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Ausgabe:

1979

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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rasche Orientierung und erhöht den Gebrauchswert des Buches,
das auch ein Register und eine Auswahlbibliographie enthält.
Hervorzuheben ist das instruktive Bildmaterial, was für einen
Gnosisband nicht leicht zu beschaffen ist, sowie eine Karte mit
den für die Gnosisforschung wichtigsten Orten.

Da der Autor nicht nur „breitere Kreise", sondern auch den
„geschätzten Fachkollegen" (8) anredet, sind einige fachliche
Erwägungen angebracht. Allgemein ist zu sagen: durch die Beschränkung
auf Durchblicke kann manches vielschichtige Detail
nicht ausgelotet, und d. h. nur einlinig und mithin verkürzt
dargestellt werden. Aus diesem Grunde empfindet man bei der
einen oder anderen Aussage eine gewisse Unscharfe. Es wird
v°n K. R. darauf aufmerksam gemacht, daß in der Gnosisforschung
nicht wenige Fragen noch ungeklärt sind. Deshalb hat
der Autor in umstrittenen Dingen seine eigenen Positionen beziehen
und dem Leser seine subjektiven Ansichten offerieren
Hussen. Gerade solche Passagen zählen zu den interessantesten
des Buches. Aber es erhebt sich doch grundsätzlich die Frage,
ob der Vf. gut daran tut, auf die Mitteilung kontroverser Meinungen
und alternativer Ansichten weitgehend zu verzichten.
Was die ausführlichen Zitate angeht, so mag der Leser selbst
entscheiden, ob sie ihn nicht hier und da ermüden — jedenfalls
sind sie eine F'undgrube.

Für philologische Annotationen zu den Ubersetzungen, zu
einzelnen Wendungen und Ergänzungen, ist hier leider nicht
der Raum gegeben. Notwendig ist aber eine Bemerkung über
den Gebrauch von Klammern. Entgegen seiner Ankündigung
(9) verwendet der Autor eckige Klammern nicht nur für nötige
bzw. mögliche Ergänzungen im Urtext, sondern auch für die in
der deutschen Ubersetzung notwendigen Ergänzungen und Verständnishilfen
, wofür aber die runden Klammern vorgesehen sind.
Das verwirrt (vgl. z.B. 150—161). Verwirrend ist auch die völlig verschiedene
Zählung der Originalseiten innerhalb des Codex II
aus Nag Hammadi (bis NHC 11,5 nach der alten Tafel-Zählung
bei Labib, bei 11,6 und 11,7 nach der jetzt üblichen Originalseiten
-Zählung). Das führt dazu, daß z. B. 222f die Seitenzahlen
von NHC 11,5 höher sind als die von NHC 11,7. Bei einer
zweiten Auflage sollte auch berücksichtigt werden, daß die Zählung
der Schriften von Codex I inzwischen verändert worden ist. Unbedingt
notwendig ist eine Uberprüfung der Stellenangaben neben dem
laufenden Text, deren Zuverlässigkeit für den Benutzer besonders
wichtig ist. Nicht sehr glücklich ist die Zitationsweise bei
den Nag-Hammadi-Textcn, z. B. I 2, 22,2—11 — mit einem
Komma zwischen der Codex- und Textzählung und der Seitenzahl
, was auch den Setzer irritiert hat (vgl. 213 und 239f). Besser
wäre: NHC I 2 p. 22,2-11; oder: NHC I 2/22, 2-11.

Der überbück über die Nag-Hammadi-Schriften (49—53) ist
zu kurz geraten; zwei Seiten mehr hätten genügt, um die Texte
zwar knapp, aber doch etwas präziser charakterisieren zu können
. In diesem Abschnitt sind auch einige Irrtümer zu beseitigen
und müßte der neuest«; Stand der Einteilung und Abgrenzung
von Texten in den einzelnen Codices berücksichtigt werden
. Man vermag übrigens nicht einzusehen, wozu die Titel
generell eingedeutscht werden, was das Verständnis eher hindert
denn fördert. Das gilt ebenso für die Ubersetzung von Eigennamen
mythologischer Gestalten wie Sophia-Zoe, Pistis u. a. ins
Deutsche. Günstiger wäre es ferner, bei den gnostischen Schul-
häuptem durchweg die griechische Namensform an die erste
Stelle zu setzen und die lateinische in die Klammer (s. Markion,
Kerdon).

