Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

337-344

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Aufschlüsse 1979

Rezensent:

Rathke, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

337

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 5

338

aus — auf eine neue Bestimmung der Existenz der beteiligten
menschlichen Gestalten (352-368). Diese Entdeckung der
„humanen" Dimension der Kultlegende läßt Funktion und
Wesen einer literarischen Gattung in einem völlig neuen
Licht erscheinen.

6. An letzter Stelle verweise ich auf die Konsequenzen der
Arbeit für eine in der heutigen Forschung fast allgemein
rezipierte Hypothese — diejenige von den „Vätergöttern"
der nomadischen Vorfahren Israels (A. Alt). Ob der „Gott
des Vaters" schon vor der Entstehung der Dreivätergenealogie
die typische Gottesbezeichnung der Väterclans war, ist
in Anbetracht der älteren Überlieferungsschichten äußerst
fraglich geworden (192 Anm. 333, zu Gen 33,20). Gegen Alts
Bild der „Väterreligion" spricht entscheidend, daß für nomadische
Gruppen wie die Jakobleute eine regelmäßige Trans-
humanz zwischen Wüste und Kulturland,also auch ein regelmäßiger
Besuch von Heiligtümern am Rand des Kulturlandes
anzunehmen ist. Demnach wird man auf Alts exklusiv
„außerpalästinische" Herleilung des Verheißungsthemas
entschlossen verzichten müssen (612f).

In seiner meisterhaft angelegten und durchgeführten Untersuchung
hat de Pury — einem breiten Konsens widersprechend
— nachgewiesen, daß die Landverheißung an Jakob
sowohl in der Bethelerzählung Gen 28 wie im Ganzen des
Jakobzyklus fest verwurzelt ist, und daß dieser Zyklus
lange vor der eigentlichen Landnahme entstanden sein
muß — im Clan der „Jakobsöhne", die rund um Bethel, ihrem
Heiligtum, schon seßhaft oder doch im Begriffe waren, es zu
werden. Auch dann, wenn es sich als notwendig erweisen
sollte, die zur Begründung vorgelegte Rekonstruktion und
Interpretation der hinter dem überlieferten Text liegenden
„Grunderzählungen" im einzelnen zu modifizieren, dürfte
sich an diesem Resultat kaum etwas ändern. — Gewundert
habe ich mich über das Fehlen einer eingehenden Diskussion

der Anspielungen auf „alte" Jakobtraditionen in Hos 12. -
Gegenüber der Behauptung, die Schafnomaden seien „immer
" bestrebt, den unseligen Rhythmus der Transhumanzen
zu verlassen, das nomadische Leben aufzugeben und Eigentümer
der 'adamah zu werden (593),habe ich gewisse Bedenken
: ist dies Bild des Nomadentums nicht viel zu schematisch
, und widerspricht es nicht dem Ereignischarakter der
Landverheißung, den de Pury selbst so eindruckvoll herausgestellt
hat? — Sorgfältige Prüfung verdient die schon von
H. W. Wolff vertretene These, wonach die Erfüllung der
Landverheißung nicht an die Spitze der vom Jahwisten aufgestellten
Hierarchie der Heilsgüter gehört (205). Sollte sich
dies als richtig erweisen, so wäre für die immer noch peinlich
offene Frage nach dem Schluß des J-Werkes ein neuer
Gesichtspunkt gewonnen.

Es bleibt zu hoffen, daß de Purys Buch zahlreiche und aufmerksame
Leser findet. Die Möglichkeit einer Übersetzung
ins Englische oder ins Deutsche sollte ernstlich erwogen werden
. Denn die jüngsten Publikationen zum Thema (vgl. nur
E. Otto, Jakob in Bethel. Ein Beitrag zur Geschichte der Jakobüberlieferung
, ZAW 88, 1976, 165-190; H. Seebass, Die
Land Verheißung an die Väter, EvTh 37, 1977, 210-229;
C. Houtman, What did Jacob see in his dream at Bethel?
Some remarks on Genesis XXVIII 10-22, VT 27,1977, 337 bis
351) verraten keine, oder nur sehr unzulängliche Kenntnis
der Arbeit; dasselbe gilt leider auch von H. H. Schmid, Der
sogenannte Jahwist. Beobachtungen und Fragen zur Penta-
teuchforschung, 1976, und R. Rendtorff, Das überlieferungsgeschichtliche
Problem des Pentateuch, BZAW 147, 1977 —
beide Arbeiten gehen bezeichnenderweise vom „sekundären
" Charakter der Väterverheißungen aus. An de Purys
Buch wird die Forschung — ganz besonders diejenige im
deutschen Sprachbereich — nur zu ihrem Schaden vorbeigehen
können.

