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Ausgabe:

1979

Spalte:

283-287

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Waldenfels, Hans

Titel/Untertitel:

Die Offenbarung 1979

Rezensent:

Andersen, Wilhelm

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283

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr.4

284

doch gelohnt hätte, diesen Dingen etwas Aufmerksamkeit zu
schenken.

Kiel Heinrich Kraft

Waldenfels, Hans, unter Mitarb. v. L. Scheffczyk: Die Offenbarung.

Von der Reformation bis zur Gegenwart. Freiburg - Basel -
Wien: Herder 1977. V, 208 S. gr. 8° = Handbuch der Dogmengeschichte
, hrsg. v. M.Schmaus, A.Grillmeier S.J., L.Scheffczyk
, I. Bd., Fasz. Ib.

Mit dieser bisher umfangreichsten Teilveröffentlichung liegt die
Offenbarungslehre des Handbuches der Dogmengeschichto abgeschlossen
vor. Der bisher in allen Einzelfragen angewandten Methodik
entsprechend, wird die Geschichte des Offenbarungsverständnisses
weiter verfolgt, so daß nun, ausgehend von einer Untersuchung
des Offenbarungsverständnisses im Alten Testament
und im Judentum und endend mit einer Darstellung der Behandlung
des Problems auf dem 2. Vatikanischen Konzil in 26 §§ eine
für die Fundamentaltheologie zentrale Thematik durchgezogen
worden ist.

Während an der Faszikel la fünf Autoren beteiligt waren, trägt
hier einer die Hauptverantwortung. Denn abgesehen vom Abschnitt
über die theologische Erneuerung im 19. Jahrhundert (S. 79
bis 99), stammen alle Beiträge von H. Waidenfels. Das dritte Kapitel
: Das Offenbarungsverständnis im 20. Jahrhundert, dem fast soviel
Raum gegeben wird, wie dem ersten und zweiten zusammen
(1. Die Lehre von der Offenbarung in der tridentinischen Ära und
2. Die Lehre von der Offenbarung in der Zeit der Aufklärung und
der theologischen Erneuerung des 19. Jahrhunderts), verdient aus
manohen Gründen besondere Beachtung.

Der offene Horizont, der zwar auch für andere Themen kennzeichnend
ist, hat sich in der Behandlung dieser Thematik von der
Sache her aufgedrängt. Die Fülle der angeführten Literatur ist beeindruckend
und fast bedrückend. Die katholischen Theologen finden
sich in ihren theologischen Bemühungen um die Offenbarung
in diesem Jahrhundert Seite an Seite mit evangelischen. Hüben
und drüben machen sich Einflüsse einer immer stärker beachteten
kritischen Exegese und neuerer philosophischer Entwicklungen
geltend. Es ist deshalb wohl kein Zufall, wenn H.Waldenfels in den
Vorbemerkungen zum 3. Kapitel das Votum eines ovangelischen
Theologen bringt. Für ihn selber stellt die Verabschiedung der
dogmatischen Konstitution ,,DeiVerbum" überdiegöttliche Offenbarung
auf dem 2. Vatikanischen Konzil einen gewissen Schlußpunkt
dar. In dieser Meinung fühlt er sich durch J.C.Hampe bestätigt
, der „ökumenisch betrachtet" dort den „entscheidenden
Punkt getroffen sieht" (vgl. S.109). H.Waldenfels denkt nicht an
eine dogmatische oder begriffliche Festlegung. „Auch nach diesem
maßgebenden Dokument des kirchlichen Lehramtes geht das Gespräch
um das Verständnis und um die Verwirklichung von Offenbarung
weiter. Recht verstanden, kann es bis zur Verwirklichung
des Eschatologischen nicht zum Abschluß kommen" (ebd.). In
einer Zeit, in der im evangelischen Bereich Bekenntnisjubiläen
gefeiert werden, sind solche Sätze beherzigenswert.

Auch wenn weder von einem sachlichen noch von einem methodischen
Bruch zwischen den beiden Teilbänden die Rede sein kann,
so haben die Ausmaße und der Tiefgang der theologischen Reflexion
doch noch zugenommen. Das ist sicher auch bedingt durch dio
Zeit, die zu berücksichtigen war. Um die Lehre von der Offenbarung
in der tridentinischen Ära sachgemäß darstellen zu können,
war es notwendig, zunächst das Anliegen der Reformation und ihro
Bedeutsamkeit für das Offenbarungsverständnis herauszustellen.
Das aus guter Sachkenntnis gespeiste Bemühen, zu einem der
„Gegenseite" gerechtwerdenden Urteil zu kommen, verdient Anerkennung
. Ferner war das vielschichtige Phänomen der Aufklärung
zu bewältigen und in dem 20. Jahrhundert, wo der „Absolut-
heitsanspruch des Christentums" im Anschluß an den Idealismus
zum Problem wird, wird die Offenbarung notwendig zu einem
„Selilüsselbegriff" (vgl. S.108).

Während der erste Teilband sofort mit einer Bogriffsuntersu-
chung einsetzt - dabei dann aber sehr schnell auf den dialogischen
Charakter des Offenbarungsgeschehens stößt -, stellt der zweite

Grundsatzüberlegungen über den Zirkelcharakter der Offenbarungs-
problematik an (S. 1 ff.). „Die Frage nach Wesen, Möglichkeit und
Tatsächlichkeit der Offonbarung ist eine im wesentlichen der Neuzeit
und ihrer kritischen Reflexion der Vernunft, ihrer Erkenntnismöglichkeiten
und -bereiche zugeordnete Problematik" (S. 1).