Aus der Fülle von Fragen zu Rudolphs anregender Darstellung
greife ich nur einige von grundsätzlicher Art und allgemeinem
Interesse heraus. Erstens: Das Buch leitet Wasser auf die Mühlen
derer, die der Gnosisforschung den Schlachtruf „alles ist
Gnosis" unterstellen. Hier wäre m. E. Zurückhaltung am Platze.
Der Autor läßt beim Leser den Eindruck entstehen, als wären
die Nag-Hammadi-Schriften samt und sonders Zeugen der
Gnosis, obwohl doch die Sammlung Texte sehr unterschiedlichen
Charakters enthält: nicht-gnostische und gnostische, nicht-
christliche und christliche, christianisierte gnostische und gno-
stisch-christliche, um die Vielfalt nur anzudeuten. Durch die
Wahl einer Codexseite aus den Sextussprüchen für die Rückseite
des Schutzumschlages wird dieser Eindruck auch rein

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äußerlich noch gefördert. Das Neue Testament gerät bei K. R.
unter den Abschnitt „Frühe (sc. gnostische, KWT) Schulen und
Systeme", was sich nicht nur beim „gnostischen Charakter des
Johannesevangeliunis" (324, vgl. auch 173f) recht einseitig auswirkt
, sondern auch bei der Beurteilung des Paulus: „er gehört
mit zu ihr (sc. zur Gnosis, KWT), nicht nur als ein Gegner"
(320). Es fehlt in den einzelnen Abschnitten gewiß nicht an
treffenden Differenzierungen, aber aufs Ganze gesehen wird
man das Gefühl, daß alles Gnosis sei, nicht los.

Weiteres: der Autor hat viel Mühe darauf verwendet, die
Beziehungen zwischen Gnosis und Judentum aufzudecken
(293ff) und immer wieder auf mögliche Einflüsse aufmerksam
zu machen, während das so wichtige Verhältnis von Gnosis und
Philosophie nicht in dieser Weise zur Geltung kommt.

Uber das methodische Vorgehen des Vf. kann man verschiedener
Meinung sein. Ich halte die von K. R. gewählte synthetische
Darstellung der Gnosis der erklärten Absicht des Buches
für angemessen. Es würde den Leser wahrscheinlich nur verwirren
, wenn man ihm das Phänomen Gnosis in seiner ganzen
Verzweiglheit und Verzwicktheit vorführen wollte. Von der vorliegenden
Gesamtschau hat er sicher mehr.

Das Buch enthält vieles, was auch der Gnosiskenncr mit Interesse
und Gewinn lesen wird, darunter die Ausführungen
zum Ursprung und zur gesellschaftlichen Verortung der Gnosis,
zur Soziologie, zur Ethik und zum Kultus. Sehr wichtig und
vielleicht noch erweiterungsfähig ist der Abschnitt „Ausblick:
Metamorphose und Wirkungsgeschichte" (391—401). Die Gnosis
stellte viele Fragen, die bis heule nicht erledigt sind: das Theo-
dizccproblem, die Einstellung des Glaubenden zur Welt, das
Verhältnis von Glaube und Wissen und das Verständnis der
Person Jesu Christi.

Dem Autor gebührt Dank dafür, daß er ein so schwieriges,
aber lohnendes Unternehmen gewagt hat. Wer sich über die
•pätantike Religion „Gnosis" hinreichend informieren möchte,
wird gern zu dieser Publikation greifen. Es bleibt zu hoffen,
daß sie weitere Auflagen erlebt, damit sie zu einem Standardwerk
für einen großen, an der Gnosis interessierten Leserkreis
werden kann.

Berlin Karl-Wolfgong TrfigcF

Buddhismus und Christentum (Themenheft Concilium 14, 1978
Heft 6/7).

Bareau, Andre: Die Erfahrung des Leidens und der menschlichen
Lebensbedingungen im Buddhismus (S. 348—352)

Boyd, James W.: Der Pfad der Befreiung vom Leid im
Buddhismus (S. 253—358)

Dumoulin, Heinrich: Befreiung im Buddhismus. Die frühbuddhistische
I^ehre in moderner Sicht (S. 359—363)

Vos, Fräs: Die Entdeckung der eigenen Buddha-Natur: Die
plötzliche Erleuchtung im Zen (S. 364—368)

Dhavamony, Mariasusai: Der Buddha als Erlöser (S. 369—376)

Sangharakshita, Maha Sthavira: Dialog zwischen Buddhismus
und Christentum (S. 37C-381)

Dubarle, Dominique: Buddhistische Spiritualität und christliches
Gottesverständuis (S. 381—386)

Corless, Roger: Der buddhistische Befreiungsweg in christlicher
Sicht (S. 387-394)

Fernando, Mervyn: Die buddhistische Herausforderung an
das Christentuum (S. 395-400)

Rodrigo, Michael: Der buddhistisch-christliche Dialog in Sri
Lanka (S. 401-405)

Zago, Marcello: Zum Dialog zwischen Christen und Buddhisten
in Südostasien (S. 406—409)

Enomiya-Lassallc, Hugo: Buddhistisch-christlicher Dialog in
Japan heute (S. 409-411)

Spae, Joseph: Der Einfluß des Buddhismus in Europa und
Amerika (S. 412-415).
Swanson, Guy E.: Trance and possession: studies of charismatic

inlluence (RRelRes 19, 1978 S. 253-278).

Theologische Litcraturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 7