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Ausgabe:

1979

Spalte:

370

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Die Erscheinungen der Jahre 1969 und 1970 1979

Rezensent:

Fischer, Joseph Anton

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Seite 1

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369

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

370

misch-universalen Aussagen ... durchweg traditionelle
Rudimente des stoischen Pantheismus und alt-
testamentlicher Schöpfungstheologie oder Elemente apokalyptischer
Weltbilder" darstellen, die Pls ausnahmslos „anthropologisch
-universal bzw. ekklesiologisch interpretiert"
(179). Dieselbe persuasive Kraft der Exegese eignet der Erörterung
des pln Zeitverständnisses, die durch eine glänzend
arrangierte Zusammenstellung der fraglichen Texte und
differenzierte Analysen der Begriffsverhältnisse ebenso besticht
wie durch Eigenständigkeit im Urteil und Konsequenz
der Darstellung. Daß sich das pln Zeitdenken nicht in eine
Zwei-Äonen-Schematik einpassen läßt (so schon U. Luz,
H. Conzelmann), sollte nun endlich für bare Münze genommen
werden. Vf. hätte allerdings stärker in Rechnung stellen
müssen, daß die eschatologische Zeit für Pls nicht von
dem Wort ablösbar ist, das sie ansagt (fehlende oder unzureichende
Berücksichtigung der Wortdimension macht sich
nachteilig auf den S. 110.169f.189.190f.193 bemerkbar). Ist die
Kategorie des kommenden Äons nicht gerade deshalb inadäquat
und bewußt unterdrückt, weil Pls die neue Zeit der
Freiheit des Glaubens als eine im Wort des Evangeliums
begründete, ja begründet bleibende zu verstehen geben
will? _ Die Interpretation von 2Kor 12,1 ff hätte gewonnen,
wenn Vf. die Möglichkeit einer parodistischen Verfremdung
(Persiflage) überkommener Himmelfahrtsschilderungen
durch Pls in Erwägung gezogen hätte (vgl. jetzt H. D. Betz,
Der Apostel Paulus und die sokratische Tradition, Tübingen
1972, 89ff; auch K. Adloff, Die Predigt als Plädoyer, Hamburg
1971, 56f. - Ein Nachtrag zu Rom 13,llff: Sollte es sich bei
v.llb um eine nachpln Glosse handeln?).

Weniger überzeugend ist m.E. das in den §§ 7 und 8 Gesagte
. Ich habe Zweifel, ob die benannten apk klingenden
Textpartien tatsächlich als (sekundäre?) Motivbasis der Par-
änese fungieren. Für äußerst fragwürdig halte ich die Par-
allelisierung von Credo und Prophetenspruch in lThess
4,13ff (98), wobei schon an dieser Stelle die Einbeziehung
von 5,1 ff unerläßlich gewesen wäre, wenn das Gefälle der
Pln Aussagen nicht von vornherein aus dem Blick geraten
soll (mit einer verbalen Beschwörung des literarischen Zusammenhangs
ist es nicht getan!). Vf. gelangt auch deshalb
zu einer Fehleinschätzung der Ausgangslage, weil er die
exegetischen Probleme von lThess 4,13 nicht zur Kenntnis
n'mmt. Insgesamt sind die Textanalysen der §§ 7 und 8 zu
stark von doxographischen Interessen diktiert. So zeigt sich
eine Vernachlässigung der jeweiligen Textbewegung an der
additiven Zusammenstellung leitender Interpretationsgesichtspunkte
. Was Chr. Demke als verfehltes exegetisches
Verfahren diskreditiert, praktiziert Vf. in diesem Teil der
Arbeit, ohne es zu wollen: Er zerlegt die Aussagen des Pls
..in Vorstellungs-, Themen- oder Gedankenkomplexe ..., um
diese dann nachträglich durch systematische oder historische
Konstruktionen miteinander ins Benehmen zu setzen" (EvTh
29,1969. 602: leider wird dieser Beitrag zu 2Kor 5,lff, obwohl
zitiert, faktisch übergangen; dasselbe gilt für die prägnanten
Erwägungen von G. Schunack, aaO, 4ff, zu Phil l,19ff). Wider
besseres Wissen (vgl. § 12) operiert Vf. in § 7 mit den für Pls
abwegigen Kategorien eines linearen Zeitbewußtseins, wenn
er die finiga xvgiov als Zeitgrenze charakterisiert, „deren
heilvolle Überschreitung für die Glaubenden dank der Festigung
Gottes eine Gewißheit" sei (65; vgl. 70). Und schließlich
: Kann man wirklich von einer .Ergänzung' der futurischen
.Heilsdimension' „durch die christologische Neuorientierung
" reden (129)?

Wie Verf. selbst ahnt, ist die gesamte Untersuchung dadurch
belastet, daß sie (arbeitshypothetisch) „die — durchaus
spannungsvolle (?) — beschränkte (?) Synonymität (?) von
urchristlicher Apokalyptik und futurischer Eschatologie" (16)
zur hermeneutischen Basis der Interpretation erhebt. Mit
diesem Präjudiz wird nicht nur der unmittelbar zuvor ausgesprochene
Verzicht auf eine pauschale Charakteristik der
Apk rückgängig gemacht, sondern darüberhinaus eine fragwürdige
Wesensbestimmung dieser oder jener Provenienz
durch eine noch fragwürdigere Allerweltsdeflnition ersetzt.

