Papst einem Geweihten die Fähigkeit nehmen könnte, gültige
Sakramente zu spenden, da dieser seine Fähigkeit kraft
göttlicher Ordnung erhalten habe. Die päpstliche Dispensvollmacht
schränkte er noch weiter ein, indem er forderte, daß von
ihr entweder um der necessitas ecelesiae oder der utililas
communis willen Gebrauch gemacht werde. Daher entschuldige
ein Dispens, der vom Verbot der Pfründenkumulation befreit,
vor Gott nur, wenn diese Bedingungen vorliegen. Diene sie zur
perfönhehen Bereicherung, werde der vom Papst und damit
von der kirchenrechtlichen Verfolgung Dispensierte vor Gott
schuldig. Ebenso machte er die Lehraulorität des Papstes davon
abhängig, daß dessen Verlautbarungen dem göttlichen Gesetz
entsprächen, so daß diese Übereinstimmung den Gehorsam begründe
, nicht die Tatsache allein, daß die Entscheidung vom
Papst ausgegangen ist. Der Vf. gehl noch auf die Nachwirkung
der papslkritischen Aussagen Adrians ein und urteilt zutreffend,
daß diese zu Unrecht für den Gallikanismus in Anspruch genommen
worden sind.

Als durchgehenden Gedanken der Morallehre Adrians stellt
der Vf. eine Finalkonzeption heraus, nach der das Ziel des
menschlichen Handelns sein ewiges Heil ist. Der Vf. weist auf
die Einbettung der moraltheologischen Überlegungen — wie es
z. Tl. im Spätmittelalter üblich wird — in die Sakramentenlehrc
hin. Die Beichte wird zu einem Mittel, das besonders geeignet
ist, im täglichen Christsein das angestrebte Ziel zu erreichen. In
ihr fordert Adrian, „daß der Pönitent jegliche Anstrengung auf
den Bußakt richtet und alles, was er einzusetzen vermag, ak-
tuiert, um Gott zu gefallen" (299). Er verlangt von dem Menschen
„facere quod in se est" — u. zw. um das Rechte zu erkennen
(1640 "»d urn wahre Reue zu empfinden (298—300) —,
damit er die Gnade erlange. Der Vf. urteilt selbst, daß diese
Aussagen „an verschiedenen Stellen über das facere quod in se
est Anklänge an semipelagianische Tendenzen enthalten" (322).
Er kann aber zugleich auf Ausführungen hinweisen, die die
entscheidende Bedeutung der Gnade Gottes hervorheben.

Der Vf. hat die beiden Quaestionensammlungen Adrians in