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Ausgabe:

1979

Spalte:

495-498

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

1977 1979

Rezensent:

Haufe, Günter

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495

Theologische Literatlirzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 7

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münden in die weltweite Perspektive eines Endgerichtes und
Endheils aus.

Muß hier auf alle weiteren Einzelheiten verzichtet werden,
so ist doch abschließend die Grundfrage nach der inneren Legitimität
und der theologischen Gültigkeit auch dieser Ausgestaltung
gewisser Prophetcnbuchteile oder der ganzen Bücher zu
fragen. Der Ansatz in der schon in der frühen Prophetie des
Arnos zu hörenden Ankündigung eines Tages Jahwes, die dann
über Jesaja, Zephanja, Ezechiel weiterführt bis hinunter zu
Joel und Maleachi, ist nicht zu verkennen. Auf diesem Wege
aber geschieht es, daß das Prophetenwort, das beim geschichtlichen
Jesaja ganz so wie bei Arnos in eine ganz konkrete Zeitsituation
hinein die Präsenz Jahwes im Gericht über seinem
Volke ankündigte, als ein Phänomen, das alle Welt betrifft,
interpretiert wird. Dabei soll es sicher auch hier nicht einfach
um die Zeichnung eines weltgeschichtlichen Rahmens gehen, den
man beruhigt zur Kenntnis nehmen kann, so wie die Hiirer
Ezechiels es diesem sagen konnten: „Die Gesichte, die er schaut,
gehen auf viele Tage hinaus und auf ferne Zeiten prophezeit
er" (12,27). Die apokalyptisiercnde Ausweitung in der Ausgestaltung
der Schlußelemente gewisser prophetischer Bücher will
vielmehr festhalten, daß die Welt in ihrer ganzen Weite nicht
am St. Nimmerleinstag, sondern in Bälde mit der Präsenz Jahwes
konfrontiert werden wird — einer Präsenz, in der Jahwe
durch das Gericht zum Heil der Seinigen führt. Es ist eine
letzte Entschränkung der prophetischen Botschaft, die lebt vom
Glauben an die auch in neue Gegenwart hinein gültige Kunde,
welche die Propheten haben lautwerden lassen.

Richtiger sagen wir wohl: Es ist eine Entschränkung, die lebt
vom Wissen, daß Jahwe bei seinem Werke bleibt, einem Werk
in Gericht und Heil, dem sich kein Raum, kein Volk und keine
Zeit der Welt entziehen kann. Wie immer sich dann die Apo-
kalyptik später im Gestrüpp eines Rechnens verfangen mag,
sie lebt letztlich von der Zuversicht, daß der Herr aller Welt
und aller Geschichte bei seinem Worte bleibt, dem Worte, das
Propheten zunächst in scharf umrissene Situationen des Volkes
Israel hinein gesprochen haben28.

Diese immer vollere Gültigkeit der Konfrontation der Welt
mit ihrem Gott, von dem nie einfach im Perfectum geredet
werden kann, sosehr Geschehenes die Spur seines Handelns an
seinem Volke und der Welt bleibt, kann uns im Achten auf den
Weg vom Propheten wort zum Prophetenbuch in all den verschiedenen
Strecken dieses Weges erkennbar werden. Die Buch-
werdung des Gotteswortes versetzt die lebendige Anrede des lebendigen
Herrn nie in den Ruhestand. Dieses kann jäh in ein
neues Heute hinein zu reden beginnen. Gott begibt sich nie
in den Ruhestand.

* Vortrag, am 8. November 1978 gehalten im Rahmen der unter dem
Ge&amtthema „Prophetie. Historische und gegenwärtige Wirklichkeit"
stehenden Theologischen Tage der Sektion Theologie der Karl-Marx-Universität
zu Leipzig. Uber die vor allem von den Dreißiger- bis zu den
Fünfzigerjahren lebhaft geführte Diskussion über „Oral Tradition" orientiert
in kritsdicr Auseinandersetzung A. H. J. Gunneweg, Mündliche und
schriftliche Tradition der vorexilischen Prophetenbücher als Problem der
neueren Proplietenforschung, FRLANT 73, 1959.

I Man vergleiche etwa die Härte der Gericlitsankündigung in der Frühzeit
des Propheten, die durch Jes 6 markiert ist, mit der Mahnung zu
Ruhe und Vertrauen, die in der apodiktischen Zusage der Krise von 733:
„Das soll nicht geschehen noch Zustandekommen" (7,7) verankert ist.
Audi die beiden Kindesnamen von 7,3 und 8,3 scheinen in verschiedenen
Situationen ganz gegensätzlich akzentuiert zu werden.

7 BK X/t 312 Anm. b zu 8,1.

3 S. Morenz, ..Eilebeute", ThLZ 74, 1949 Sp. 697-699 (= Religion und
Geschichte des alten Ägypten. Gesammelte Aufsätze, hrsg. v. E. Blumenthal
und S. Ilerrmann, 1975, 395—400).

* Gedacht ist an die ersten Lallwortc „Papa, Mama".

6 Ma.i meint hier auf eine geradezu institutionalisierte Form der Befragung
Jahwes und der Kundmachung prophetischen Bescheides zu
stoßen, was dann rückwirkend auch für die Beurteilung der Stellung
Jetajai nicht ohne Auswirkung bleiben dürfte,

e Vgl. etwa 0. Kaiser, ATD 18, 1973, 234 zu 30,8.

7 Das Problem der Erweiterung der Tcilsaminlung über das zuvor besprochen
© „Schlußwort" 8,16 hinaus kann hier nicht angesprochen werden.

8 Die von KBL (danach etwa auch Wildbergcr) vorgeschlagene Ubersetzung
: „Ich muß schweigen" trifft kaum den Vollgehalt des Kntsetzens-
schreies des Propheten.

