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1979

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

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Heilsaktion Gottes einzuleiten, zugrunde liegt und allein
diesen unerhörten Anspruch zu erklären vermag (91).

Auf diese Frage nach der Kontinuität in der Geschichte behandelt
H. Riedlinger die christologische Kontinuität
im Blick auf die Zukunft — „Jesus und die Zukunft" : „Denn
Jesus war in geschichtlich einmaliger Weise ein Mensch gegenwärtiger
Zukunft" (93). Dies mündet in die praktische
„Kernfrage" : „Können wir im Geist Gottes handelnd und
leidend die Zukunft Jesu mit hervorbringen?" (116). Was in
theologisch bisweilen fragwürdiger Weise von der Befreiungstheologie
vertreten wird, soll mit der Tradition des
Symbols von der Geburt des Sohnes Gottes aus der Kirche
aufgenommen werden: „Diese ewige Geburt Gottes durchwirkt
alle Zukunft, Herkunft und Ankunft" (117).

Walter Kasper führt „Neuansätze gegenwärtiger Chri-
stologie" vor, wie sie aufgrund von neueren exegetischen
und dogmengeschichtlichen Forschungen entworfen wurden.
Nach allem, was dazu in neuerer Zeit geschrieben und diskutiert
wurde, zumal in der formalisierenden Gegenüberstellung
einer Christologie von unten und von oben, bekommt
der Hinweis auf die Trinität als „die Grammatik der Selbstmitteilung
Gottes in der Geschichte" (149) große Bedeutung
um zu bedenken, wie die Erkenntnis Gottes in Jesus Christus
eben immer nur durch das gegenwärtige Wirken des Geistes
entsteht. Eine alte Einsicht, die jedoch für uns heute hinter
manchem Mißverständnis und Unverständnis erst wieder
zur Geltung zu bringen wäre.

B. Welte, „Jesus Christus und die Theologie", faßt frühere
Überlegungen zu den christologischen Begriffen und
Entscheidungen des 4. Jh. zusammen. Er möchte dabei zeigen
, wie eine spekulative Loslösung von Einzelfragen oft zu
einer Auflösung des Christusgeschehens in seiner Einheit
geführt hat. Als Beispiel verweist er auf die konkurrierende
Entwicklung des Weihnachtsfestkreises unter dem Einfluß
der alexandrinischen Theologie im 4. Jh. gegenüber der ursprünglich
zentralen Stellung des Osterfestes. Eine ähnliche
Konkurrenz sieht er im Auseinandertreten von Christologie
und Gnadenlehre (Soteriologie) im Mittelalter. Um die spekulative
Verselbständigung mit dem Personsein Jesu
Christi wieder zusammenzubringen, stellt Welte die Frage:
„Wie wäre es nämlich, wenn wir statt der Kategorie Oysia-
Substantia die Kategorie Ereignis führend sein ließen
im theologischen Denken über Jesus? Ein Ereignis besteht
nicht, sondern es geschieht. Indem es geschieht, bildet es
Geschichte, und es ist selbst Geschichte. Als Kategorie für die
theoretische Bedeutung einer geschichtlichen Person hebt die
Kategorie Ereignis auf das bewegte Geschehen der Person
inmitten ihrer Umwelt ab und nicht auf das statische Bestehen
wie Oysia" (160). Damit hofft Welte, die Spannungen und
Gegensätze von Exegese und Dogmatik überwinden zu können
, worin sich jedoch ein anderes Anliegen für die Verwendung
des Begriffs Ereignis zeigt gegenüber den Motiven,
die im vierten Jahrhundert zur Verwendung des Begriffs
Ousia nötigten.

Gegen die Christologien von oben bzw. von unten plädiert
schließlich Eugen B i s e r für eine „Christologie von innen"
unter dem Thema „der Helfer und die Hilfe". Biser setzt sich
vor allem mit jenen Problemen auseinander, die durch die
Verwendung sog. wertfreier Methoden für die Vermittlung
von Glaubensinhalten sich ergeben. In dem spannungsvollen
Dualismus von Anthropologie und Theologie soll der Hinweis
auf die Einheit von Helfer und Hilfe die Verbindung
von Person und Werk in der Christologie unterstreichen,
und dies ganz auf der Linie, in der die Frage des Gesamtthemas
für diesen Band in der Zeitform der Gegenwart gestellt
worden ist: „Wer i s t Jesus Christus?"

Die ökumenischen Aspekte dieses christologischen Themas
werden nicht besonders behandelt. Doch nicht nur in den
Fußnoten, sondern durchgehend in den Problemstellungen
und Lösungsvorschlägen zeigt sich, daß dieses zentrale Thema
in der Sache der Christologie die konfessionellen Grenzen
überschneidet bzw. aufhebt.

