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Ausgabe:

1979

Spalte:

321-332

Autor/Hrsg.:

Gäbler, Ulrich

Titel/Untertitel:

Das Zustandekommen des Consensus Tigurinus im Jahre 1549 1979

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Theologische Literaturzeitung

Monatsschrift für das gesamte Gebiet der Theologie und Religionswissenschaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Herausgeber: Professor D. Ernst Sommerlath, D. D., Leipzig
33523 in Verbindung mit Professor Dr. habil. Ernst-Heinz Amberg ISSN 0040-5671

NUMMER 5

Spalte

°as Zustandekommen des Consensus
Tigurinus vom Jahre 1549. Von

U. Gäbler ....................................................... 321

Jakob in Bethel - ein neues Buch zur

Vätertradition. Von Ch. Barth............ 331

Aufschlüsse. Ein Glaubensbuch, hrsg.
von der Arbeltsgruppe Glaubensbuch
................................................................. 337

Baudler. G.: Wahrer Gott als wahrer

Mensch (H.-G. Fritzsche) .................... 380

Baumgarten, J.: Paulus und die Apo-

kalyptik (W. Harnisch) ........................ 366

Freydank, D.. s. Onasch. K.................... 374

Furger, F., s. Theologische Berichte .... 384
Genthe, H. J.: Mit den Augen der

Forschung (O. Merk) ............................ 359

Goetschi, R.: Der Mensch und seine

Schuld (E.-R. Kiesow) ........................ 386

Kaiser, o. u. E. Lohse: Tod und Le-

_ ben (L. Wächter) .................................... 347

Klinger. E. (Hrsg.): Christentum Innerhalb
und außerhalb der Kirche

(S. Hübner) .................................................... 388

Kratz, R.. s. Pesch, R................................. 365

Lohse, E.. s. Kaiser, 0............................. 347

104. JAHRGANG

Spalte

Lys, D.: L'Ecclesiaste ou Que vaut la
Vie? (W. Herrmann) ............................... 350

Meyer, I.: Jeremia und die falschen
Propheten (W. Thiel) ............................ 352

Milgrom, J.: Cult and Conscience
(P. Schäfer) ................................................ 351

Neumann, W. (Hrsg.): Sämtliche von
Johann Sebastian Bach vertonte
Texte (M. Petzoldt) ................................ 377

Onasch, K. (Hrsg.): Altrussische Heiligenleben
, übers, v. D. Freydank
(J. Bortnes) .................................................. 374

Osborn, E.: Ethical Patterns in Early
Christian Thought (G. Haufe) ............ 371

Pesch, R. u. R. Kratz: So liest man
synoptisch, IV u. V (W. Schenk) ... 365

Pfammatter, J.. s. Theologische Berichte
................................................................ 384

Pury, A. de: Promesse divine et legende
cultuelle dans le cycle de
Jacob (Ch. Barth) .................................... 331

Rosenkranz, G.: Die christliche Mission
(J. Althausen) ................................ 394

Sauer, J. (Hrsg.): Wer ist Jesus Christus
? (R. Slenczka) .................................... 382

Schenk, W.: Der Passionsbericht nach
Markus (E. Linnemann) ........................ 363

MAI 1979

Spalte

Schneemelcher, W. (Hrsg.): Bibliogra-
phia Patristica, X1V/XV (J. A. Fischer
) ............................................................ 370

Les sciences bibliques en Pologne
apres la Guerre (1945-1970). Redae-
tlon: M. Wolniewicz (W. Wiefel) _.. 341

Sucher. C. Bernd: Luthers Stellung zu
den Juden (K. Meier) ........................... 372

Theologische Berichte, hrsg. v. J.
Pfammatter u. F. Furger, IV (J.
Wiebering) ................................................... 361

Triebel. J.: Bekehrung als Ziel der
missionarischen Verkündigung (J.
Althausen) .................................................... 392

Wewers, G. A.: Geheimnis und Geheimhaltung
im rabbinischen Judentum
(P. Schäfer) ................................ 354

Wolniewicz, M., s. Les sciences bibliques
en Pologne ........................................ 344

Zimmerll, W.: 1. Mose 12-25: Abraham
(H. Seidel) ........................................ 349

Zeitschriftenschau:

