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1979

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 4

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zieht 10 davon zum Textvergleich heran und wählt als Grundlage
der Kollationierungsarbeit die Bamberger Handschrift, mit der er
Handschriften aus München, Basel und Toulouse kollationiert und
auch die ältesten Druckausgaben heranzieht.

Noch ausführlicher beschreibt R. G. Warnock die volkssprachlichen
Manuskripte, wobei er feststellt, daß der Traktat „ohne
wesentliche Auslassungen oder Ergänzungen in nur vier Fassungen
überliefert (wird) - der Prager, Stuttgarter, niederdeutschen und
niederländischen" (43), daß die 35 untersuchten Handschriften
und eine Inkunabel 18 unabhängige neue Ubersetzungsleistungen
bilden (118), und daß bezüglich des Verhältnisses der volkssprachlichen
Fassungen zum lateinischen Text die lateinische Überlieferung
höchstens für das Kürzungsvorfahren bedeutsame Parallelen
aufweist. „Keine der nachgewiesenen lateinischen Kurzredaktionen
stimmt jedoch genau mit einer deutschen Fassung überein; und
einige deutsche Kurztexte zeigen deutlich, daß sie eine vollständige
lateinische Handschrift zur Vorlage gehabt haben" (119). Für die
Edition wählt Warnock die Prager Fassung einer Münchoner
Handschrift, die bei Unklarheiten durch die Prager Fassung der
Melker Handschrift verbessert wird.

Die in vorzüglicher Technik vorgelegte Edition bietet eine ausgezeichnete
Gelegenheit zum Vergleich der lateinischen und deutschen
Fassung. Darüber hinaus gibt sie einen guten Einblick in das
spätmittelalterliche Verständnis des geistlichen Lebens, das, wie
die breite Wertschätzung des Friemarschen Traktats zeigt, dem
Visionären und Mystischen besonders stark zugewandt war.

Es ist sachlich richtig, wenn die Autoren den Traktat in die große
Tradition der Werke „Uber die Unterscheidung der Geister" einreihen
, doch hätte man sich als Titel des Werkes auch die handschriftlich
überlieferte lateinische Formulierung „De quattuor in-
stinetibus" und/oder die von R. G. Warnock (38) verwendete deutsche
Formulierung „Von den vier Einsprüchen" denken können.

Den Autoren ist zu bestätigen, daß ihr Werk, gerade wegen der
durch die gemeinsame Arbeit erbrachten wissenschaftlichen Leistung
, für weite Kreise der Mediävistik ein wertvoller Beitrag ist.

Erfurt Wilhelm Ernst

Volk, Ernst: Utopie oder Evangelium. Gedanken zur 500.Wiederkehr
des Geburtstages von Thomas Morus. Oberursel: Ober-
urseler Hefte (1978). 47 S. 8° = Oberurseier Hefte. Studien und
Beiträge für Theologie und Gemeinde, 10. DM 4,80.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Greer, Rowan A.: The Captain of our Salvation. A Study in the
Patristic Exegesis of Hebrews. Tübingen: Mohr 1973. VIII,
371 S. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese.
15. Kart. DM 49,-; Lw. DM 58,-.

Das Buch will eine historische Ubersicht über die Väterexegeso
der christologisch wichtigen Stellen des Hebräerbriefes liefern. Die
Absicht des Vf. geht dahin, die Hebräerexegese der antiocheni-
schen Theologen im Zusammenhang ihrer eigenen Auslegungsgeschichte
und der ihres Gegenparts, der aloxandrinischen Hebräerexegese
gemeinsam darzustellen. Er wünscht, auf diesem Wege zu
zeigen, wie die Exegese von der ihr entsprochenden Theologie aus
gestaltet wird. - Für die Themenwahl sprach - außer der Zugänglichkeit
der Quellen und außer dem Umfang der hergehörigen Textabschnitte
- der Umstand, daß im Hebräerbrief Hoheits- und
Niedrigkeitsaussagen über Christus einander gegenübergestellt
sind; sie erlauben dadurch, das Anliegen der antiochenischen Theologie
deutlich hervortreten zu lassen.

Von den sieben Kapiteln befaßt sich das erste mit Origenes, der
im Hebräerbrief die Himmelsreise der Seele beschrieben fand.
Origenes ist nach der - später revidierten - Meinung des Vf. darum
als Ausgangspunkt geeignet, weil er als gemeinsame Quelle der
hernach divergierenden Entwicklung erscheinenkann. Seine Schriften
hätten ebenso einer unitiven wie einer divisiven Christologie
das Material liefern können. Richtig an dieser Meinung ist jedenfalls
, daß Origenes die Theologie aller griechischen Väter - auch

