Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

309-310

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Von Vorurteilen zum Verständnis 1979

Rezensent:

Wächter, Ludwig

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

309

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 4

310

eine Reihe Fragen: Besteht nicht - folgt man der Beschreibung des
eucharistischen Grundvorgangs durch den Vf. - die Gefahr, daß
das darbringende Handeln der Gemeinde zur Voraussetzung des
segnenden und heiligenden Handelns Gottes wird? Daß also die
Bereitschaft zur Selbsthingabo auf Seiten der Gemeinde die Hingabe
Christi an die Gemeinde - in den eucharistisohen Gestalten -
bedingt? Daß das „zeichenhafte Sich-Hineingeben der Gosamt-
gemeinde in das Opfer Christi" so erst die Gegenwart dieses Opfers
ermöglicht? Es bleibt die Frage, wie im Rahmen einer „inklusiven
Christologie", wie sie sich in dem vom Vf. beschriebenen eucharistischen
Grundvorgang ausspricht, dennoch die Exklusivität des
Werkes Christi ausgedruckt und dargestellt werden kann.

Leipzig Karl-Heinrich Bleritz

Hammersteiii, Franz von [Hrsg.]: Von Vorurteilen zum Verständnis.

Dokumente zum jüdisch-christlichen Dialog. Frankfurt/M.:
Lembeck 1976. 165 S. gr. 8°.

Die recht verschiedenartigen Beiträge dieses Bändchens werden
durch die klare und informative Einleitung von F. v. Hammerstein
«8 einen überschaubaren Zusammenhang hineingestellt. Sie ist
überschrieben „Vom Gegen- und Nebeneinander zum Miteinander"
und geht dem Neuüberdenken christlich-jüdischer Beziehungen
nach, das durch das Verbrechen an den Juden vor und in dem
Zweiten Weltkrieg ausgelöst wurde. Der Nouansatz dokumentierte
sich bei der ersten Vollversammlung des ÖRK 1948 in Amsterdam,
in der alle Kirchen aufgefordert wurden, den Antisemitismus als
rnit christlichem Bekenntnis und Leben unvereinbar zu verwerfen.
Nur langsam setzte sich diese Haltung in den Kirchen durch. Sollte
nicht alles in der Theorie stockonbleiben, so mußte es zur Zusammenarbeit
zwischen Christen und Juden kommen und zu einem
Gespräch zwischen beiden Gruppen, das den Stil der alten Judenmission
verlassen hatte. Den Durchbruch hierzu markiert das von
der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung 1967 in
Bristol/England verfaßte Dokument. Die bereits in Gang gekommenen
offiziellen Kontakte zwischen jüdischen Weltorganisationen
und dem ÖRK erhielten nun neuen Auftrieb, und es kam von 1968
ab zu häufigeren Konsultationen beider Gruppen. Es wurde dabei
recht bald angestrebt, auch Muslime mit einzubeziehen. Dieser in
die Zukunft weisende Gedanke bekam erst nach einigen Jahren
Gewicht, etwa in der Sektion III von Nairobi „Auf der Suche nach
Gemeinschaft" (1975). Es zeigte sich freilich hier und auch schon
zuvor, daß die Kirchen aus der „nordatlantischen Region" sich
mehr für die christlich-jüdische Zusammenarbeit interessieren,
während der Dialog zwischen den Religionen mehr Freunde in
Asien und dem Nahen Osten hat.

In der Frage nach der Bedeutung des Judentums für die Kirche
gibt es seit jeher unter Christen orhobliche Meinungsverschiedenheiten
, und sie sind besonders groß, wenn Vortreter westlicher und
östlicher Kirchen zusammenkommen. Teils sind die Divergenzen,
wie v. H. deutlich macht, durch verschiedene Traditionen der
Bibelexegese bedingt, teils politisch motiviert. Der ÖRK packte
das heiße Eisen an und vorschickte Anfang dor siebziger Jahre an
viele interessierte Gruppen in Afrika, Amerika, Asien und Europa
einen diesbezüglichen Fragebogen (abgedruckt auf S. 157). Das
Ergebnis der Befragung zeigte dann, wie tief die Gegensätze in den
Auffassungen tatsächlich sind. Als positiven Ansatz stellt v. H.
heraus, daß viele der christlichen Gruppon aus Ost und Wost einen
Dreierdialog zwischen Muslimen, Christen und Juden suchen. In
allen drei Religionen sind Gerechtigkeit und Liebe zentrale Werto,
und es stelle sich die Aufgabe, „mit Juden und Muslimen die theologischen
Probleme" zu bedenken, „die sich aus Verbrechen oder
Katastrophen wie der Judenvernichtung ergeben" (20).

