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Ausgabe:

1979

Spalte:

276-278

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Wendelborn, Gert

Titel/Untertitel:

Franziskus von Assisi 1979

Rezensent:

Dachsel, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr.4

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Interesse, das eine einheitliche satanologische Konzeption verhindert
hat. Als das Verbindende sieht er „lediglich eine gewisse Ratlosigkeit
gegenüber Verhältnissen, die dem göttlichen Willen zuwiderzulaufen
scheinen", an (345). Das Fazit des Paulus-Unterabschnitts
(346-366) lautet: Der Satan hat für das theologische
Denken des Paulus „keine entscheidende Bedeutung" (358), zwischen
Satan und den kosmischen Mächten besteht „kein erkennbarer
Zusammenhang" (365) und „erst der Verfasser des Epheser-
briefes (versteht) die kosmischen Mächte als satanische Mächte,
gegen die der Glaubende kämpfen muß" (365f).

Angesichts der polemischen Titulierung der Juden als Teufelskinder
im 4. Evangelium und der Irrlehrer als Antichristen im 1 Joh
gibt L. mit Recht zu bedenken, daß „in einzelnen negativen Urteilen
über die Gegner Jesu und über die Gegner der Urchristenheit
nicht Gottes Wort, sondern menschliche Polemik und Feindseligkeit
begegnet" (371). Während Paulus und der Verfasser des Kol
den Gegnern mit theologischen Argumenten antworteten, greifen
Jud und 2Petr auf Teufelslegenden zurück mit dem Ziel der totalen
Verketzerung der Gegner. „Daß erst für ein solches Denken der
Teufel und gefallene Engel,kirchlich relevant' werden, dürfte kaum
Zufall sein" (383). Aufgrund dieser Entwicklung kommt L. zu dem
Ergebnis, daß dem Evangelium Jesu nichts fehlt, wenn man die
späteren satanologischen Aussagen des NT übergeht; denn „der
Teufelsglaube (ist) ein Anachronismus, und zwar nicht nur für den
.aufgeklärten' Bürger des 20. Jahrhunderts, sondern gerade auoh
für den Christen" (388).

Der hauptsächlich von K. Elliger geschriebene 4. Hauptteil befaßt
sich mit den Auswirkungen des Teufelsglaubens: mit Besessenheit
, Hexen, Teufel und Juden sowie Satanismus (389-501) und
bringt eine Fülle interessanter, aber höchst abschreckender Fakten
aus der Geschichte der Kirche. Dabei wird herausgearbeitet, „in
welch erheblichem Ausmaß Besessenheit im christlichen Bereich
eine Frage der Deutung und des durch die kirchliche Lehre bedingten
Vorverständnisses" ist (420). „Ihre primäre Ausdrucksform,
die Hysterie", muß dagegen heute „als zeitbedingte Konfliktreaktion
" verstanden werden, wofür nicht der Exorzist, sondern
der Psychotherapeut zuständig ist (439). In dem Unterabschnitt
über Hexen wird auf den Hexenhammer, den genauen Verlauf
eines Hexenprozesses und das Buch von M. A. Murray: The Witch-
Cult in Western Europe eingegangen und als Ergebnis der These
Niggs zugestimmt: „Wenn hier irgendwo der Teufel am Werk war,
dann nicht auf Seiten der Hexen, sondern auf Seiten ihrer Verfolger
" (476). Daß der Satanismus keineswegs nur eine Erscheinung
der Vergangenheit ist, sondern heute „eine ernst zu nehmende Sub-
religion" (497) der westlichen Welt darstellt, wirdiin letzten Unterabschnitt
verdeutlicht (490-501).

Das von H. verfaßte Schlußwort (503-505) wiederholt das bereits
in der Einleitung angedeutete Fazit, daß der Teufel „für die
Erklärung des Bösen in der Welt ... unnötig" ist und daß „der
christliche Glaube mit dem Abschied vom Teufel... nur gewinnt",
weil damit „die Botschaft des Evangeliums ... wieder zur ungeschmälerten
Frohbotschaft Gottes" wird (504).

Den Abschluß des umfänglichen Werkes bilden Textabdrucke
(506-514; Ansprache Pauls VI. v. 15.11.1972 und Exorzismusformulare
), Literaturhinweise (515-525) sowie Autoren-, Stellen-,
Personen- und Sachregister (529-544).

