Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

497

Theologische Litcraturzcitung

104. Jahrgang 1979 Nr. 7

498

vtnd norm3ctzende Instanz" in Theol. Versuche IV, 145—162
verwiesen.

Eine weitere Bündelung ergibt sich zum Kanon-Problem.
E. Oß wald liefert eine kritische Bestandsaufnahme der neueren
Diskussion „zum Problem der hermeneu tischen Relevanz
des Kanons für die Interpretation alttestamentlicher Texte"
(47—59). Nach der Skizzierung extremer, heute kaum akzeptabler
Positionen folgt sie Überlegungen, die aus einem „breiten
Mittelfeld" stammen und davon ausgehen, daß das Neue
Testament neben rabbinischer Literatur und Koran nicht die
einzige Fortsetzung des Alten Testaments darstellt. Daraus folgt,
daß nicht der Aspekt Verheißung—Erfüllung, sondern die Frage
nach wichtigen gemeinsamen Strukturelementen (Gottesherrschaft
und Goltesgemeinschaft) vorrangig den theologischen Zusammenhang
der beiden Testamente bestimmen sollte. W.
K r o t k e äußert sich zum neutestamentlichen Kanon „als Problem
der Rede von Gott" (Gl—69). Gegen die heute zunehmende
Tendenz, die Universalität Gottes auch von außerhalb
des Kanons zu begründen und den Religionsbegriff zu reaktivieren
, stellt K. die Forderung, die Verbindlichkeit des Kanons
für die Rede von Gott neu herauszuarbeiten. Die theologische
Notwendigkeit des Kanons bedingt sich von seinem Ursprung
her, nämlich von Gott selbst, der als unverfügbares Ereignis in
der bestimmten Geschichte des Mensehen Jesus begegnet, u. zw.
so, daß es als Auferstehung den irdischen und gekreuzigten
Jesus bleibend in Geltung setzt. Gegen allen Zugzwang, der für
theologisches Denken leicht von einer atheistischen Welt ausgehl
, gilt es, daran festzuhalten, daß Gott als befreiendes Ereignis
allein in der durch den Kanon vermittelten Begegnung
mit der Geschichte Jesu Christi erfahren werden kann. Gerade
das Zeugnis von dieser partikularen Geschichte setzt Gottes universalen
Anspruch in Kraft.

Audi bei den übrigen Beiträgen des Bandes stehen systematische
Überlegungen im Vordergrund. W. Thiel untersucht
die Rede vom „Bund" in den Prophetenbüchern (11—36). Das
Ergebnis ist bemerkenswert: in authentischen Prophetenworten
erscheinen bundestheologische Aussagen erst bei Deuterojesaja,
aber auch da nur am Rande. Selbst in die Prophetenbücher des
Jeremia und Ezechiel sind sie nur durch die redaktionelle Nacharbeit
eingedrungen, so daß die Rede vom Bund insgesamt als
der prophetischen Botschaft „wurzelfremd" beurteilt werden
muß. _ Den zahlreichen neueren Versuchen, Sinn und Absicht
des Jonabuches zu bestimmen, fügt S. Schreiner einen
eigenen interessanten Vorschlag hiozu (37—45). Indem er Jona
als Symbolfigur des ganzen Volkes Israel versteht, glaubt er
zeigen zu können, daß der Autor des Jonabuches nicht weniger
als „ein kritisches Resümee der Geschichte Israels" beabsichtigt.
In» zwar unausgesprochenen, aber nicht zu übersehenden Gegenüber
zu Abraham wird an Jona sichtbar, daß Israel den für
seine Existenz wesentlichen Bezug auf die Völkerwell abgelehnt
hat. — G. S c h i 11 e greift die noch immer offene Frage nach
der thematischen Einheitlichkeit des Jakobusbriefes auf, indem
C1 damit rechnet, daß sein Autor seine Aussage „in und mit
dem parfinetischen Material selbst durchzuführen sich zutraute''
(71—89). Aus dem Eingangslcil (1,2—18) ergibt sich als Thema
bzw. These, daß Gottes Ungespaltensein (V. 5) keine Gespaltenheit
des Glaubens (V. 8) duldet. Diese These wird in den folgenden
Abschnitten veranschaulicht. Der Schlußabschnitt (5,7—19)
deutet an, wie die in verschiedenen Zusammenhängen anvisierte
Schizophrenie des Glaubens geheilt werden kann. — R.
Pietz (•)■) fragt nach den Gründen für den Wandel in der
neueren sektenkundlichen Arbeit (91—101). Auf großkirchlicher
Seite nennt er die Erfahrung der ökumenischen Bewegung, die
Erkenntnis der Vielfalt des Urchristentums, die Einsicht in die
Schuld der Staatskirche und in die strukturelle Schwäche der
Volkskirche sowie die Erfahrung eigenen und gemeinsamen
Minderheitendaseins, auf Seiten der Sondergemeinschaften die
hier und da bemerkbare Selbstdurchselzung der biblischen
Wahrheit, eine gerechtere Würdigung der Herkunftskirchen
und die Erfahrung weilergreifender Aufsplilterung. Normativ
für die gewandelte sektenkundlichc Arbeil sollte sein ein um-
fassendes Wahrnehmen der Wirklichkeit, ein in die Tiefe dringendes
Verslehen und ein behutsames, aber klares Urteilen. —