* Dieser in den Texten sichtbar werdende Gestaltwandel sdieint mir in
der ganzen Diskussion um die „oral tradition" nicht hinreichend zur
Geltung zu kommen.

"> S. Böhmer, Heimkehr und Bund. Studien zu .leremia 30—31, 1976.

II Zu diesem bei Ezechiel nicht nur an dieser Stelle begegnenden
Phänomen vgl. BK XIII, 78.

17 Etwa E. von Waldow, Anlaß und Hintergrund der Verkündigung des
Deuterojesaja, Diss. Bonn (ungedr.) 1955.

° Chr. Jeremias, Die Nachtgesichto des Sacharja, FRI.ANT 117, 1977.

« Vgl. etwa II. W. Wollt, BK XIV/2, 1969, 129-138: § 5 Die Entstehung
des Budies.

15 Hierher gehören auch die Worte des ungeiiaiinntcn Propheten bzw.
Gotlesmannes von lKön 20,13.28, die in dem bei Ezediiel besonders voll
zu belegenden Stil des ..Erweiswortes" (BK XIII, 55*—61*) gestaltet sind.

" Der Versuch von Rudolph, KAT XIII/2, 1971, 120, nur 2,5bß als
naditrägliche Erweiterung anzusprechen, überzeugt nidit.

17 F. Horst, Die Doxologien im Amosbuch, ZAW 47, 1929, 45—54
(= Gottes Recht, ThB 12, 1961, 155-166).

■ 1. c. 135f.

19 W. EL Schmidt, Die deuteronomistisdie Redaktion des Amosbuches,
ZAW 77, 1965, 168-193. - U. Kellcrmann, Der AmossdiluB als Stimme
deuteronomistischer Heilshoffnung, EvTh 29, 1969, 169-183.

*> In der Abfolge „Unheil für die Völker — Heil für Israel" kann dabei
an die eben erwähnte Struktur von Fremdvölkerworten der Vor-Sdirift-
prophetie angeknüpft werden.

71 S. Mowinckel, Zur Komposition des Buches Jeremia 1914.

77 HAT 12, 3. Aufl. 1968.

77 W. Thiel, Die deuteronomistisdie Redaktion von Jer. 1-25, WMANT
41, 1973.

M Zum Problem, ob Ez 18 von Ezechiel herzuleiten sei, vgl. W. Zim-
merli, Deutero-Ezechiel? ZAW 84, 1972, 501-516.
75 S. o. Anm. 6.
» 1. c. 2.

77 Paul D. Hanson, The Dawn of Apocalyptic 1975.

& W. Ziunnerli, Alttestamentlichc Prophetie und Apokalyptik auf dem
Wege zur „Rechtfertigung des Gottlosen", in: Rechtfertigung. FcsUdirift

für E. Käsemann, 1976, 575-592.

Allgemeines, Festschriften

Kogge, Joachim, u. Gottfried Schille (Hrsg.): Theologische Versuche
, IX. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (1977). 212 S. gr. 8°.
Kart. M 15,-. Ausland 19,-.

Der vorliegende Band hebt sich von seinen Vorgängern dadurch
ab, daß es erstmals zu thematischen Bündelungen kommt.
Dies ist zweifellos ein Gewinn. Gleich drei Beiträge beschäftigen
sich mit dem Thema „Gewissen". Hilfreich, weil sorgfältig differenzierend
, handelt P. Hilsberg „über die Anwendung und
Nichtanwendung des Wortes Gewissen im Neuen Testament"
(Untertitel, 145—160). Die erheblichen Unterschiede zwischen
dem neutestamentlichen, namentlich durch Paulus bestimmten
Sprachgebrauch und dem späteren kirchlichen Sprachgebrauch
treten scharf heraus, ohne daß H. einfach für eine Rückkehr
zum neutestamentlichen Wortgebrauch plädiert. Um so mehr
Beachtung verdient seine Klage, daß der Benutzer des Kitteischen
Wörterbuches zum NT im Stich gelassen wird, wenn er
im Bück auf gegenwärtige Relevanz nach der Entwicklung des
Sprachgebrauches in nachneutestamentlicher Zeit fragt. Souverän

und in der gebotenen Kürze eindrucksvoll steht daneben der
Beitrag von R. Schottlaender über den Begriff des Gewissens
„in philosophiehistorischer Sicht" (161—175). Der Leser
wird einen weiten Weg geführt: von Sokrates und Sophokles
über Cicero, Euripides, Demokrit, Epikur, Philon, Aristoteles,
Kant, Fichte, Schopenhauer, Hegel, Beuerbach, Nietzsche. Kreml
und Stoker bis zu Heidegger und seinem Opponenten Kuhn.
Behutsam gesetzte kritische Akzente zeigen, daß Sch. nicht ohne
persönlichen Standpunkt schreibt. R. Mau endlich spürt dem
Verständnis von conscientia in Luthers Themata de votis und
in seiner Schrift De votis monasticis iudicium von 1521 nach
(177—189). Luthers eigentümlicher Gewissensbegriff wird deutlich
: das Gewissen hat als Anwalt des Gesetzes eine primär verurteilende
Funktion, die aber durch das Evangelium insofern
verkehrt wird, als das Gewissen frei wird von den eigenen Werken
und allein auf Christi Werk vertraut. Christliche Gewissensfreiheit
(libertas conscientiae) meint den Ubergang vom schlechten
und ängstlichen Gewissen zum guten und fröhlichen Gewissen
. Schade, daß nicht ein weiterer Beilrag die heute verantwortbare
Rede vom Gewissen behandelt! Doch sei hier auf den
Beitrag von H. Schultze über „Das Gewissen als normgebundene