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Ausgabe:

1979

Spalte:

455-456

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Befreiende Theologie 1979

Rezensent:

Althausen, Johannes

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455

Theologische Literaturzeitung 104. Jalu'gang 1079 Nr. 0

466

Kesich, Vesolin: The spiritual heritage of the Serbian Church
(GOTR 21, 1070 S. 1-18).

Küry, Urs: Die Internationalen altkatholischen Theologentagungen
von 1050 bis 1071 (Schluß) (IKZ 08, 1978 S. 83-122).

Meis, Anneliese: Fe y cultura en el Vaticano II (TyV 19, 1978
S. 37-51).

Papademetriou, George C.: Judaism and Greek Orthodoxy in

historical perspective (GOTR 21, 1970 S. 93-113).
Parmentier, Martien: Bericht über den XXII. Internationalen

Altkatholikcnkongreß 2. bis 0. Mai 1978 in Nordwijkerhout

(Niederlande) (IKZ 08, 1978 S. 125-109).
Schmidt, Carlo: La fundaciön de la Universidad Catolica de Chile

(TyV 19, 1978 S. 111-128).
Spuler, Bertold: Die orthodoxen Kirchen: LXXVII (IKZ 08, 1978

S. 57-82).

Stylianopoulos, Theodore: Toward a theology of marriage in the
Orthodox church (GOTR 22, 1977 S. 249-284).

Systematische Theologie: Allgemeines

Rahner, Karl, Modehn, Christian, u. Hans Zwiefelhofer [Hrsg.]:
Befreiende Theologie. Der Beitrag Lateinaroerikas zur Theologie
der Gegenwart. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer
[1977]. 170 S. kl. 8° = Kohlhammcr Urban-Taschenbücher
T-Reihe, 027. Kart. DM 14,-.

Wer sich über die Theologie der Befreiung informieren will, hat
hier das Wichtigste beisammen. Das Bändchen informiert; aber
es kommentiert und interpretiert auch, zumindest insoweit, als es
der europäische Leser braucht, um die Theologie der Befreiung zu
verstehen.

Die Autoren sind Kenner. Von 11 sind allerdings nur 2 gebürtige
Lateinamerikaner, 2 weitere gebürtige Spanier, alle katholisch.
Sie verarbeiten die einschlägige Literatur sehr weiträumig, so daß
der aufmerksame Leser den Anmerkungen ein ziemlich umfangreiches
Literaturverzeichnis zum Thema Theologie der Befreiung
entnehmen kann. Das Bändchen ist keine zufällige Aufsatzsammlung
. Die Herausgeber haben die Thematik gut sortiert. Das Buch
wirkt abgerundet trotz gewisser Unterschiede in der Diktion oder
theologischen Dichte der Argumentationsweise, trotz unverkennbarer
Unterschiede nach Sprache und Herkunft der Autoren. Das
Inhaltsverzeichnis ist bereits ein Programm.

Die Theologie der Befreiung ist historisch einzuordnen (1. Aufsatz
). Ihr Ausgangspunkt ist eine bestimmte kontemplative Erfahrung
(30), nämlich der Ruf der Armen (2. Aufs.). Er wird analysiert
durch die „Dependenz"-Theorie. Im 3. Aufs, wird von hier
aus eine erste wichtige Kategorisierung der Theologie der Befreiung
eingeführt. Man spricht von „sozialpopulistischer", „marxistischer
" und „evangelisatorischer" Befreiungs-Theologie. Im Bemühen
, die hermeneutischen Voraussetzungen zu erfassen, wird im
folgenden 4. Aufs, die sakramentale Artikulation und die kritische
Artikulation der Theologie der Befreiung untersucht: „Volk Gottes
und selbst Hierarchie erfahren die geschichtliche Lage vielmehr in
einem intuitiven, weisheitlichen und umfassenden, jedoch noch
undifferenzierten Verstehensakt, der schon die Merkmale des
Glaubenshorizontes trägt." (48). Von hier aus ist eine Reflexion
gefordert, um ganzheitliche Befreiung des Menschen zu erreichen.
(59). Die biblische Begründung der Theologie der Befreiung (5.
Aufs.) schließt alle entscheidenden biblischen Aussagen ein. „Die
Dialektik von Theorie und Praxis und die Dialektik von Vergangenheit
, Gegenwart und Zukunft Verschließen sich nicht in sich
selbst, vielmehr werden sie angetrieben, gerichtet und gerufen zur
Transzendenz durch den, der durch sie der Geschichte sich schon
jetzt manifestiert und mitteilt, wenn auch noch nicht ohne menschliche
Doppeldeutigkeit, welche ihr eigentümlich ist. Diese Doppeldeutigkeit
gibt der Analogie und der Unterscheidung Raum!"
(87) so im 0. Aufs. Die ethische Seite untersucht der 7. Aufs. Er
summiert: „Die Utopie vom neuen Menschen will der Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen ein Ende bereiten." (103f.). Bei
der Behandlung des speziellen Problems der revolutionären Gewalt

