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Ausgabe:

1979

Spalte:

347-348

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Kaiser, Otto

Titel/Untertitel:

Tod und Leben 1979

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Seite 1

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347

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

348

(Warschau 1967) gehalten, die von theologischer Seite eine
scharfe Zurückweisung erfuhr.

Auf dem Gebiet der Qumranforschung begegneten sich
laizistisches und katholisch-theologisches Engagement. Dort
der auch bei uns bekannte W. Tyloch (vgl. Qumranprobleme,
Leipzig 1961, 341—352), hier die fast in jedem erschienenen
Bande des Kommentars zum Neuen Testament in Exkursen
und Einzelnachweisen besprochenen Parallelen aus den
Qumranschriften und eine Vielzahl von Aufsätzen und Studien
, über die P. Ludwik Stefaniak in einem eigenen Kapitel
berichtet (245—274). Daß er der Arbeit des im Westen lebenden
Jozef Tadeusz Milik eine eigene Würdigung und vollständige
Bibliographie 1945-1970 (261-274) widmet, unterstreicht
die Verbundenheit polnischer theologischer Wissenschaft
über staatliche Grenzen hinweg.

Die den Fortgang der theologischen Arbeit bestimmende
Kommunikation vollzog und vollzieht sich weitgehend (trotz
aller Sprachkenntnisse und Belesenheit der Forscher) im Bereich
der eigenen Sprache, zumal wenn ihr Raum mit einem
so intakten System wie dem polnischen Katholizismus zusammenfällt
. Wenn hier, anders als im deutschen und angelsächsischen
Bereich, der angemessene ökumenische Gesprächspartner
fehlt, bedeutet das einen fühlbaren Mangel.
Daß man mit Übersetzungen lange zurückhaltend war und
hier wiederum der französische Sprachraum Präferenzen
hat, mag mit historischen Gründen erklärt werden. Von den
deutschen katholischen Exegeten hatte vor allem Heinrich
Schürmann größere Resonanz, von den protestantischen findet
man in diesem Band nur Joachim Jeremias mit seiner
Schrift über die theologische Bedeutung der Funde von
Qumran (Stand 1970!) aufgeführt.

Theologische Arbeit in Polen erscheint nach diesem Bericht
als ein Kontinent für sich. Er ist in allem archaisch Anmutendem
und Eigenwüchsigem zu gewichtig, als daß wir es
uns leisten könnten, ihn zu ignorieren. Von der Öffnung zur
ökumenizität und Internationalität in beiden Richtungen
wird die Zukunft abhängen.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Kaiser, Otto, u. Eduard Lohse: Tod und Leben. Stuttgart-
Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer [1977]. 160 S. 8° =
Kohlhammer Taschenbücher 1001: Biblische Konfrontationen
. Kart. DM 10,-.

Das Bändchen behandelt in flüssiger und anschaulicher
Darstellung das, was die Bibel über den Tod und das Leben
aus dem Tode, d. h. die Auferstehung, zu sagen hat. Dabei
werden die Aussagen der Bibel in den Kontext ihrer Zeit
und Umwelt hineingestellt, ein der Sache angemessenes Verfahren
; denn nur so kann es gelingen, das Besondere der biblischen
Botschaft zu erfassen. Auch läßt sich ein volles Bild
etwa der israelitischen Vorstellungen vom Zustand nach dem
Tode nur auf diese Weise zeichnen, da das Alte Testament
hier nur Bruchstücke bietet.

Der Stoff ist in einen alttestamentlichen (7—80) und einen
neutestamentlichen Teil (81—142) gegliedert. Ersterer dürfte
von O. Kaiser verfaßt sein, letzterer von E. Lohse. Doch sind
beide Teile deutlich aufeinander bezogen, so daß man von
einer Gemeinschaftsarbeit beider Autoren sprechen kann.

