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Ausgabe:

1979

Spalte:

307-309

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schulz, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Ökumenische Glaubenseinheit aus eucharistischer Überlieferung 1979

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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307

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 4

308

Gellard, Jacques: Pouvoirs et strategies dans l'administration d'un

diocese (RSR 65, 1977 S. 505-542).
Guerrand, Roger-Henri: Histoireet sociologie (RSR 65,1977 S.557

bis 566).

Haskamp, Reinhold: Reife und Macht (FS 59, 1977 S.239-252).

Herr, Theodor: Die moderne Stadt ein Alptraum? Stadtentwicklung
in der Krise (ThGl 67,1977 S. 332-347).

Lacrosse, J.-M.; Lienard, G.; Loicq.F. et Rousseau, A.: Le travail
aux marges (RSR 65,1977 S. 443-472).

Lavalette, Henri de: Reperes conflictuels. Du champ de la theolo-
gie ä celuide la sociologie (RSR 65,1977 S. 589-612).

Petri, Heinrich: Auf dem Weg zur „Stadt ohne Gott"? (ThGl 67,
1977 S. 258-276).

Rousseau, Andre: Religion, culture et rapports sociaux. Pour une
Position sociologique de la question de la religion populaire
(RSR 65,1977 S. 473-504).

ökumenik: Allgemeines

Schulz, Hans-Joachim: Ökumenische Glaubenseinheit aus euchari-
stischer Überlieferung. Paderborn: Verlag der Bonifacius-
Druckerei [1976]. 128 S. gr. 8° = Konfessionskundliehe und
kontroverstheologische Studien, hrsg. v. Johann-Adam-Möhler-
Institut, XXXIX. Lw. DM 19,80.

Ein für die ökumenische Diskussion um Amt und Herrenmahl
wichtiges Buch - und dies gewiß nicht nur deshalb, weil der katholische
Vf. die vom Rez. an anderer Stelle in dieser Zeitschrift vorgetragene
Kritik an den neuen Hochgebeten der römischen Liturgie
inhaltlich voll bestätigt (freilich ohne den betr. Beitrag zu erwähnen
; vgl. ThLZ 94, 1969 Sp. 241-252): 1. Die strukturelle
Scheidung von Wandlungs- und Kommunionepiklese sowie die betonte
Stellung der Wandlungsepiklese vor den Verba Testamenti
befestigt das Mißverständnis des Einsetzungsberichtes als isolierbarer
Konsekrationsformel und schreibt somit das spezifisch römische
, punktuell auf die Rezitation der Deuteworte ausgerichtete
Konsekrationsverständnis fest.

2. Die eindeutig postkonsekratorische Interpretation der auf den
Einsetzungsbericht folgenden Hochgebetsteile, insbesondere der
Darbringungsformeln (vgl. etwa Prex IV!), widerspricht dem liturgiegeschichtlich
aufweisbaren Eigen-Sinn dieser Texte (Darbringung
von Brot und Wein als Gaben der Gemeinde, nicht von Leib
und Blut Christi!) und erweist sich ebenfalls als ein struktureller
Eingriff im Interesse dogmatischer Vorgaben in einen in sich sinnvollen
liturgischen Vollzug.

Welcher Vorgang dem eucharistischen Geschehen eigentlich zugrunde
liegt, kann der Vf. überzeugend an der Eucharistia des
Hippolyt, an den Anaphoren der byzantinischen und alexandrini-
schen Liturgie und selbst noch am traditionellen römischen Kanon
nachweisen: Eucharistie - als das Geschehen, in dem Kirche „sieb
selbst und ihr Lebensgesetz darstellt und verwirklicht" (20) - beginnt
mit dem Bereitstellen und Herbeibringen von Brot und Wein
durch die Gemeinde (ein durchaus auch „diakonisch" motivierter
Vorgang; es geht ursprünglich um den „Beitrag von Brot und Wein
und sonstigen Spenden für die augenblickliche Sättigung und die
allgemeinen Bedürfnisse der Gemeinde", 22f.). Solchem „Darbringen
" (in dem sich der eigentliche Sinn des „offerimus" der
liturgischen Texte offenbart!) eignet jedoch von Anfang an ein
zeichenhafter Charakter: Indem sie in Brot und Wein ein Stück
eigener, von Gott geschenkter „geschöpf licher Lebenswirklichkeit"
(23) darbringt, tritt die Gemeinde ein in die Nachfolge Jesu, gibt
sie sich hinein in seine Selbsthingabe an Gott und die Menschen.
Die gleichen Gaben, in denen Christus sich selber schenken will,
werden zum Zeichen für die Bereitschaft der Gemeinde, sich in
jene Selbsthingabe dos Herrn hineinnehmen zu lassen (so daß sie
sich also buchstäblich „in die Gabe Christi... selbst hineingibt",
22). Solches „Darbringen" der Gemeinde (als „Tatvollzug" des
Gedächtnisses Christi) mündet ein in das eucharistische Hochgebet
(als der dem „Tatvollzug" entsprechende „Wortvollzug", der in
seinem Kern danksagendes Verkündigen des Werkes Christi ist, 44)
und vollendet sich in der Bitte um Heiligung der dargebrachten