Das Ergebnis der Befragung wurde 1974 in einer Konsultation
ausgewertet. Der vorliegende Band enthält ein Gesprach des Direktors
dor Programmeinheit „Glaubon und Kirchenverfassung"
im ÖRK, Dr. Lukas Vischer, mit einigen jüdischen und christlichen
Theologen in Jerusalem, das zur Vorbereitung dieser Konsultation
beigetragen hat (76-121: Bibelinterpretation und der Nahe
Osten). Die erste Gesprächsrunde, die um das Thema „Die Beziehungen
zwischen dem Alten und dem Neuen Testament" kreiste,
hatte auf jüdisoher Seite u. a. so bekannte Teilnehmer wie Scha-

lom bon Chorin, David Flusser und Pinchas Lapide, und dio Diskussion
hatte theologische Relevanz. Die zweite Gesprächsrunde
befaßte sich mit dem Thema der biblischen Landverheißung. Dor
Bezug zur aktuellen politischen Problematik war damit gegeben,
und es verdient hervorgehoben zu werden, daß ein jüdischer Diskus-
sionsteilnehmor (Uriel Tal) Machtstreben als Versuchung für Israel
nannte. Der dritte Gesprächskreis stellte sich dem Thema clor
Gereohtigkeit. L. Vischer stellte eingangs einige das Thema präzisierende
Fragen, u. a.: „Besteht möglicherweise ein Konflikt zwischen
der Verheißung für ein Volk (das jüdische Volk) und der
Gerechtigkeit für alle Menschen?" Zu der Diskussion waren auch
christlich-arabische Teilnehmer hinzugezogen worden. Das Gespräch
verlief vorwiegend in politischen Geleisen, und die Meinungen
gingen weit auseinander.

Eine zusammenhängende Gruppe von Aufsätzen geht der
Frage der Gemeinschaft nach. Es handelt sich hierbei um Arbeiten,
welche die Sektion III von Nairobi „Auf der Suche nach Gemeinschaft
" vorbereiten sollten. Von jüdischer Seite sind dio Beiträge
von Uriel Tal, Strukturen dor Gemeinschaft und Gemeinde im
Judentum (30-42), und Schemarjahu Talmon, Auf dem Wege zu
einer die Welt umspannenden Gemeinschaft (43-55). Es folgt die
zusammenfassende Würdigung von fünf Abhandlungen christlicher
Theologen - Aaron Tolen, Rudolf Weth, Krister Stendahl,
Robert Martin-Achard und Andre Duraas - zu diesem Thema
durch Ellen Flesseman-van Leer (56-69). Zum Schluß kommt Krister
Stendahl mit seinem voll ausgearbeiteten Referat noch einmal
zu Wort (70-75).

Für den Exegeten von Interesse ist der Aufsatz von W. L. Weiler,
Der Gebrauch jüdischer Kommentare für die christliche Predigt
(122-130), der nähere Beschäftigung mit der aramäischen Übersetzung
des Neuen Testaments, der Peschitta, die mit dem Targum
zu vergleichen sei, empfiehlt und darüber hinaus auf dio außerordentliche
Klarheit und Prägnanz von Raschis Schrifterklärungen
hinweist. Der Aufsatz von M. H.Narrowe, Regeln für den jüdischen
Gottesdienst (131-141). ist praktisch eine gedrängte Abhandlung
über das Gebet im Judentum. Spontaneität und gebundene
Form werden einander gegenübergestellt. Bischof George
Appleton - Juden und Christon: Möglichkeiten für gemeinsame
Gottesdienste (142-148) - berichtet von seinen Erfahrungen auf
diesem Gebiet, wobei freilich auch, ohne daß dies beabsichtigt ist,
die Problematik dieses Unterfangens, die durch die je verschiedene
Tradition und die Bindung an ein bestimmtes Bekenntnis gegeben
ist, deutlich wird.

Abgeschlossen wird das Bändchen durch den Abdruck des
„Memorandum über den Nahen Osten", das dem Generalsekretär
des ÖRK von der Konferenz für allgemeine christliche Verantwortung
im Nahen Osten im Oktober 1975 überreicht worden ist
(149-154) sowie durch einige informative Anhänge.

Für die Fülle der zusammengestellten Information ist F.v. Hammerstein
zu danken.

Ein Erratum auf S.24 sei angemerkt: Statt „Sie hat in der Geschichte
schreckliche Programme gegen Juden ausgelöst" muß es
wohl heißen: „Sie hat. . . schreckliche Pogrome ausgolöst".

Berlin Ludwig Wächter

Waidenfels, Hans: Absolutes Nichts. Zur Grundlegung des Dialogs
zwischen Buddhismus und Christentum. Mit einem Geleitwort
von K. Nishitani. Freiburg - Basel - Wien: Herder [1976J. I,
222 S. 8°. Kart. DM 45,-.

Japanische Philosophen dor Gogenwart, wie Keiji Nishitani,
dem dieses Buch gewidmet ist, bemühen sich um eine sachgemäße
Auseinandersetzung zwischen östlichen und westlichen Kulturen,
insbesondere um ein Vorstehen dos Christentums von japanischbuddhistischen
Voraussetzungen aus. Die Krise der Welt trete,
wie Nishitani in einem Geleitwort zu diesem Buche hervorhobt,
besonders in Japan deutlich zutagj, weil hier Shintö, Buddhismus,
Konfuzianisraus und Christentum, also alle religiösen Mächte der
Gegenwart, bedeutsamen Einfluß ausüben.

H. Waidenfels SJ bietet in diesem konntnis- und verständnisreichen
Buche eine differenzierte Auseinandersetzung mit der
Philosophie des 1900 geborenen Philosophen Nishitani, in dessen