B. Pi u d o 1 p h fragt anhand von Karl Holls Lutherinterpretation
nach den „systematischen Grundgedanken" der persönlichen
Theologie des bekannten Kirchenhistorikers (103—130).
Indem er deren wesentliche Problemkreise — Gottesverhältnis,
Rechtfertigung, Christologie — untersucht, ergeben sich folgende
treibende Motive der Hollschen Lutherdeutung: Ausschaltung
des Als-ob-Verdachtes gegenüber theologischen Aussagen, Interesse
an der konkreten Wirklichkeit des Glaubens, d. h. am Gewissen
als Ort der Gotteserfahrung, am personalen Gegenüber
von Gott und Mensch, an der sittlichen Neuschaffung des Glaubenden
. Kritisch vermerkt wird, daß Holl das propter Christum
in seiner Bedeutung für die Vergangenheit des Sünders fast
völlig übergeht. — U. Kühn denkt konstruktiv über „die
theologische Bedeutung der empirischen Kirche" nach (131 — 144).
Ausgehend von der neueren Diskussionslage zum Thema wehrt
er extreme Lösungsversuche ab, indem er selbst die spannungsvolle
Einheit von empirischem und geistlichem Wesen der
Kirche entschlossen vom lutherischen „simul iustus ac peccator"
bzw. vom notwendigen Ineinander von geislgewirktem Gehorsam
und menschlichem Ungehorsam her zu verstehen versucht.
Im einzelnen wird bedacht, was dieser Ansatz für das Verständnis
der notae ecclesiae, der Kirche als Institution und der
Kirche als Geschichte bedeutet. — N. B u s k e schreibt „zur
Hermeneutik von Gebet und Dogma" (191—203). Die Struktur-
Unterschiede zwischen Gebet und Dogma werden einleuchtend
auf das jeweilige spezifische Bezugssystem zurückgeführt. Charakteristisch
für das Gebet sind persönliche Erfahrung, beschränkte
Verbindlichkeit, Identifikation und Vereinzelung, für
das Dogma, Abstraktion, allgemeine Verbindlichkeit, Distanz und
Verallgemeinerung. Überschneidungen beider Bezugssysteme
sieht B. im liturgischen Gebet und im Bekenntnis. Originell und
anregend ist der Vergleich mit analogen Unterschieden zwischen
darstellender und bildender Kunst. — II. Lahr legt in Fortführung
früherer Veröffentlichungen thesenhafte Überlegungen
zum Thema „Visitation" vor (205—212). Dies geschieht so, daß
zunächst unter „ekklesiologischer Orientierung", sodann unter
„theologischen Koordinaten" jeweils drei Thesen aufgestellt und
durch „Anwendungen" und „Modelle" erläutert werden. Theologisch
wie praktisch vermittelt L. zu einem umstrittenen Thema
weilerführende Gesichtspunkte, die nicht zuletzt ob ihrer Prägnanz
Beachtung verdienen.

Greifswald Günter Haufe

Frankel, Hans-Joachim: Begegnung von Staat und Kirche
(ZdZ 32, 1978 S. 251-260).

Klein, Laurentius: Jerusalem — eine theologische Provokation
(ThQ 158, 1978 S. 82-91).

Kreck, Walter- Von der Konfrontation zur Kooperation (ZdZ 32,
1978 S. 241-251).

Legaut, Marcel: Christ aus Leidenschaft. Ein Gespräch mit
Bernard Feillet. Ubers, v. A.-E. Steinmann. Freiburg—Basel-
Wien: Herder [1978]. 224 S. 8°. Kart. DM 19,80.

[Thielicke, Helmut:] Christsein in Zukunft. Zeichen, Ziele und
Vermutungen. Helmut Thielicke gewidmet, hrsg. v. H. C. G.
Westphal. Freiburg-Basel-Wien: Herder [1978]. 160 S.
kl. 8° = Herderbücherei 683. Kart. DM 5,90.

Religionswissenschaft

Slröm, Äkc V., u. Haralds Biezais: Germanische und Baltische
Religion. Stuttgart—Berlin—Köln-Mainz: Kohlhammer [1975].
391 S. gr. 8° = Die Religionen der Menschheit, 19,1. Lw.
DM 86,-.

An Quellen zur germanischen Religion scheint es nicht zu
fehlen: wir haben archäologisches Material aus ur- und früh-
geschichtlieher Zeit (z. B. Gräber mit ihren Beigaben, bildliche
Darstellungen), Runeninschriften, Berichte antiker Schriftsteller,
poetische Zeugnisse (sehr unterschiedlichen Alters und Charakters
) aus der Germania, besonders aber aus dem Norden, fer-