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Ausgabe:

1979

Spalte:

303-304

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Morgenthaler, Christoph

Titel/Untertitel:

Sozialisation und Religion 1979

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Seite 1

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303

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 4

304

„Wird über Jesu Sache im KGD nur geredet oder tut man auch
etwas in seinem Namen?" (48) - „Welches Verhältnis hat Ihre
Erwachsenengemeinde zum Kindergottesdienst?" (52)

Hier wird die hermeneutische und didaktische Aufgabe der Mitarbeiter
im Hinblick auf die Kindergruppe und ihre Situation
wesentlich erleichtert und Hilfe angeboten, fehlenden Situationsbezug
und mangelnde innere Berührung zum biblischen Problemfeld
zu vermeiden. So steigen die Chancen auf Zustimmung der
Gruppe und auf Realisierung des entfalteten Glaubensgutes durch
das Angebot vielfältiger Arbeitsformen. Neue didaktische Erkenntnisse
werden auf einem bisher noch wenig bearbeiteten Feld
kirchlicher Arbeit in ermutigender Weise angewendet.

Greifswald Günther Kehnscherper

Morgenthaler, Christoph: Sozialisation und Religion. Sozial wissenschaftliche
Materialien zur religionspädagogischen Thoorie-
bildung. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1976].
259 S., 8°. Kart. DM 58,-.

Die Abgrenzung allgemein-wissenschaftlicher Erkenntnisse von
religiösem Wissen ist für Religionspädagogen und christliche Erzieher
ein schwieriges Unterfangen. Doch ist eine Wissensvermittlung
in diesem Bereich heute ohne klare Unterscheidungsmerkmale
schwierig. Für die Konzeption evangelischer Unterweisung ist eine
Theorie religiöser Sozialisation deswegen ein erstrangiges Problem,
weil in weiten Kreisen christlicher Bevölkerung durchaus gewisse
Vorstellungen von Wesen und Gestalt religiösen Bewußtseins vorhanden
sind, es bisher aber kaum Kriterien gab, dieses Bewußtsein
zu präzisieren und zu hinterfragen.

Welche Schwierigkeiten nun aber auftauchen, die sehr unterschiedlichen
Sozialisationstheorien in verschiedene Gruppen als
Symboltypen einzuordnen, zeigt die vorliegende Untersuchung.

Das Anliegen der Arbeit, die 1975/76 von der evangelischtheologischen
Fakultät der Universität Bern als Dissertation angenommen
wurde, besteht in dem eindringlichen Fragen nach dem
möglichen Gegenstand der Religionspädagogik, konkretisiert am
Beispiel der aktuellen Sozialisationsforschung. Bedeutsam erscheint
das Buch als übersichtliche und verhältnismäßig erschöpfende
Materialsammlung zum augenblicklichen Diskussionsstand
in den Sozialwissenschaften, soweit Theorien und Ergebnisse für
einen religionssoziologischen und theologischen Ansatz wichtig
werden könnten. Pfarrer und Religionspädagogcn sind ohne Frage
heute noch sehr unterschiedlich, teilweise sogar mangelhaft über
den Stand der sozialisationstheoretischen Diskussion informiert.
Hier wird nun eine Materialhilfe angeboten, in der umfassend über
ältere und neuere Theorieansätzc und Forschungsrichtungen informiert
wird, in der aber leider in rein historischer Reihenfolge
Brauchbares und wissenschaftlich längst Überholtes kommentarlos
nebeneinander gestellt werden.

Teil I (23-214) der Untersuchung bringt die Darstellung sozialwissenschaftlicher
Theorien nach inhaltlichen und methodischen
Aspekten, wobei zunächst die Konstruktion einer Typologie von
Sozialisationstheorien vorgeführt und forschungsgeschichtlich begründet
wird (Kap. 1 und 2).

Die erste Gruppe bezeichnet der Vf. als „individualorientierte
Theorien" (Kap.3). Diesem Typus werden recht unterschiedliche
theoretische Richtungen zugeordnet, wie „klassischo Persönlichkeitstheorien
, wie sie die Tiefenpsychologie und medizinisch orientierte
Psychiatrie etwa entwickelt haben, aber auch entwieklungs-
psychologische, genetische und andere Theorien, die je nur Ausschnitte
der psychischen Wirklichkeit erfassen" (48).

In der zweiten Gruppe werden „gesellschaftsoriontierte Theorien
" (Kap. 4) zusammengestellt, in denen „es vor allem darum
geht zu zeigen, wie individuelle Strukturell und Eigenarten, Persönlichkeitszüge
und Motivationen in Abhängigkeit von gesellschaftlichen
Größen entstehen" (98). Hier hat der Vf. einen großen
Teil jener Untersuchungen eingeordnet, die als Sozialisationsforschung
im engeren Sinne gelten. Er hat versucht, die verschiedenartigsten
Untersuchungen zu schichten-, ethno-, kultur- und rollen-
spezifischen Sozialisationsvorgängen und deren Einfluß auf die
Entwicklung kognitiver, emotionaler und sprachlicher Fähigkeiten

des Menschen darzustellen und auf einen vergleichbaren Nenner zu
bringen. Besonders wichtig erscheint die Gruppe der Lerntheorien,
die die Lernmechanismen beschreiben, durch die das Individuum
sein Verhalten abhängig von der Gesellschaft aufbaut.

