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1979

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Altes Testament

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

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lysen verwiesen und deren Ergebnis in das Schlußresümee
übernommen.

Der I. Abschnitt über Jer 26 (15-45) entspricht weitgehend
, d. h. im Haupttext gelegentlich, im Anmerkungsapparat
durchgehend erweitert, ansonsten nahezu wörtlich,
dem Aufsatz von F.-L. Hossfeld und L Meyer, Der Prophet
vor dem Tribunal. Neuer Auslegungsversuch von Jer 26,
ZAW86, 1974,30-50 (spez. 33-47 entspr. 17-41 des vorliegenden
Buches, vgl. auch die Kurzfassung in PgP, 85-90), der
durch eine neue Rahmung auf die weiterreichende Fragestellung
zugeschnitten wird.M. eruiert aus dem Kapitel eineapologetische
Erzählung von einem „Lehrzuchtverfahren", in
dem die Legitimität Jeremias gegen die Anklage der Priester
und Propheten nachgewiesen wird: 2aa.4a.6.7.8b.9-12.14-16.
Sie sei nach 587 entstanden und spiegele keine wirkliche,
sondern eine fingierte Situation wider, mittels derer Jeremia
als ein Prophet dargestellt werde, „dessen Echtheit im Sinne
deuteronomischer Forderungen amtlich festgestellt worden
sei" (38). Die Erzählung sei von der Hauptredaktion des Je-
i'emiabuches überarbeitet worden (1.2a/Sb.3.4b.5.8a.l3.17-24,
einzelne Worte in 7.8b.16), wobei sich der Schwerpunkt von
der Legitimation auf das Schicksal des verfolgten Propheten
verlagerte. Die Argumentation gegen die Historizität des
älteren Berichts überzeugt allerdings ebensowenig wie die
Abgrenzung der beiden Schichten. Nach der Terminologie
zu urteilen, können die Verse 17—24 schwerlich mit 2—5*.8a.13
auf eine Ebene gestellt werden.1

Der Ii. Abschnitt (47-65) analysiert Jer 14,10-16 (vgl. PgP,
70-72). Der größte Teil des Textes (11.12b-17aa) wird als
redaktioneller Einsatz in einen vorgegebenen Zusammenhang
(14,l-10.12a.l7aßb.l8) beurteilt, wobei V. 18 den Ansatzpunkt
für die Eintragung der Prophetenpolemik bildete.
Der Text bestreitet in grundsätzlicher Weise die Legitimität
der Propheten wegen ihres Versagens vor dem bevorstehenden
Gericht.

Jetzt erst, im III. Abschnitt (67-110) wendet sich der Vf.
den am ehesten Authentizität beanspruchenden Einzelworten
aus den Kapiteln 2-6 zu (vgl. PgP, 60-70). Während 2,8
und 2,26, die die Anklage auf die führenden Schichten zuspitzen
, der Redaktion zugerechnet werden,2 gelten 2,30; 4,9f;
5>12-14; 5,30f; 6,9-15 als authentisch. Die Sprüche beziehen
sich nicht durchweg auf falsche Propheten: 2,30 deutet den
Tod der Propheten als das Volk treffenden, strafenden Entzug
durch Jahwe, 4,9f zeigt den Verlust ihrer Illusionen, 5,12-14
(ein Fragment) schildert das Volk in Opposition gegen die
Propheten. Erst 5,30f enthält eine grundsätzliche Polemik
Jeremias gegen die Propheten als Baals- und Lügendiener,
Wobei wohl ein Fazit leidvoller Erfahrungen zugrundeliegt.
6,9—15 zielt am Schluß auf die Propheten, denen leichtfertiger
Umgang mit der Heilsverkündigung, Unfähigkeit zur
Reue und Vernachlässigung ihrer Pflicht zur Aufdeckung
der Schuld vorgeworfen wird.

Im IV. Abschnitt (112-140) behandelt der Vf. die Samm-
lung „Uber die Propheten" in 23,9-32 (vgl. PgP, 73-85) und
sondert darin authentisches Gut (9-12,16,21f,23f) von kompo-
sitionellen Einheiten (13-15,16-22 als Ganzes, 25-32), die
entweder von einem älteren „Kompositeur" der Sammlung
oder von der Redaktion oder von beiden gestaltet seien. Der
Text wendet sich an das Volk und bestreitet in argumentativer
Form die Legitimität der Propheten. Es könnte sich um
ein Pamphlet handeln, das als Flugblatt zirkulierte.

Die Zusammenfassung (141—148) bietet einen Überblick
über die unterschiedlichen Stellungnahmen Jeremias, der
die Propheten zunehmend als Hauptgegner seiner Botschaft
erlebte, die Kompositionsarbeit seiner Freunde und Schüler
und schließlich die Aktualisierung durch die Redaktion nach
587, die nicht der Auseinandersetzung mit Falschpropheten
der Exilszeit diente, sondern der geschichtstheologischen
Begründung des Gerichts.