Heidelberg • Reinhard Slenozka

Pihkala, Juha: Mysterium Christi. Kirche bei Hans Asmus-
sen seit 1945. Helsinki: 1978. 207 S., 1 Porträt 8° = Schriften
der Luther-Agricola-Gesellschaft A 17.

Systematische Theologie: Ethik

Theologische Berichte, hrsg. v. J. Pfammatter u. F. Furger.
IV: Fragen christlicher Ethik. Zürich—Einsiedeln—Köln:
Benziger [1974]. 245 S. 8°. DM 33,80.

In dieser Publikation sind zwei Beiträge als Forschungsberichte
über grundsätzliche Fragen der Moraltheologie konzipiert
, während zwei kleinere Beiträge Spezialproblemen
gewidmet sind. Franz Furger, Professor für Moraltheologie
an der Theologischen Fakultät Luzern, gibt eine Übersicht
„Zur Begründung eines christlichen Ethos — Forschungstendenzen
in der katholischen Moraltheologie" (11 bis
87). In den Jahren seit dem II. Vatikanischen Konzil hat sich
die katholische Moraltheologie vor allem darum bemüht,
weiter in der Lösung von einem weitgehend juristischen
Verständnis dieser Disziplin voranzukommen. Daraus ergibt
sich die Forderung „nach risikobereiter, personal-mündiger
Eigenverantwortung und zwingt zugleich zur Annahme
möglicher Pluralismen, während die juridistische Vereinzelung
in individuelle Einzelakte und -entscheide sich zur Prägung
einer sozial extrem interdependenten Weltsituation
gleichzeitig als unangemessen erweist." (23) Das neue moraltheologische
Prinzip der Verantwortung ist inhaltlich gefüllt
„im Gottesbezug wie in einer mitmenschlichen und selbstverwirklichenden
Bezogenheit" (26). Im Anschluß an F.
Böckle wird von einer ,,weltverantwortete[n] Offenheit
unter dem radikalen Anspruch Jesu zu umfassender Nächstenliebe
" gesprochen (29). Bisher ließ die individuelle
Beichtseelsorge als Sitz im Leben für die katholische Moraltheologie
sozialethische Probleme in den Hintergrund treten,
aber dies hat sich nach Meinung des Berichterstatters geändert
, ja es ist sogar verstanden worden, daß christliche
Liebe sich heute „in der aus dem christlichen Liebesimpuls
gewagten Mitgestaltung menschenwürdiger gerechter Sozialstrukturen
" vollziehen muß (38).

Ausführlich wird die Nalurrechtsdiskussion vorgeführt.
Als kritisch verantwortbare Neuansätze werden die Unterscheidung
zwischen einem primären (unbedingt und ausnahmslos
geltenden) und einem sekundären (in den einzelnen
Lebensbereichen angewandten) Naturrecht sowie die
Differenzierung zwischen konkreter Handlungsanweisung
und Handlungsdirektive im Sinne einer Zielvorstellung genannt
. An dem Fall des Moraltheologen S. Pfürtner weist
der Berichterstatter nach, wie Unterschiede in der Argumentationsweise
, die auf hermeneutischen Differenzen beruhen,
sich auswirken: „Dem Verstehens-Schema der Zielnorm mit
möglicher schrittweiser Annäherung steht so dasjenige einer
absoluten, deontologischen Norm mit möglichen Entschuldigungsgründen
gegenüber" (82).

Mit dem Erbe der katholischen Moraltheologie in Gestalt
der deontologischen Normen beschäftigt sich in eingehenderer
Weise der Beitrag des Bochumer Moraltheologen Bruno
Schüller „Neuere Beiträge zumThema,Begründung sittlicher
Normen'" (109—181).DieKritik an derTradition richtet
sich in erster Linie gegen die deontologischen Normen, d. h.
gegen normative Verbotssätze, die eine bestimmte Handlungsweise
unabhängig von ihren jeweiligen Folgen als
sittlich falsch bezeichnen. Solche Normen sind heute besonders
in der Sexualethik umstritten, und der Vf. zieht dazu
eine Reihe von Veröffentlichungen heran, die etwa Empfängnisverhütung
oder Ehescheidung nicht mehr derart absolut
verboten sehen wollen. Aber bereits in der Tradition
hat die Problematik deontologischer Normen zu bestimmten
Interpretationsversuchen geführt: der restriktiven Auslegung
, bei der mögliche schädliche Auswirkungen durch eine
einengende Definition vermieden werden sollen, die Unter-