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Ausgabe:

1979

Spalte:

349

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

12 - 25, Abraham 1979

Rezensent:

Seidel, Hans

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349

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

350

Altes Testament

ZimmerH, Walther: 1. Mose 12-25: Abraham. Zürich: Theologischer
Verlag [1976]. 150 S. 8° = Zürcher Bibelkommentare
. Kart. sfr. 18,-.

Nach der Auslegung der Urgeschichte läßt der Vf. in der
Reihe der Zürcher Bibelkommentare nun die Auslegung der
Abrahamgeschichten folgen. Obwohl zwischen beiden Kommentaren
33 Jahre lägen und der wissenschaftliche Fortschritt
der drei letzten Jahrzehnte nicht zu übersehen sei,
bleibe das Ziel der Auslegung das gleiche: „Durch das Menschenwort
hindurch, in dem auch das Erzählen von Abraham
auf uns gekommen ist, möchte das über allen Wandel der
Zeit und menschlicher Erkenntnis hinweg gültige Zeugnis
vom Handeln des Herrn aller Geschichte... zu Gehör gebracht
werden." (7) Damit wird die große Aufgabe und die
Schwierigkeit jedes Kommentars, der sich der verkündigenden
Auslegung verpflichtet weiß, umschrieben. Trotzdem
versteht es sich gerade bei den theologisch ertragreichen
Abrahamgeschichten nicht von selbst, daß sich der Ausleger
'm Blick auf den Laienleser wie der Vf. verpflichtet weiß,
-daß aller fundamentalistischen Vergesetzlichung des Bibelbuchstabens
... ebenso abgesagt sei wie der Auflösung des
biblischen Redens in bloße Existenzkunde, die von einem
■extra nos', dem echten Gegenüber des uns anredenden Gottes
, nicht mehr zu reden wagt". (7)

Trotz dieser in wissenschaftlicher und kerygmatischer
Hinsicht erfolgsträchtigen Ausgangsbasis ist der Vf. nicht
um seine Aufgabe, die Abrahamgeschichten für einen weiteren
Kreis interessierter Bibelleser zu schreiben, zu beneiden.
In den letzten 25 Jahren ist eine Fülle von Literatur erschienen
, die nicht nur den Textkomplex Gen 12—25 und einzelne
Texte daraus untersucht und neue Erkenntnisse erbringt,
sondern seit langem anerkannte Positionen der Pentateuch-
forschung tiefgreifend hinterfragt. Dazu gehören besonders
die Anfragen an die Quellenschriften J und E, ihre Datierung
, Abgrenzung und Differenzierung. Die Ergebnisse und
Thesen sind hier so breit gefächert, daß man sich fragen muß,
wie der Vf. eines Kommenlars das auf so begrenztem Raum
verarbeiten und vermitteln kann.

Die gegenwärtige Verunsicherung im Bereich der Quellenschriften
des Pentateuch findet kaum einen Niederschlag
im vorliegenden Kommentar. Der Vf. benutzt die übliche
Aufteilung in J, E und P und fragt darüber hinaus bei einigen
Texten (z. B. Gen 14 und 15), ob sie nicht eine „eigene
Entstehungsgeschichte haben". Diese literarkritisch eher
konservative Haltung bedeutet indessen keine Abstinenz in
der Nutzung neuer exegetischer u. a. Erkenntnisse. So wird
7- B. in die Auslegung von Gen 12,10—20 lQGenAp einbezo-
6en. In der Auslegung von Gen 14, die gegenüber der Kommentierung
G. von Rads in ATD 8 Seiten mehr umfaßt, wird
der Erkenntnisfortschritt schon quantitativ greifbar. Es gelingt
dem Vf. in der gebotenen Kürze und Allgemeinverständlichkeit
, zu jedem Text Wichtiges und Wesentliches zu
sagen. 94 Anmerkungen enthalten meist textkritische Bemerkungen
. Wie bei Gen 14, wo sich in den Anmerkungen
Hinweise auf neuere Literatur finden, hätte man sich vielleicht
auch an anderen Stellen mehr Literaturangaben gewünscht
, um dem interessierten Leser Impulse zur Weiterarbeit
und zur Prüfung des Gesagten zu geben.

Insgesamt bietet sich dem Leser ein sehr geschlossenes
und interessantes Bild der Abrahamgeschichten. Vielleicht
erscheint dem Vf. die gegenwärtige Verunsicherung alter
Positionen im Bereich der Pentateuchquellen noch zu jung
oder unberechtigt, um den Leser davon etwas spüren zu lassen
oder ihn darüber zu informieren. Je nach dem Stand-
Punkt wird man dieses geschlossene und vereinfachende Bild
als einen Vorteil oder Nachteil des Kommentars werten können
. Dem interessierten Bibelleser und auch dem Theologen
Wird man diesen Kommentar gern empfehlen.