Der alttestamentliche Teil setzt mit der Unsterblichkeitshoffnung
der Weisheit Salomos ein und fragt dann zurück
nach ihren Vorbedingungen. Abschnitt 2 „Der Tod als
Schicksal" befaßt sich vor allem mit der jahwistischen Paradiesgeschichte
, unter Heranziehung altorientalischen und
altgriechischen Vergleichsmaterials. Zutreffend wird betont,
daß der Mensch — trotz des Motivs des Lebensbaumes — als
sterbliches Wesen geschaffen worden ist. Abschnitt 3 behandelt
das schon mehrfach angeschnittene Thema „Die Zukunft
der Toten". Israel teilte die von Babylonien bis nach Griechenland
verbreitete Anschauung, daß die Verstorbenen in
der Unterwelt, deren Eingang jenseits des im Westen gelegenen
Meeres zu suchen ist, ein schattenhaftes Dasein fristen.
Die weithin geübte Totenspeisung diente dazu, die Totenseele
für die Reise dorthin zu verproviantieren. Die Herrschaft
Jahwes, der für den Israeliten der Gott der Lebenden
war, erstreckte sich nicht auf den Bereich der Unterwelt
(Abschnitt 4: Jahwe und die Toten). Von der Schilderung
der Bitterkeit des Todes aus — Abschnitt 5 —, die auf diesem
Hintergrund eine besondere Schärfe erhält, kommt die Darstellung
auf das Hiobproblem zu sprechen (Abschnitt 6):
Warum läßt Gott den Gerechten leiden? Das Aufbegehren
gegen den postulierten Tun-Ergehen-Zusammenhang wird
nicht nur am Buche Hiob aufgezeigt, sondern auch an Hes 18
und an Qohelet. Innerweltliche Lösungen, wie die durch Jesus
Sirach (11,22—28), daß die Todesstunde und die Art des
Sterbens den gerechten Ausgleich bringen werde, brachten
das Problem nicht zur Ruhe. Es erhoben sich Stimmen,
welche die Hoffnung aussprachen, daß die erfahrene Gottesbeziehung
über den Tod hinaus währen werde. Hierauf geht
Abschnitt 7 ein: Gottes Gerechtigkeit und Treue — Leben
aus den Toten. Er behandelt nicht nur Dan 12,1—3 und Jes
26,19, sondern auch die Psalmstellen 49,16 und 73,24, die von
einer Entrückung aus der Gewalt der Unterwelt sprechen.
Das Bild der sich ergebenden Zukunftshoffnung wird durch
Heranziehung von Hen 22 abgerundet. Ein knapper Epilog —
Abschnitt 8 — stellt sich der Frage der Abhängigkeit der jüdischen
Auferstehungshol'fnung von den Glaubensgedanken
der Umwelt. Dabei wird betont, daß Anstöße nur aufgenommen
werden, „wenn der Empfänger für sie reif und die angebotenen
Lösungen letztlich auf dem eigenen Wege liegen
" (80).

Der neutestamentliche Teil zeigt schon durch die Überschriften
seiner Teilabschnitte — 1. Die Macht des Todes;
2. Tod und Auferstehung Jesu Christi; 3. Der Sieg über den
Tod; 4. Das neue Leben in Christus — die von Grund auf
geänderte geistesgeschichtliche Lage an. Nicht mehr das Todesgeschick
ist das vorherrschende Thema, sondern seine
Überwindung und das neue durch Jesus Christus geschenkte
Leben.

Ein Blick auf die frühjüdischen Spekulationen über die
Verhängung des Todesgeschicks auf Grund der Gebotsübertretung
Adams (Weish 2,23f; 4 Esra 3,7.21f; syr Bar 17,3) bereitet
den Boden für die Behandlung der Adam-Christus-
Spekulation des Apostels Paulus (Rom 5), die dem durch
Adams Sünde ausgelösten Todesverhängnis das Angebot des
Lebens durch Jesus Christus gegenüberstellt. Abschnitt 1
schließt: „Im Sterben und Auferstehen Jesu Christi hat
sich ... ein Ereignis zugetragen, durch das ein von Grund auf
neues Verständnis von Tod und Leben erschlossen ist" (92).
Das wird dann in Abschnitt 2 breiter ausgelegt. Der 3. Abschnitt
geht von der jüdischen Auferstehungshoffnung und
den sie auslösenden Kräften aus und wendet sich dann der
christlichen Auferstehungshoffnung zu (1 Kor 15), die in der
Tatsache der Auferstehung Jesu Christi gründet: Von der
Auferstehung der Toten kann „sachgemäß nur im Zusammenhang
mit der Christuspredigt geredet werden" (126). Der
vierte Abschnitt nimmt nicht nur auf Paulus, sondern auch
auf das Johannes-Evangelium Bezug, das von der Gegenwärtigkeit
des Heils spricht. Wer an Jesus Christus glaubt,
der ist schon vom Tod zum Leben hinübergeschritten (129).
„Für den, der zu Christus gehört, hat der Tod den Charakter
des Endgültigen verloren" (134).

Obwohl in einer populärwissenschaftlichen Reihe erschienen
, trotz der Weite des Themas und der Enge des zur Verfügung
stehenden Raumes bietet das Bändchen wissenschaftlich
solid Erarbeitetes und gut Fundiertes. Die reichhaltigen
Anmerkungen (143—160) lassen dem mit dem Stoffe Vertrauten
die Breite der Vorarbeit deutlich werden. Zwei Versehen
in den Literaturangaben der Anmerkungen seien berichtigt
: In Anm. 67 muß es L. Wächter heißen und nicht
W. Wächter, in Anm. 70 H. Wohlstein und nicht H. Wohlen-
stein.

Berlin Ludwig Wächter