Es ist außerordentlich verdienstvoll, daß sich H. mit seinen Mitarbeitern
der schwierigen Materie des „Teufelsglaubens" zugewandt
und dabei die Wirkuugsgeschichto christlicher Exegese gerade
in ihren negativen Auswüchsen schonungslos ans Licht gezogen
hat. Diese rückhaltlose Kritik auch gegenüber der Geschichte
der eigenen Kirche ist angesichts der heute weithin üblichen Methode
der Verteufelung des Gegners von wogweisender Bedeutung.
Insofern gibt H. wertvolle Hinweise zum kritischen Durchdenken
mancher überkommener Vorstellungen, die eigentlich mit Jesu
Evangelium unvereinbar sind. Die Frage ist nur, ob er in seinem
berechtigten Anliegen, das Evangelium nicht zu einer „Drohbotschaft
vom Teufel" werden zu lassen, nicht zu viel des Guten
getan hat. In dem grundlegenden neutestamentlichen Hauptteil
bekommt man leider nur zu oft den Eindruck, daß nicht sein kann,
was nicht sein darf (vgl. z. B. 283f, bes. Anm.36, wo L., um einen
Zusammenhang von Satan und Dämonenbesessenheit - und damit
von Lk 10,18 mit 10,19f - zu bestreiten, darauf verweist, daß sowohl
Jub 10,12f als auch VitAd 37-39 ganz „singulär" seien und
darum keine weiterreichenden Schlüsse zulassen; vgl. auch 292f,
wo „Satan" in Mk 8,33 im Sinne von Num 22,22.32 gemeint sein
soll, weil man ja sonst eine „singulare Denk- und Redeweise Jesu
... postulieren" müßte; vgl. ferner das völlige Übergehen der
6. Bitte des Vaterunsers und damit die Auslassung des Komplexes
,peirasmos' im Jesusteil). Besonders problematisch erscheint L.s
Bild eines unapokalyptischen Jesus, der sein Wirken nicht als
„Kampf gegen den Satan und seine Herrschaft verstanden" hat
und nach dessen Verständnis der Königsherrschaft Gottes auch der
Mensch „nicht einfach in eine Frontstellung gegen das Böse" gebracht
wird (313 f). Alle in diese Richtung tendierenden Aussagen
in den synoptischen Evangelien werden als „Gemeindebildung"
(317) bezeichnet und auf eine Ebene mit den in den apokalyptischen
Sohriften berichteten „Legenden" gestellt. Man vermißt in
diesem Zusammenhang eine methodologische Klärung der eigenen
Exegese und eine Herausstellung von objektiven Kriterien, die eine
Abhebung der ältesten Traditionsschicht der Jesusüberlieferung ermöglichen
und eine subjektive Willkür weitgehend ausschalten.

Am unbefriedigendsten sind (neben dem viol zu pauschal geratenen
Unterabschnitt: Der Teufel und die Juden, 577-589) die
Ausführungen über die Dämononlehre der Pseudepigraphen (218-
bis 246), weil hier keine Verstehensbemühung des Gesamtphänomens
Apokalyptik vorliegt, sondern eine recht vordergründige Aneinanderreihung
von Vorstellungselementen mit deutlich abwertender
Tendenz (vgl. z. B. 226: „Alles, was Mythologie und Volksglaube
an Material zu bieten hatten, wird dabei von einer zügellosen
Phantasie gierig aufgegriffen... Wie verworren diese Vorstellungen
sind ..."). Es könnte ja sein, daß „das Schweigen über
die Herkunft des Satans", das nach H. „die Verlegenheit in dieser
Frage" verraten soll (232), Ausdruck eines tiefen Wissens der Apo-
kalyptiker um die Gefährlichkeit der unableitbaren und insofern
nicht berechenbaren Mächtigkeit des Bösen ist, die in den unterschiedlichsten
Formen und Gestaltau begegnet und deshalb mit
einer Fülle von Namen und Vorstellungen umschrieben wird. In
diesem Traditionsstrom steht doch die Jesusbewegung, deren
Frohbotschaft erst auf diesem Hintorgrund ihre Konturen bekommt
. Bezeichnenderweise wird darum auch in den synoptischen
Evangelien eine Ableitung des Satans nicht vorgenommen. Deshalb
sollte man nicht unkritisch davon ausgehen, daß der Teufel
„für die Erklärung des Bösen in der Welt" (504) diene; denn damit
hat man sich das Problem des Teufels so sehr vereinfacht, daß mau
dann ganz überzeugend die These vertreten kann, wir bedürften
dieser „Erklärung" nicht mehr. Diese Simplifikation des Problems
belastet leider die sehr kenntnis- und materialrciche, anschaulich
und verständlich geschriebene und in ihren Warnungen vor oiner
Verkehrung der Frohbotschaft des Evangeliums in eine „Droh-
botschaft vom Teufel" im Blick auf verhängnisvolle Irrwege in der
Geschichte der Kirche außerordentlich berechtigte und notwendige
Schrift.

Berlin Günther Baiimbach

Kirchengeschichte: Mittelalter

Wendelborn, Gert: Franziskus von Assisi. Eine historische Darstellung
. Leipzig: Koehler & Amelang [1977J. 364 S., 16 Taf. 8°.
Lw. M 12,80.

Die Monographie erschien im Hinblick auf das 750.Todesjahr
des Heiligen (1976). Sie will den interessierten Leser in der Deutschen
Demokratischen Republik mit dem Stand der wissenschaftlichen
Franziskus-Forschung vertraut machen und dazu beitragen,
daß, ,die Christen in einer sozialistischen Gesellschaft neu zu klären
versuchen, warum und inwieweit Leben und Werk des umbrischen
Heiligen für sie zum unverlierbaren Besitz gehören" (8). Da die
Darstellung auf den kritisohen Apparat verzichtet, sind der Fachdiskussion
Grenzen gesetzt. Dafür ist ein lesbares Buch entstanden
, das sich nicht nur dem Fachwissenschaftler erschließt.

Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil „Religiössoziale
Bewegungen vor und neben der frühen franziskanischen