(8. Aufs.) wird besonders auf die gewaltfreie Aktion der neuen
Basisgruppen abgehoben. Im Vergleich zwischen der Theologie
Lateinamerikas und Europas (9. Aufs.) werden entscheidende
Unterschiede deutlich: „Die befreiende Funktion der Erkenntnis
besteht im Grunde nicht darin zu erklären oder einer bestehenden
Wirklichkeit oder einem durch die Situation bedrohten Glauben
Sinn zu verleihen, sondern eine Wirklichkeit umzuformen, damit
sie endlich Bedeutung hat und auf diese Weise den verlorenen oder
bedrohten Sinn des Glaubens wiedergewinnt. In diesem noch sehr
allgemeinen Sinn ist der Einfluß von Marx für den Begriff von
theologischem Erkennen selbst offensichtlich." (128). Der escha-
tologische Vorbehalt wird in diesem Zusammenhang dialogisch
aufgenommen. Die abschließenden Überlegungen für ein Gespräch
mit der Theologie der Befreiung (10. Aufs.) sind recht kritisch und
geben dem Wunsch Ausdruck, die Theologie der Befreiung möge
„noch konsequenter lateinamerikanisch" (158) sein.

Obwohl die Herausgeber betonen, daß der Dialog durch das
Buch nicht eröffnet werden kann und soll, sind Ansätze kritischer
Auseinandersetzung nicht unterdrückt worden. Freilich überwiegt
die engagierte Zustimmung der Autoren. Das kann und darf
nicht anders sein. Bei aller Zurückhaltung deutet der Herausgeber
allerdings doch auch den Fragehorizont des zu erwartenden Dialogs
an, wenn er im Blick auf die Theologie der Befreiung und die
ihr zugrunde liegende Praxis lateinamerikanisch theologischen
Denkens fragt: „Ist das Ganze des christlichen Glaubens von da
aus erreichbar und wie?" (7f.) Im gleichen Sinne arbeiten die
meisten Autoren mit; besonders auffällig Juan Carlos Scannone
aus Buenos Aires. In seinem Beitrag „Das Theorie-Praxis-Verhältnis
in der Theologie der Befreiung" bemüht er sich, die Problematik
im Kräftefeld aristotelischer, platonischer und thomasischer
Kategorien zu bestimmen. Mit deutlich kritischem Akzent nennt
Göpfert in dem abschließenden bewußt zum Gespräch anregenden
Beitrag einige der europäischen Anfragen. Freilich möchte auch er
wie alle Autoren der Theologie der Befreiung in Europa Gehör verschaffen
und die selbstkritische Bereitschaft europäischer Theologen
zum Dialog wecken. Doch bleibt er einer typisch mitteleuropäischen
Fragestellung verhaftet. So wird man der Suche nach dem
Ganzen, von dem Rahner spricht, wohl doch noch nicht gerecht.
Wie kann man in Europa wünschen, man solle in Lateinamerika
konsequenter lateinamerikanisch sein? Vielleicht entzieht sich die
Theologie der Befreiung der in der Einführung genannten Fragestellung
, jedenfalls wenn man sie nur mit den Mitteln einer Sprache
europäischer Theologie beschreiben will. Man muß das vermuten;
aber eben deshalb nur , weil sie in diesem Bändchen so gut dargestellt
ist. So wird die kritische Anfrage an die Autoren zu der
stärksten Empfehlung für dieses Sammelbändchen.

Berlin Johannes Althnusen

Jüngel, Eberhard: Zur Freiheit eines Christennienschen. Eine
Erinnerung an Luthers Schrift. München: Kaiser 1078. 120 S.
8° = Kaiser Traktate, 30. Kart. DM 11,50.

Diese Veröffentlichung verbindet zweierlei miteinander: eine
Paraphrase der Lutherschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen
" und eine Antwort auf die „Frage nach Luthers Bedeutung
für die gegenwärtige Theologie" (Wiedergabe eines 1077 in
Lund gehaltenen Vortrages). Das Stichwort jener Lutherschrift
wird bei dieser Zusammenstellung die Antwort auf die genannte
Frage. Das bedeutet, daß man zu dieser Frage keinen Literaturbericht
o. ä. erwarten darf. Lutherbücher oder konkrete Bezugnahmen
auf Luther in der gegenwärtigen Theologie werden nicht
behandelt. Jüngel geht von Luther selbst aus - und von sich
selbst und seiner Beeinflussung durch Luther.

Was wird hierbei als wesentlich oder aufschlußreich genannt?
Dies: daß Luther einige zentrale Grundunterscheidungen eingeführt
hat oder geltend macht wie zwischen Gott und Mensch, Gesetz
und Evangelium oder „zwischen Person und Werk, zwischen
Glaube und Liebe . . ., zwischen Christperson und Weltperson,
zwischen Leben und Lehre usw." (22), innerer Mensch - äußerer
Mensch. Die theologische Kunst, recht zu unterscheiden, bestimme
das Denken und Reden Luthers durch und durch. „Nicht zuletzt