seiner Gegner - in solchem Maße beherrscht, daß sein Einfluß
allenthalben spürbar bleibt. Dennoch darf man Origenes auch nicht
hypothetisch zum gemeinsamen Stammvater der aloxandrinischen
und der antiochenischen Theologie machen. Dieser fehlerhafte Gedanke
hat ein berühmtes Vorbild in Harnacks Vorsuch, die trinita-
rischon Streitigkeiten als Konflikt zwischen einer origenistischen
„Rechten" und „Linken" darzustellen, ein Versuch, der von der
Entwicklung der Hegelschon Schule inspiriert gowesen sein dürfte.
Aber das war ein Fehler, und der wird nicht besser, wenn man ihn
vom arianischen Streit aus auf den christologischen Streit extrapoliert
. Weder der arianischen noch der antiochenischen Theologio
hat das Denken des Origenes als Vorbild gedient, sondern es setzt
sich allein in den Verzweigungen der alexandrinischon Theologie
fort. Hier gibt es freilich auseinanderstrebende Entwicklungen,
aber die betreffen weder Trinitätslohre noch Christologie, sondern
den Gegensatz materialistischer und spiritualistischer Erlösungsvorstellungen
, und haben ihre Ursacho in der Zwischenstcllung dos
Origenes zwischen Mittel- und Neupiatonismus mit ihrer verschiedenen
Beurteilung der Materie und ihrer Fälligkeit, das Göttlicho
zu fassen. - Der Vf. meint, die gegensätzliche Entwicklung sei bei
Origenes insofern angelegt gewesen, als sein Vorsuch, die Kirchon-
lehre in der Sprache des Mittelplatonismus auszudrücken, notwendig
Spannungen in seiner Christologie zur Folge gehabt habe. Umgekehrt
wäre es richtig gowesen. Origenes hat vielmehr versucht,
die Entfaltung dor immateriellen Gottheit mit den sprachlichen
Mitteln der Bibol und der Predigt auszudrücken und hat darüber
hinaus bei diesem Unternehmen auch dem Gemeindoglaubcn und
der Regula fidei Konzessionen gemacht. - Noch ein weiterer Fehlor
in dor Darstellung des Origones ist zu notieren. Dor Vf. meint,
dessen Christologie sei in erster Linie Offenbarungschristologie gewesen
. Für die Apologeten und Klemens stimmt das noch, aber für
Origenes sieht es allenfalls so aus, wenn wir uns auf seine erbaulichen
Auslegungen beschränken. Wirklich grundlegend für das
Denken des Origenes ist, daß seine Logosspokulationen nicht mehr
von dem Logos als Offenbarungsmittler, sondorn als Schöpfungsmittler
ausgehen, und daß darum in seiner Erlösungslohre dem
Offenbarungsgodanken ein zufälliger Platz neben andern Erlö-
sungsvorstellungon zukommt. Dor Logos hat daher hier nicht dio
zentrale Bedeutung, dio ihm bei den Apologeten und Klemens und
den andern dem Mittelplatonismus verpflichteten Offonbarungs-
theologen zukommt.

Der Vf. stellt schließlich zutreffend fest, daß boi Origenes das
metaphysische Problem der beiden Naturen nicht gelöst sei. Diese
Feststellung ist darum nicht banal, weil man aus der plerophori-
schen Ausdruekswoise des Origenes folgern könnte, er habo die vol lc
Menschheit des inkarnierton Logos vortreten. Aber was Origenos
so nennen kann, ist mit den antiochenischen Vorstellungen von dor
Vollständigkeit der Menschennatur unverträglich. Beide stimmen
zwar darin üborcin, daß sie dem Logos keine menschlichen Attribute
zuerkennen, aber dio Begründungen dafür sind unvoreinbar. -
Wenn der Vf. schl ießlich feststellt, daß die alexandrinische Christologie
sich durch die des Origenes anbahnt, so hat er damit alles
gesagt, was hier überhaupt gesagt werden kann.

Im 2. Kapitel sind Athanasius und dio Kappadokier zusammengefaßt
. Die Betrachtung dor Kappadokier wirft für das Gesamtthema
nichts ab. Der Vf. zeigt, daß ihre Hebräorexegoso oigene,
von Alexandrion und Antiochien unabhängige Traditionen verarbeitet
. - Seine Untersuchung der Christologio dos Athanasius ist
dadurch behindoit, daß er dio sogenannten Frühschrifton mit
den Arianerredon (und den Briefen an Serapion) gemeinsam behandelt
. Da dio Frühschriften keinon Hinweis auf den arianischen
Streit enthalten, müßte Athanasius sie - sollton sie wirklich von
ihm stammen - otwa in dem Alter geschrieben haben, in dem Theologiestudenten
ihre erste Proseminararbeit anfertigen. Das heißt,
daß sio als Zeugnisse aloxandrinischer Theologio wohl zu brauchen
sind, daß wir aber aus ihnon nichts über Athanasius erfahren,
gleich ob er sio verfaßt hat oder nicht. - Desgleichen leidet dio
Darstell ung daran, daß dor Vf. Athanasius als den großen Kämpfer
für das Homousios ansieht, und daß er dadurch den Blick für dio
wirklichen Streitgegenstände in dor ersten Phase dor Auseinandersetzung
verliert. - Da es aber in jedem Fall aloxandrinische Theologie
ist, die dor Vf. hier zusammenfaßt, kommt er zu aufs ganze
plausiblen Ergebnissen, die freilich immer dann besonders über-