In der dritten Gruppe begegnen uns „intoraktionistische Theorien
" (Kap.5). Die hier vorgeführten Konzepte haben ihre eigentliche
Wurzel im Bereich der amerikanischen Sozialpsychologie,
nehmen aber auch Tendenzen auf, die M. Weber in der deutschen
Soziologie begründet hat.

Die vierte Gruppe beschäftigt sich mit den „historisch-materialistischen
Theorien" (Kap. 6), wobei den Erkenntnissen von Karl
Marx und ihrem Niederschlag in den gesellschaftswissenschaftlichen
Arbeiten auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus im
Bereich sozialistischer Staaten und Bewegungen besondore Aufmerksamkeit
gewidmet wird. Die Darstellung ist durch den vorgegebenen
Rahmen sehr knapp und der sehr unterschiedliche gesellschaftliche
Hintergrund der Theorien nur kurz angedeutet, so
daß erhebliche Unscharfen bei der Darstellung auftreten.

Teil II (215-247) „Integrierende Perspektiven einer Theorie der
Sozialisation und Religion" versucht nun Anhaltspunkte zur Aufbereitung
des vorgestellten Materials für die Religionspädagogik zu
bieten. Aber kann man überhaupt zu einem wissenschaftlich
brauchbaren Resultat kommen, wenn man unkritisch alle irgendwo
einmal gedruckten Theorien als gleichwertige Materialien
nebeneinander stellt? Das Anliegen des Vf. ist verständlich, nämlich
angesichts der kaum überschaubaren Vielfalt und Verworrenheit
soziologischer Theorien durch Typenbildung Vergleichsmöglichkeiten
zu schaffen, die in das Feld der Religionssoziologie eingebracht
werden können. Es scheint aber fraglich, ob eine Forschungsmethode
, die jeder Gesellschaftswissenschaftler ablehnen
wird, für die Religionssoziologie wissenschaftlich vertretbare Ergebnisse
zu bringen vermag. Aller Fleiß des Vf. bei der Matcrial-
sammlung und Sichtung kann seine bedenkliche methodische Ausgangsposition
nicht mehr korrigieren.

Positiv, weil von den aufgezeigten methodischen Mängeln unberührt
, erscheint der Abschnitt „Perspektiven einer Religionstheorie
" (225-237). Don hier dargestellten „Möglichkeitserfahrungen
" von Religion und den in diesem Zusammenhang erarbeiteten
Definitionstypen von Religion kann man nur wünschen, daß sie
sich angesichts der in der Rcligionssoziologio immer noch fehlenden
klaren Abgrenzungen und einheitlichen Begrill'lichkeit durchsetzen
. Das wäre auch für die Organisationsstruktur religions-
pädagogischcr Forschung ein Gewinn.

Grcifüwuld Günther Kchfisiherpcr

Religions- und Kirchensoziologie

Wallisch-Prinz, Bärbel: Religionssoziologie. Eine Einführung.
Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz: Kohlhammor [1977]. 120 S.
8° = Kohlhammor Urban-Taschenbücher, 258. Kart. DM 10,-.

Das vorliegende Werk bietet infolge seiner historisch breit angelegten
Darstellung und Entfaltung der gesellschaftlichen, kirchlich-
religiösen und ideengeschichtlichen Bedingungen, die zur Herausbildung
der Religionssoziologie als einer eigenständigen wissenschaftlichen
Disziplin führten, einen wertvollen Beitrag zum Verständnis
der gegenwärtig im Vordergrund stehenden Probleme roli-
gionssoziologischer Lehre und Forschung. Eine übersichtliche Gliederung
der stofflichen Fülle, die Konzentration auf wesentliche
Leitlinien religionssoziologischer Theorien und Systemo sowie die
verständliche sprachliche Formulierung machen das Lesen des
Buches auch für den Nichtfachmann zu einem Gewinn.

Die Autorin geht davon aus, daß zwischen Religion und Gesellschaft
vielfältige Wechselbeziehungen bestehon, die sich gegenseitig
durchdringen und beeinflussen. Die Wurzeln der Religionssoziologie
reichen bis zur jüdischen Prophetie und häretischen
Lehren und Bewegungen des christlichen Abendlandes - in beiden
Strömungen zeigt sich eine gemeinsame Protesthaltung gegenüber
den in enger Bindung stehenden etablierten kirchlichen und staatlichen
Herrschaftsformen, die Unwahrheit und Unrecht begünsti-