Gaben: Brot und Wein werden vor Gott gebracht, damit dieser
selbst „durch seinen Heiligen Geist an diesen Gaben jetzt verwirklicht
, was Christus einst beim Abendmahl getan" (50). Zwei Phasen
lassen sich solchermaßen im eucharistischen Geschehen unterscheiden
: Eine Phase, in der die Gaben von Brot und Wein die
„Opfergesinnung der vor Gott hintretenden Gemeinde" bezeichnen
, und eine zweite Phase, in der die Gemeinde die dargebrachten
Gaben - die „nun als die »heiligen' bekundet werden, die ihrerseits
diejenigen heiligen, die von ihnen empfangen" - als Gaben des
Herrn, die die Gemeinschaft an seinem Leibe bewirken, empfängt
(82). Der Einsetzungsbericht erscheint in solchem Zusammenhang
nicht als Konsekrationsformel, sondern als „Teil der heilsgeschichtlichen
Danksagung" bzw. (im alexandrinischen Typ der Anaphora)
als „Motiv der Darbringung und Segensbitte" (83).

Daß der Vf. auf Grund solcher Analyse des eucharistischen
Grundvorgangs zu einer kritischen Haltung gegenüber der traditionellen
(und tridentinisch festgeschriebenen) römischen Konsekrations
- und Meßopferlehre kommen muß, ist deutlich. Differenzen
zum Zeugnis der liturgischen Überlieferung ergeben sich nach
Meinung des Vf. vor allem dadurch, daß in jener Lehre die Konsekration
als das „logisch Frühere" innerhalb des liturgischen Vorgangs
vorausgesetzt wird und somit die Nötigung besteht, von
einer Darbringung von Leib und Blut Christi durch die Kirche
(bzw. den Priester) zu reden (78ff.). Dies hat Folgen auch für das
Verständnis des kirchlichen Amtes: Dieses realisiert sich nun nicht
mehr im Vorsteher der gottesdienstlichen Versammlung, der in
„hirtenamtlicher Leitung" (91) die Gabendarbringung der Gemeinde
im eucharistischen Hochgebet aufnimmt, fortführt, deutet
und in der Segensbitte zu ihrem Ziel bringt, sondern in dem mit
einer besonderen Konsekrationsgewalt ausgestatteten Priester, der
„in persona Christi" die Wandlungsworte spricht und das Opfer
vollzieht. Eine Verkürzung der „ekklesialen Dimension der Euoha-
ristiefeier" wirft der Vf. in diesem Zusammenhang der Meßopferlehre
des Konzils von Trient vor (81), und er betont nachdrücklich
den Primat der genuinen liturgischen Überlieferung vor jenen
„außerhalb der Liturgie tradierten eucharistischen Dogmen", die
sich von der Liturgie emanzipiert haben, ohne einer „Überprüfung
am Maßstab ihrer eigentlichen Traditionsgrundlage" standhalten
zu können (71 f.).

Auf weitere Aspekte dieses Versuchs, eine vom Ansatz her
„eucharistische Ekklesiologie" (15) zu entwerfen (z. B. im Hinblick
auf die Strukturen des kirchlichen Amtes, 87ff.), kann im
Rahmen dieser Besprechung nicht eingegangen werden. Wichtig
bleibt jedoch ein Hinweis auf (und eine Anfrage an!) die Intentionen
, die diesem Versuch zugrundeliegen. Fortschritte auf dem
Wege zur Glaubenseinheit - so darf man die Aussagen des Vf. grob
bündeln - sind nur dann zu erwarten, wenn die getrennten Kirchen
durch dogmatische Sekundärtraditionen hindurchstoßen auf jene
ursprünglichen Vollzüge und Strukturen von Glaubensüberlieferung
, wie sie insbesondere in der eucharistischen Praxis der alten
Kirche ihren Niederschlag und ihre normierende Gestalt gefunden
haben. Nicht Übereinstimmung in der theologisch-systematischen
Lehre, sondern Ausrichtung an dieser Praxis ist die grundlegende
Voraussetzung für Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft. Nun ist
dieser Vorschlag - „sich auf der Basis der gemeinsamen Überlieferung
der konfessionell noch ungeteilten Christenheit zu treffen und
aus ihrem Erbe die Wiedervereinigung zu verwirklichen" (126) -
freilich alles andere als neu; die Kirchen- und Dogmengeschichtler
mögen entscheiden, ob es jene „ungeteilte Christenheit" je gab. Es
mag sein, daß ein solcher Vorschlag das Gespräch mit „ausgeprägt
frühkirchlich und patristisch orientierten Kirchen" (88) erleichtert;
für das Gespräch mit den reformatorischen Kirchen wird es jedoch
entscheidend darauf ankommen, inwieweit es gelingt, die Linien
altkirchlicher eucharistischer Überlieferung, wie sie der Vf. nachgezeichnet
hat, bis ins Neue Testament auszuziehen. Der Versuch
hierzu erscheint (wie der Vf. selber in den ersten, biblisch orientierten
Kapiteln seines Buches zeigt) nicht ganz aussichtslos;
IKor 11 etwa bindet in der Tat Feier des Herrenmahls und Vollzug
von Nachfolge (in der „Hingabe des Eigenen") ganz eng zusammen
; es ist ein und dasselbe Mahlgeschehen, in dem Christus sich
seiner Gemeinde schenkt und dieser Gemeinde Gelegenheit gegeben
wird, „das Gedächtnis des Herrn ... in der Gesinnung der
Nachfolge und Selbsthingabe (zu) realisieren" (23). Doch es bleiben