Es ist dem Vf. zu danken, daß er sein Thema unter redaktionskritischen
Gesichtspunkten angegangen ist. Dieser methodische
Ansatz scheint angesichts des disparaten Textmaterials
unabdinglich. Im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen
(ZAW 86, 1974, 30ff; PgP, 57ff) ist I. Meyer jetzt
gegenüber der Qualifikation der Redaktion als „deuterono-
mistisch" zurückhaltend (142); er spricht lieber von der
„Hauptredaktion". Hinsichtlich der Zuweisung der einzelnen
Texte wird man unterschiedlicher Meinung sein. Hier bringt
sich in voller Schwere ein immer wieder beklagtes Desiderat
zur Geltung: das Fehlen überzeugender Kriterien für
authentisch-jeremianische Texte. Auch wenn man wie der
Vf. mit einer Vielfalt von Argumenten arbeitet, bleibt fast
notwendig ein Ermessensspielraum offen.

Das Buch ist in Irischem, zupackendem Stil geschrieben und
scheut auch nicht ungewohnte Modernismen und drastische Ausdrücke
(ein Beispiel überscharfer Polemik: S. 53 A.5). Im Literaturverzeichnis
finden sich einige Irrtümer. Ich nenne nur: S. 150 Der
Kommentar von F. Glesebrecht erschien 1907 in 2. Auflage. S. 151 Zu
L. Köhler, Deuterojesaja, ergänze: (BZAW 37). S. 153 Der Titel des
Aufsatzes von K. von Rabenau lautet: Das prophetische Zukunftswort
im Buch Hesekiel, in: Studien zur Theologie . . . Man vermißt
hier auch den S. 134 A. 1 zitierten Titel: Resch, Der Traum im Heilsplan
Gottes. — Das Fehlen eines Abkürzungsverzeichnisses macht
gelegentlich Mühe: S. 150 bedeutet BB 9 zu F. L. Hossfeld/I. Meyer:
Biblische Beiträge 9 (nach IATG: Bibliographie de Belgiquel), S. 152
zu F. Nütseher (1934) kann BB wohl nur für die Reihe „Die
Heilige Schrift des Alten Testamentes. Hrsg. von F. Feldmann und
H. Herkenne" (RGG3: HSchAT, IATG: HSAT) stehen. - Störend berührt
auch hier die Unsitte, „Altes Testament", sogar in Titelzitaten,
mit „AT" abzukürzen. - Ein für seine Thematik besonders wichtiges
Buch vermochte der Vf. leider nicht mehr einzuarbeiten: G. Münderlein
, Kriterien wahrer und falscher Prophetie (Europäische Hochschulschriften
XXIII, 33), Bern-Frankfurt/M. 1974. Diesen Titel wird
man zum Vergleich mit den F.rgebnissen I. Meyers Immer heranziehen
müssen.

Berlin Winfried Thiel

1 Vgl. die wortstatistischen Exkurse in ZAW 86, 1974, 41f, 47f, die
im Buch auf eine Anmerkung (S. 42 A. 1) zusammengedrängt sind.
Sie betreffen fast ausschließlich die Verse 2-5.8.13.

' Bei 2,26 bleibt in der Schwebe, ob das Urteil für den ganzen Vers
gilt. Die Argumente treffen eigentlich nur für Versteil b zu. Bei 2,8
scheinen mir die Gründe für redaktionelle Gestaltung nicht zwingend
zu sein.

Beyerlin, Walter: Religionsgeschichtliches Textbuch zum
Alten Testament, hrsg. in Zusammenarb. m. H. Brunner.
H. Schmökel, C. Kühne, K.-H. Bernhardt u. E. Lipiriski.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt (Lizenzausgabe des Verlages
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen) [1978]. 303 S. m.
15 Abb., 4 Taf. gr. 8° = Grundrisse zum Alten Testament.
Das Alte Testament Deutsch. Ergänzungsreihe,
(s. Bespr. in ThLZ 102, 1977, Sp. 491f)

Rudolph, Wilhelm: Micha-Nahum-Habakuk-Zephanja. Mit
einer Zeittafel von A. Jepsen. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
(Lizenzausgabe des Gütersloher Verlagshauses, Gütersloh
) [1977]. 317 S., 1 Zeittaf. 13 S. gr. 8° = Kommentar
zum Alten Testament,
(s. Bespr. in ThLZ 103, 1978 Sp. 814f)

Judaica

Wewers, Gerd A.: Geheimnis und Geheimhaltung im rabbi-
nischen Judentum. Berlin-New York: de Gruyter 1975.
XIV, 394 S. 8° = Religionsgeschichtliche Versuche und
Vorarbeiten, XXXV. Lw. DM 68,-.

Das Interesse an den mystischen oder esoterischen Traditionen
des rabbinischen Judentums ist in der letzten Zeit
stark gewachsen, doch lag bisher eine gründliche moderne
Untersuchung zu diesem Themenkreis nicht vor.1 Mit entsprechenden
Erwartungen nimmt man das Buch von W.,
eine theologische Dissertation, in die Hand, dessen Titel
eben diese großangelegte zusammenfassende Darstellung
verspricht.

In einer kurzen „Vorbemerkung" (§1, IX—XIV) entwik-
kelt der Vf. sein Verständnis des Themas und die von ihm
angewandte Methode. Die Skepsis seiner Vorgänger hin-