Reformätus Szemle 1977 (P. Ziehe) 396

Studii Teologlce 1977 (P. ziehe) ........ 397

Berichte und Mitteilungen .................... 3M

Neue Bücher .................................................... 400

Das Zustandekommen des Consensus Tigurinus im Jahre 1549*

Von Ulrich Gäbler, Zürich

Aus einer Reihe fehlgeschlagener Einigungsbemühungen
des 16. Jh. ragt der erfolgreiche Abschluß des Consensus Tigurinus
hervor. Diese Übereinkunft fand deshalb in die Literatur
des 20. Jh. als „ökumenisches Abkommen" 1 ersten Ranges
Eingang. Die Art und Weise des Zustandekommens
bezeuge ein Verfahren, das in der modernen ökumenischen
Bewegung wiederentdeckt worden sei: Fortschreitende Beseitigung
der Gegensätze einerseits und Feststellung der
gemeinsamen Lehrpunkte andererseits.2 In seiner geschichtlichen
Wirkung sei der Consensus Tigurinus nicht zu überschätzen
, weil durch ihn die Einheit des reformierten Protestantismus
gerettet worden sei.3 In ökumenischer Gesinnung
wären die Kontrahenten eines größeren Zieles wegen
von ihren jeweiligen Positionen abgewichen und hätten sich
schließlich verständigt. Calvin habe deshalb ihm sonst wesentliche
Elemente seiner Abendmahlslehre verschwiegen
und Bullinger habe mit dem Consensus Tigurinus endgültig
auf die Zwinglische Position verzichtet.4 Dieses Bild verzerrt
die tatsächlichen Begebenheiten:

Die Ursachen für das Zustandekommen des Consensus
Tigurinus liegen nicht in der „ökumenischen" Haltung eines
Calvin oder Bullinger begründet. In der Geschichte seiner
Entstehung kreuzen sich vielmehr persönliche, theologische,
kirchenpolitische und politische Motive. Bei genauerem Zusehen
bietet sich uns der Consensus Tigurinus als das Ergebnis
verschiedener Faktoren dar. Dieses Beziehungsgeflecht
wollen wir im folgenden nachzeichnen.

I. Der Gegensatz zwischen Zwinglianismus und Calvinismus5

Die Wirksamkeit Huldrych Zwingiis geht der Reformation
in Genf zeitlich voraus Doch nicht nur das. Genf verdankt

die Sicherung reformatorischen Lebens dem militärischen
Einsatz des zwinglianischen Bern: Im Gefolge tumultuöser
Ereignisse in Genf verließ der katholische Bischof die Stadt
am 13. Juli 1533. Zur Wiederherstellung der bischöflichen
Herrschaft griff der katholische Herzog von Savoyen ein und
belagerte die Stadt. Bern eroberte jedoch das Genf vorgelagerte
Territorium der Waadt am Genfer See und entsetzte
die Stadt im Februar 1536. Die Berner Herren drückten in
Genf die Reformation durch, doch beließen sie der Stadt in
einem zweiseitigen Vertrag ein hohes Maß an politischer
Freiheit. Im Sommer desselben Jahres 1536 begann Calvin
seine Tätigkeit, hinfort sollte er die Geschicke der Stadt
prägen. Der Franzose hatte seine Lebensaufgabe gefunden.
Wollte man pointiert formulieren, ließe sich sagen: Den
äußeren Bestand der Reformation in Genf sicherte Bern, den
inneren Johannes Calvin. Allerdings bestand zwischen diesen
beiden Akteuren ein grundlegender Auffassungsunterschied
über das Verhältnis von staatlicher und kirchlicher
Gewalt. Der Gegensatz zwischen bernischem Staatski rchen-
tum und Calvins Bemühen, die Kirche aus staatlicher Bevormundung
herauszuführen, mußte zum Konflikt zwischen
Calvin und Bern führen. Die Unstimmigkeit besteht darin,
daß Bern im Gefolge Zwingiis alle kirchlichen Angelegenheiten
durch die weltliche Obrigkeit regeln lassen wollte.
Calvin hingegen begegnete der Zuständigkeit der Politiker
in religiösen Fragen mit Skepsis und wies vielmehr umgekehrt
der Kirche eine Leitungsaufgabe im Gemeinwesen zu.
Diese Anschauung wird üblicherweise als „Theokratie" gekennzeichnet
. Der Argwohn Calvins gegenüber staatlichen
Eingriffen hatte neben einer prinzipiell theologischen Begründung
handfeste persönliche Voraussetzungen. Calvin

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