LelPz'g Hans Seidel

Lys, Daniel: L'Ecclesiaste ou Que vaut la Vic? Traduction,
Introduction generale, Commentaire de 1/1 ä 4/3. Paris:
Letouzey et Ane: 1977. 433 S. gr. 8°. ffr. 140,-.
Seinem Buche schickt Vf. in französischer Übersetzung ein
Zitat aus dem Anfang der Imitatio Christi des Thomas von
Kempen, in welchem dieser Koh 1,2 aufgriff, voraus: Vani-
tas vanitatum et omnia vanitas: praeter amare Deum et illi
soli servire (1,1,3) und will dadurch die seiner Meinung nach
beherzigenswerte Relevanz des Predigers Salomo für christliches
Leben betonen. Der Leser findet zunächst eine Uber-
tragung des ganzen biblischen Buches (9—31). Daran schließen
sich Bemerkungen zur Übersetzung (33—43), gefolgt von
einer in mehrere Paragraphen unterteilten Einleitung (45 bis
81), und schließlich der Exegese zu 1,1-4,3 (83-420). Den
Beschluß bilden für das Verständnis der Ausführungen hilfreiche
bibliographische Informationen (421—429).

Es werden gründlich alle Fragen, die das kleine Literaturwerk
nach Text, Form, Herkunft und Gehalt aufgibt, behandelt
, ohne daß die Erläuterungen überladen sind. So vermied
Vf. auch ein Aufblähen durch bibliographische Angaben.
Vieles Nichtgenannte ist dennoch verarbeitet. Der ungewöhnliche
Umfang der Kommentierung von nur einem
knappen Drittel des gesamten Textes rührt zum guten Teile
auch daher, daß er der in ihm lebendigen Geistigkeit und
Glaubenshaltung gebührend Beachtung schenkt. Alle Probleme
sind wohl abgewogen. Vf. bedachte sie kritisch und
mit maßvollem Urteil.

Im einzelnen plädiert er für die Meinung, der Text des
Buches weise wechselndes Metrum auf. In Kap. 10 nimmt er
eine Textumstellung vor: V. 14a. 15a. 14b. 16a. 15b. 16b. Den
Schluß 12,9—14 beurteilt er als Zusatz, während das Buch
sonst integer scheint, begründet in der Einheitlichkeit der
Sprache und der Tatsache, daß man des Inhalts nicht mit
moderner Logik Herr werden und der heutige Leser nicht
Meister darüber sein kann, welche Bandbreite Kohelet in
seinen Äußerungen einnehmen durfte. Sie enthalten eher
eine Theologie der Gegensätze als Theologien im Gegensatz.
Ursprünglich sei die Schrift von einem anonymen Juden,
vielleicht dem Lehrer einer Weisheitsschule — möglicherweise
in Jerusalem — wohl zum Vortrag bei Festmahlzeiten
verfaßt worden. Historische Bezüge fehlen, weil Kohelet das
allgemein Menschliche, das immer Gültige behandelt. Den
heute weitgehend angenommenen Argumenten folgend,
glaubt Vf. das Buch spätestens im 3. Jh. v. Chr. entstanden,
wahrscheinlich aber auch nicht viel früher. Es hatte schon im
2. Jh. v. Chr. kanonische Gellung, wie die Entdeckung mehrerer
Abschriften unter den Qumranfunden beweist, gleichwohl
blieb es nicht unangefochten. Belangvoll ist vor diesem
Hintergrund die Frage, worin seine Kanonizität gründet.

Im ersten Paragraphen der „Introduction" stellt Vf. seinen
Ausführungen allgemeine Bemerkungen zur israelitisch
-jüdischen Weisheit sowie dem Platz Kohelets darin
voran und kommt zu dem Schluß, Kohelet habe die aus ererbtem
Glaubensgut gespeisten eigenen Erkenntnisse nach
Sprache, Begriffswelt und Denkstruktur in das Gewand seiner
Zeit gekleidet. Um dem gegenwärtigen Leser, der wieder
andere Vorbedingungen mitbringt, das Verständnis zu erschließen
, verwandte Vf. große Sorgfalt auf die Ubersetzung
und legt die Prinzipien, die ihn dabei leiteten, offen. Er
stützt sich in dieser Hinsicht vornehmlich auf J. Barr (The
Semantics of Biblical Language, 1961) und E. A. Nida (The
Theory and Practice of Translation, 1969). Ein Wort des
Textes sei nicht an allen Stellen seines Vorkommens mittels
des gleichen der anderen Sprache wiederzugeben. Da die
Wortbedeutungen in den verschiedenen Sprachen nicht dek-
kungsgleich sind, müsse die Wiedergabe je nach dem Gebrauch
im Kontext entschieden werden. Zur Verdeutlichung
dessen fügt Vf. seinen kurzen Ausführungen zwei Wortlisten
an. Bei einer Redefigur sei man oftmals genötigt, die entsprechende
Art des Ausdrucks zu suchen, ohne in eine Umschreibung
zu verfallen. Es sei auch zu vermeiden, durch heute
verständliche Worte einen anderen Sinn in den Text einzutragen
.