Allgemeines, Festschriften

Aufschlüsse. Ein Glaubensbuch, im Auftrag des Bundes der
Evang. Kirchen in der DDR hrsg. von der Arbeitsgruppe
Glaubensbuch: E.-H. Amberg, H. J. Behm, K. Fritzsch,
J. Henkys, R.-M. Raatz, E. Schwerin, Ch. Tiebe, H. Zed-
dies. Berlin: Evang. Verlagsanstalt u. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn [1977] 2. Aufl. 1978. 464 S.,
32 Taf. 8° Lw. M 8,80.

Gespannt greift man zu diesem Glaubensbuch. Wird es in
der Vielzahl der zur Zeit erscheinenden Glaubensbücher sei-
nen besonderen Platz finden? Wird in diesem Buch zum
Ausdruck kommen, daß zehn Jahre kirchlicher Gemeinschaft
im Bund der Evang. Kirchen in der DDR für die acht Gliedkirchen
ein erkennbares gemeinsames Glaubensverständnis
gebracht haben? Wie wird in diesem Glaubensbuch die Situation
von Kirchen in einer sozialistischen Gesellschaft, die
sich immer bewußter als Diasporakirchen verstehen, zum
Ausdruck kommen? Vor allem aber: wie werden die Gemeinden
und der einzelne Christ damit umgehen können?

Ein Buch also, das sich großen Erwartungen gegenübersieht
. Ein Jahr nach Erscheinen des Buches läßt sich bei dieser
Besprechung schon ein wenig berücksichtigen, wieweit
das Buch vor Ort angekommen ist und bestimmte Erwartungen
erfüllt sind.

Glaubensbücher können sehr verschieden angelegt sein.
Sie wollen meditativ an den Glauben heranführen (Zink,
Erfahrung mit Gott), nach gemeinsam verantworteten Glaubensaussagen
für den ökumenischen Bereich suchen (Fei-
ner/Vischer, Neues Glaubensbuch), nahezu kompendienhaft
viele Fragen heutigen Glaubens nach vielen Seiten hin und
mit reichlich Material durcharbeiten (Evang. Erwachsenen-
Katechismus), das Christentum in seinem Bezug zur heutigen
Welt und Gesellschaft ergründen und bestimmen (Küng,

Christsein), jungen Menschen und ihren Begleitern anschauliche
Denkanstöße geben (Konfirmandenbuch des Bundes
: Ich möchte Leben haben) oder auch eine knappe, präzise
Summe des Glaubens persönlich verantworten (Hampe,
Warum ich glaube.).

Das Glaubensbuch „Aufschlüsse" wird von einer größeren
Arbeitsgruppe verantwortet (S. 453 nennt 30 Personen), der
von dem einzelnen bearbeitete Abschnitt wird nicht näher
bezeichnet. Von einem gemeinsamen Konzept her blieb Freiheit
zur Entfaltung der persönlichen Meinung des einzelnen
Verfassers. Trotzdem wird das Buch durch die Herausgeberschaft
: „Im Auftrag des Bundes..." auch kirchlich zu verantworten
sein. Kann sich Kirche anders verantworten als
durch präzis formulierte Bekenntnisse oder theologische Erklärungen
? Die „Aufschlüsse" stellen eine andere Möglichkeit
zur Diskussion. Hier gibt eine Gemeinschaft von Kirchen
, die sich als eine „heute für unsern Raum angemessene
Form des Kircheseins" und damit als „notwendige Ergänzung
des Kircheseins der Landeskirchen" versteht (Bundessynode
Züssow, Sept. 1976) Rechenschaft über das bei ihr geführte
theologische Gespräch. Fragen des Glaubens sollen
nicht sofort beantwortet, sondern einmal recht gehört werden
. Es soll Orientierungshilfe für unser Leben (11), Verste-
henshilfe für die Botschaft in unserer Zeit gegeben werden;
das Buch will neue Horizonte des Glaubens erschließen helfen
(8). Signale werden gegeben, in welcher Richtung die
Antwort liegt. An einen Fachausdruck aus dem Bergbau anknüpfend
(8,257,447) soll der weite Bereich des Glaubens
„aufgeschlossen" werden. Menschen sollen dort abgeholt
werden, wo sie sind (7). Das Glaubensbuch versteht sich als
eine Mischform von Lese- und Arbeitsbuch. Mir scheint eine
gelungene Beschreibung der Absicht dieses Buches mitten
im Text verborgen zu sein: „Mündiger Glaube ist ein Lebensversuch
(des einzelnen und der Gemeinde — der Rez.)
im entscheidenden Sinn, nicht nur ein Verhalten oder eine
Haltung. Das Evangelium ermuntert dazu, macht Mut dazu,