Aber schon diese Vorüberlegungen - und das ist wegen des liier
zur Auswirkung kommenden Zirkels verständlich und legitim -
sind vom Ergebnis des gesamten Arbeitsganges mitgeprägt. Der
Hinweis auf dio Dogmatische Konstitution „Dei Vcrbum" vom
19. November 1965, dio im letzten Paragraph ausführlich besprochen
wird, erinnert bereits am Anfang an Vorgogebenheiton, die
auch bei theologiegeschichtlichen Untersuchungen nicht außer Betracht
bleiben dürfen. Das Offenbarungsverständnis hat es mit
einem Geschehen zu tun, in dem Gott, der nicht der schlechthin
Offenbare ist, der uns jederzeit und überall in gleicher Zugänglichkeit
begegnet, „ sich in Freiheit dem Menschen zeigt und mitteilt"
(S.2). Das geschichtlich gewordene und in einer zeitgebundenen
und Veränderungen unterworfenen Begrifflichkeitsich darstellende
Offenbarungsverständnis darf und muß hintorfragt und in seinem
positiven oder negativen Verhältnis zur jeweils das Denken prägenden
Philosophie durchleuchtet werden. Aber das darf nicht zu
einer Orientierungslosigkeit oder gar zu einer prinzipiellen Infragestellung
der Offenbarung überhaupt führen.

Weil das Offenbarungsverständnis es mit der Offenbarung Gottes
zu tun hat, darum stellt es „eine Aussage zur Gottesfrago dar".
Gleiches Gewicht haben dio christologische Bezogonheit und damit
die geschichtliche Orientierung. Diese Selbstmitteilung Gottes geschieht
in geschichtlicher, damit dem Menschen und seiner Welt
angemessener Weise und findet ihren Höhepunkt in Jesus von
Nazaret. Vorweg zu bedenken ist nach Waldonfels schließlich
ebenfalls „die Struktur dieser Selbstmittoilung Gottes". Sie ist
geprägt durch ein Miteinander von Wort und Tat, so daß die Mitteilung
Gottes niemals allein theoretischer, sondern stets theoretisch
-praktischer Art ist, insofern als sich in der Erkenntnis des
sich offenbarenden Gottes stets zugleich Heil und Gericht, jedenfalls
oine den Gott erkonnonden Menschen verändernde Wirkung
mitteilt (S.2).

Deshalb kann von der Offenbarung Gottes nicht die Rede sein,
ohne daß zugleich vom Menschen bzw. von der Menschheit gesprochen
wird. Waldenfels beruft sich hier ausdrücklich auf R.Bult-
mann. Die Verantwortung dos Offonbarungsbogriffos führt notwendig
zur hermeneutischon Frage. Aber - und damit vorweist or
bereits auf den Gang der Untersuchung -i Hier ist dio Gefahr einer
Blickverengung zu erkennen. Sie wird s.E. dort akut, wo unter
dorn Einfluß des reformatorischen Ansatzes dio Frage nach der
Offonbarung mit der Frage nach der Heiligen Schrift und ihror
Inspiration zusammenfällt. Zu einer ähnlichen Verengung ist es
auch im katholischen Denken gekommen (S.4).

In einer bewegten -und von Abirrungen nicht freien- Geschichte
ist es zu einer Blickerweiterung und zu einer Reflexionsvertiefung
gekommen. Ziel des Buches ist es zu zeigen, wie das Offenbarungsverständnis
dabei emout in Bewegung geraten ist. Es würde den
Rahmen einer Buchbesprechung sprengen, wenn wir über alle Abschnitte
referieren wollten. Wir beschränken uns darauf, die herausgearbeiteten
Schwerpunkte und dio von daher zu erkennendon
Entwicklungslinien zu zeigen. Bereits im l.Kap. ist die ökumoni-
sche Offenheit erkennbar. Die tridentinische Ära ist zwar weit-
gohend durch die Reaktion auf die Reformation bestimmt. Damit
ist „einer gewissen Einseitigkeit Vorschub" (S.5) geleistet worden.
Auch wenn W. dor gelegentlich vertretenen Tliose (die in dieser
Oberflächlichkeit auch kontrovorstheologisch nicht hilfreich ist),
als ob die katholischen und reformatorischen Theologen soit der
Reformation bis heute in jedem Punkte aneinander vorbeigeredet
hätten (vgl. S.10), so nicht zugestimmt, so erwartet er doch von
einer gemeinsamen Rückbesinnung auf Luthers Offenbarungsverständnis
positive Anstößo für beido Seiten.

Bei Luther lag eine ..kurzschlüssige Identifizierung von Offenbarung
und Inspiration dor Heiligen Schrift, wie sie in dor durchschnittlichen
altprotostantischen Orthodoxie üblich wurde" (S.5)
noch nicht vor. Dio für ihn konstitutiven Gedanken betrafen das
Verhältnis von ,,Dous absconditus" und „Deus revelatus", von
Gesotz und Evangelium, Uffonbarung dos Zornes und der Gnade.
Die Radikalität des lutherischen Ansatzes hat sich aber nicht