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Ausgabe:

1979

Spalte:

366-370

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Baumgarten, Jörg

Titel/Untertitel:

Paulus und die Apokalyptik 1979

Rezensent:

Harnisch, Wolfgang

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Theologische Lileraturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

3G6

zum Usus geworden. Seine Absurdität möchte ich an einem
beliebigen Beispiel des vorliegenden Buches illustrieren:

Die Behauptung, daß Mk in 11,11b durch eis Hierosolyma eis to
hieron ein ursprüngliches eis Bethanian ersetzt habe, wird dadurch
gestützt, daß „zum Inhalt dieses bei Markus redaktionellen ersten
Jerusalem-Tempelbesuches . . . Jesu periblepesthai (Vorzugswort 6
•nal, vgl. o/l, und das ist aus Markus übernommen, sonst nie im
Neuen Testament)" gemacht wird (173). Untersucht man nun die
Fundstellen von periblepesthai im synoptischen Vergleich, so stellt
sich folgendes heraus:

3,5: Mt läßt den ganzen Satz weg; Lk übernimmt das Wort.
3,34: Mt ändert verdeutlichend in „die Hand ausstrecken"; Lk läßt
den Satz weg.

5,32: Mt verkürzt den Markustext um V. 29-33; Lk führt eine wörtliche
Rede ein: „Jemand hat mich berührt, denn ich bemerkte,
wie eine Kraft von mir herausging."

9.8: Mt wie Lk verändern den Satz unter Einbringung theologischer
Motive.

10.23: Mt streicht V. 23a; Lk ändert präzisierend in idön de auton.
*141: Mt und Lk ändern, indem sie bereits zum Inhalt des ersten
Tempelbesuches Jesu die Tempelaustreibung machen.

An diesem Beispiel läßt sich deutlich erkennen, daß die
Textbefunde viel zu differenziert sind, um durch bloßes
Abzählen in den Griff gebracht zu werden. Darüber hinaus
sei aber noch einmal gesagt, daß sogenannte markinische
Häufigkeitsworte oder Vorzugsworte sich aus Zahlenrelationen
ergeben, die im günstigsten Falle dadurch Zustandekommen
, daß Mt und/oder Lk entweder keinen Anlaß haben,
das Wort über die Übernahmen von Mk hinaus zu verwenden
, oder aber einem anderen Wort als dem von Mk verwendeten
den Vorzug geben. Sie sagen also allenfalls etwas aus
über den Sprachgebrauch des Mt und Lk, aber nicht über den
des Mk. An den Sprachgebrauch des Mk und seine Vorzugswörter
kann man nur über eine sorgfältige Unterscheidung
des Vorkommens in Redaktion und Tradition herankommen
— eine Unterscheidung, welche von Schenk nicht
gemacht wird.

Der ursprüngliche Zusammenhang zwischen den Einzelstücken
, welche von Schenk einem der beiden postulierten
Traditionsstränge zugewiesen werden, wird von ihm von
vornherein vorausgesetzt, anstatt bewiesen zu werden. Mögliche
Alternativen sind von ihm nicht reflektiert (vgl. dazu
z. B. den letzten Absatz auf S. 142).

Demnach ist zu sagen, daß die „eingehende philologische
Begründung", auf die Schenk nach eigenem Urteil seine
Thesen stützt und die er bei allen seinen Vorgängern vermißt
, sich als unhaltbar erweist. Damit fallen aber auch die
Ergebnisse seiner Analyse hin. Daß die weitreichenden
Schlüsse, die Schenk daraus zieht, ohnehin in mehr als einer
Hinsicht fraglich sind, bedarf keiner Erläuterung. Das alles
schließt natürlich die Richtigkeit vieler Einzelbeobachtungen
nicht aus.

Braunschweig Eta Linnemann

Pesch, Rudolf, u. Reinhard Kratz: So liest man synoptisch.

Anleitung und Kommentar zum Studium der synoptischen
Evangelien. IV u. V: Gleichnisse und Bildreden. 1: Aus der
dreifachen Überlieferung. 2: Aus der zweifachen Überlieferung
. Frankfurt/M.: Knecht [1978]. 96 S. u. 77 S. gr. 8°
brosch. je DM 15,80.

Zwei weitere Faszikel dieser ThLZ 102, 1977 Sp. 585f
grundsätzlich gewürdigten Arbeitshilfe liegen nun zum Bereich
der Gleichnisse vor. Nachdem in den ersten Fortsetzungsbänden
über die Wundergeschichten auch nach dem
Selbstverständnis der Verfasser die Darstellung „Kontur
gewonnen" (IV, 5) hat (vgl. ThLZ 103, 1978 Sp. 503f), so ist
man auf die Fortsetzung gespannt. In beiden Heften ist eine
gleichlautende neunseitige Einführung der Interpretation
der Einzeltexte vorgeschaltet, so daß sie auch getrennt benutzt
werden können.