Wie wenig diese Arbeitshypothese als bindender Maßstab
der Erörterung fungiert, zeigt sich daran, daß Vf. permanent
den selbst gesteckten Rahmen einer urchristlichen Apk
durchbricht und vergleichend auf Tendenzen und Motive der
spätisraelilischen Apk zurückgreift (selbst da, wo sich dies
auf Grund der gewählten Thematik verbieten sollte, vgl. §
3!), wie er sich andererseits mit Aussagen befaßt, die sich
keineswegs dem Korsett einer ,futurischen Eschatologie' einfügen
. Mangelnde Konsequenz ist auch insofern zu monieren
, als der Schlußteil überraschend den Stellenwert der
.Tradition' rehabilitiert, während in den Einzelanalysen immer
wieder das Interpretationsgefälle pointiert und die
Eigenart der pln Auslegung der Tradition herausgestellt
wurde (dabei wäre übrigens eine gründlichere Reflexion der
verwendeten Begriffe wie der die Arbeit als ,Cantus firmus'
durchziehenden Funktionskategorien ,Reduktion' und ,Apologie
' wünschenswert gewesen). Schließlich bleibt zu fragen,
ob die Annahme einer Beziehung zwischen Pls und den Hellenisten
(53) nicht voreilig ist, wenn die pln Belege eine derartige
Schlußfolgerung nicht unbedingt rechtfertigen, wie
Vf. selbst konzediert (49). Korrekturversehen: S. 25:
aväaraaiv; Zitatanfang Anm.-Ziffer 48?; S. 51: Apg 13,5;
S. 190 Anm. 51: hier; S. 206 Anm. 51: Satz? S. 221 unten:
(V. 29); mit der nichtssagenden Floskel der ,guten Gründe',
die zugunsten des einen oder anderen exegetischen Urteils
angeführt werden, sollte Vf. sparsamer umgehen

Die kritischen Anmerkungen können das Verdienst der
gelehrten Dissertation nicht schmälern. Sie wird in der Reihe
der Standardwerke der Paulusforschung einen ausgezeichneten
Platz einnehmen.

Marburg-Cappel Wolfgang Harnisch

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Schneemclcher, Wilhelm [Hrsg.] :Bibliographia Patristica.

Internationale patristische Bibliographie. XIV<XV:DieEr-
scheinungen der Jahre 1969 und 1970. Berlin—New York:
de Gruyter 1977. XL, 247 S. gr. 8°. Lw. DM 86,-.
Wie sein 1975 veröffentlichter Vorgänger (siehe ThLZ 101,
1976 Sp. 366f) erschien auch dieser Band als Doppelband, umfassend
die Publikationen von 1969 und 1970. 1978 folgte
Band XVI/XVII mit den Veröffentlichungen der Jahre 1971
und 1972 (Rezension folgt), doch bleibt der Abstand zwischen
Berichtsjahren und Erscheinungsjahr immer noch groß. Daß
sich der Herausgeber trotz erschwerter Bedingungen von
verschiedenen Seiten darin bestärkt sieht, an dieser Bibliographie
weiterzuarbeiten, verdient jedoch alles Lob.

Der Aufbau ist unverändert geblieben. Für fünf ausgeschiedene
Mitarbeiter sind gegenüber dem letzten Band
zwölf neue Namen notiert. Das Verzeichnis der Abkürzungen
umfaßt diesmal 32 Seiten gegenüber knapp 29 im vorigen
Band. Insgesamt sind für die beiden Jahre 2242 Titel
verzeichnet, dazu kommen die Hinweise auf 741 rezensierte
Schriften. Gelegentlich werden Veröffentlichungen zurückliegender
Jahre nachgetragen, z. B. Nr. 16.23.195. Nr. 128
nimmt schon eine Publikation von 1971 voraus.

Bei verschiedenen Stichproben wurde erfreuliche Vollständigkeit
der Berichterstattung festgestellt. Zu Ignatius
Antiochenus wären Hinweise auf die Nummern 87 und 1145
angebracht gewesen. In E. Molland, Opuscula patristica,
Oslo-Bergen-Tromsö 1970 (Nr. 87) findet sich S. 17-23 der
Aufsatz: The Heretics Combatted by Ignatius of Antioch.
Vermißt wird: Johanny. R., L'eucharistie selon Saint Ignace
d'Antioch, in: Parole et Pain 7 (Paris 1970) 230-247. Nachgetragen
sei auch zu den betreffenden Auetores die wertvolle
Arbeit: Frank, A., Studien zur Ekklesiologie des Hirten, II
Klemens, der Didache und der Ignatiusbriefe unter besonderer
Berücksichtigung der Idee einer präexistenten Kirche.
Diss., Masch.-Sehr., München 1970.

Augsburg Joseph A. Fischer