Hinsichtlich der Formbestimmung bleibt man bei der seit
Jülicher klassischen Vierteilung (Gleichnisse im engeren
Sinne, Parabeln, Beispielerzählungen, Allegorien), wenngleich
die traditions- und redaktionsgeschichtliche Betrachtungsweise
darüber hinaus tendiert. Doch ist dies nicht Gegenstand
dieser Arbeitsbücher, die mehr Ergebnisse vermitteln
als ihr Zustandekommen aufweisen. Immerhin wird
dem, der vielleicht fragt, was man auf dem reichlich gepflügten
Acker der Gleichnisauslegung denn noch neues lernen
kann, hier deutlich gemacht, wie stark die bisher gängige
Gleichnisliteratur mit der gewiß nicht gering zu achtenden,
aber zu einseitigen Frage nach den möglichen jesuanischen
Urformen (gelegentlich gepaart mit einem kerygmatischen
Positivismus, der sich traditionsgeschichtliche Analysen lieber
erspart) eine Verengung darstellt. Die je spezifische Gestalt
eines Gleichnisses in den einzelnen Evangelien und auf
den unterschiedlichen Überlieferungsebenen blieb meist unterbelichtet
. Die Zeit der eigentlichen traditionsgeschichtlichen
und redaktionsgeschichtlichen Gleichnisforschung ist
eben erst im Anbrechen, wofür etwa die Analysen der
„Knechtsgleichnisse" durch A. Weiser 1971, die der lukani-
schen Parusiegleichnisse durch G. Schneider 1975 oder der
Samaritaner-Beispielgeschichte durch G. Sellin (Lukas als
Gleichniserzähler, ZNW 65, 1974, 166-189 und 66, 1975, 19 bis
60) eben erst das Tor aufstoßen. Darum bleibt deutlich, daß
in diesem Bereich der Forschung — etwa im Unterschied
zu dem der Wundergeschichten — noch viel zu tun ist. Doch
haben nun auch diese beiden Bändchen in der methodischgrundsätzlichen
Vermittlung dieses Aspektes ihren besonderen
und wertvollen Ort im Gegenüber zur bislang üblichen
Gleichnisliteratur (das dem Genus nach vergleichbare
Gleichnisbuch von J. Mänek, ... und brachte Frucht, Berlin
1977, erscheint in dieser Hinsicht leider als anachronistisch).
Pesch-Kratz zeigen zumindest, daß und wie es anders geht:
Hier wird zusammenhängend thematisch und nicht wie bisher
meist nur punktuell sporadisch die Aussageintention
jeder Überlieferungsstufe abgehorcht. Der erste Teilband
geht elf Perikopen von Mk 3—4 und 12—13, ihren möglichen
Vorstufen wie späteren Bearbeitungen nach. Der zweite
Teilband nimmt sich sechs Stoffe der mt-lk Doppelüberlieferung
vor und will damit auch dem noch nicht Eingeweihten
Mut zur Rekonstruktionsarbeit an der Logienquelle
machen, wozu denn die Einführung besonders intensiv und
umsichtig anleitet.

Man wird den Ergebnissen im einzelnen im allgemeinen
zustimmen, selbst wenn man hier und da andere For-
schungsentscheidungen für richtig hält, was vor allem hinsichtlich
der vormarkinischen wie der Q-Rekonstruktionen
der Fall ist. Doch ist der Bereich der offenen Fragen nicht der
eigentliche Gegenstand dieser Faszikel, die ja von der Anlage
her den nicht geringen Bereich der bloßen Einfachbezeugung
bei Mt oder Lk (und damit z. B. alle Beispielgeschichten
) nicht umgreifen. So wird man weiterführende
Fragen eher für sich selbst und für die Kollegen gleicher
Forschungsbereiche stellen: Kann man begründet davon
sprechen, daß auch Beispielgeschichten allegorisiert wurden
(IV, 15)? Läßt sich erhärten, daß in der lukanischen Redaktion
eine Umkehrtendenz zur Entallegorisierung alle-
gorisierter Gleichnisstoffe zu erkennen ist (IV S. 16)? Daß
dieser Kommentar überhaupt zu Fragen dieser Art vordringen
läßt, zeigt seine Bedeutung, so daß man ihm nur wünschen
kann, daß er sein Ziel einer möglichst großen Verbreiterung
traditionsgeschichtlich aufgeklärter Gleichnislektüre
erreicht.

Berlin Wolfgang Schenk

Baumgarten, Jörg: Paulus und die Apokalyptik. Die Auslegung
apokalyptischer Uberlieferungen in den echten Paulusbriefen
. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des
Erziehungsvereins 1975. IX, 269 S. 8° = Wissenschaftliche
Monographien zum Alten u. Neuen Testament, 44. Lw.
DM 45,-.

Die Untersuchung, von E. Gräßer angeregt und 1973 als
Bochumer theol. Dissertation angenommen, erörtert das Problem
einer apokalyptischen (apk) Verwurzelung der pauli-
nischen (pln) Theologie. Vf. nimmt die Thesen J. Moltmanns