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Ausgabe:

1979

Spalte:

274-276

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Teufelsglaube 1979

Rezensent:

Baumbach, Günther

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr.4

274

«tischen Gesellschaften Osteuropas ungebührlich abhebt (hierin
antisowjetischen Klischees seiner Umwelt folgend) und die bewußte
Hinwendung der kubanischen Staatsführung zum Marxismus
-Leninismus unter Preisgabe linksopportunistischer Tendenzen
in den 70er Jahren übersieht.

Die revolutionären Aufbrücho in Bolivien, Peru und Chile seit
den 50er Jahren und die unterschiedliche Reaktion der Kirche auf
sie werden im Detail sachlich beleuchtet. Dabei kann Pr. einsichtig
machon, daß dio katholische Kirche LAs, nachdem sie sich in der
ersten Hälfte des 20. Jh. auf gelegentlich problematische Weise im
Sinne einer Ersatzgosellschaftung neu aktiviert hatte, spätestens
seit der II. CELAM-Konferenz in Medellfn 1968 in einem tiefgreifenden
Wandel begriffen ist. In diesem Zusammenhang beschäftigt
er sich auch mit den Ansätzen zu einer „Theologie der Befreiung"
und arbeitet ihren spezifischen Charakter gut heraus. Er macht den
Leser aber auch mit der Verunsicherung und Polarisierung im
Raum der katholischon Kirche in gesellschaftlicher Hinsicht vertraut
. Stark beachtet er mit Recht dio Entwicklung im brasilianischen
Episkopat und dio „kritischo Solidarität" des Klerus mit der
peruanischen Revolution seit 1968, wenn auch gerade das Scheitern
dieses Versuches den Vf. veranlassen sollte, die Möglichkeit
einer völlig neuartigen Revolution in la. Ländern kritisch zu überdenken
(s. die von Pr. selbst beleuchteten negativen Erfahrungen
mit Freis „Revolution in Freiheit" in Chile!). Die Haltung der
chilenischen Kirchenführung mit Kardinal Silva Henriquez unter
der Pinochet-Diktatur verdient m.E. eine stärkere Würdigung.
Zugleich verschweigt Pr. nicht die weiterbestehenden Krisenerscheinungen
in der katholischen Kirche, die vor allem im Prio-
stcrmangel und in dor Abhängigkeit vom Ausland, aber auch in
Spannungen zwischen dem Episkopat und einigen avantgardistischen
Priestergruppen sichtbar werden und Ausdruck einer Identitätskrise
sind. Sehr aufschlußreich ist dio differenzierte Analyse
der „Christenheits-Kurso" und dio warmherzige Würdigung der
Basisgemeinden als neuartiger Formen der Laienaktivität.

Auch der la. Protestantismus steht naturgemäß im Blickfeld des
Vf. Er unterscheidet treffend dessen drei Grundarten: 1) die meist
lutherischen deutschen Einwandererkirchen volkskirchlichen Gepräges
mit ihrer zunehmenden Tendenz zur Verselbständigung und
sprachlich-kulturellen Anpassung; 2) die von den „historischen"
protestantischen Denominationen der USA geschaffenen Kirchen,
deren missionarische Aktivität weithin groß ist und die das Freiwilligkeitsprinzip
definitiv in dio KG LAs eingebracht haben, die
aber geistig und finanziell weithin von dor Mentalität ihrer mit dem
gehobenen Mittelstand verbundenen „Mutterkirchen" abhängig
geblieben sind (Pr. weist auch auf die Ambivalenz des von ihnen
aufgebauten blühenden Schulwosons hin); und 3) die durch „Glau-
bensmissionen" evangelikalen und fundamentalistischen Typs geschaffenen
Gemeinschaften, die missionarisch besonders fruchtbar
sind, sich aber bewußt abseits von der ökumenischen Bewegung
halten und ihre Glieder durch ihre konservativ-weltflüchtige Grundhaltung
meist ihrer Umwelt entfremden. Immerhin weist Pr. auf
interessante positive Entwicklungen auch in evangelikalen Kreisen
hin (Padillas Referat in Lausanne!). Er beleuchtet auch die mannigfachen
und in sich unterschiedlichen Pfingstkirchen LAs. Pr.
unterschlägt nicht ihre negativen Züge, bemüht sich aber zugleich,
die Ursachen ihres raschen Wachstums zu ergründen. Auch weist er
auf spezifische Züge la. Pfingstfrörnmigkoit - nicht zuletzt untor
mexikanischen Indianern - hin, die diese von den Pfingstkirchen
der USA und Westeuropas unterscheiden. Er zoigt auf, daß die
Pfingstkirchen besonders in Brasilien als Rebellion gegen ein Mit-
telstandskirchentum (858) verständlich werden und vor allem den
gehobenen Teil der Unterschichten ansprechen. Sie seien also Kirchen
dor Enterbten, Schutzinstitutionen konservativer Prägung,
eine Ersatz - und Gegengosollschaft mit Anspruch auf das gesamte
Leben ihrer Gläubigen und mit aufkommenden Tendenzen einer
Verbürgerlichung, die dann auch eine Klorikalisiorung (caudillis-
mo!) mit sich bringt. Dio soziologisch über ihnen stehenden Mittelschichten
werden großenteils vom kardecistischen Spiritismus angesprochen
, der niedere Teil der Unterschicht vom synkretisti-
schen Umbanda-Kult, dor sich freilich immer stärker spiritistischer
Elemente bedient, und der „Bodensatz" der Gesellschaft
vom primitiven Macumba-Kult.

Rostock Gert Wendelboru

Haag, Herbort: Teufelsglaube. Mit Beiträgen Von K.Elliger, B.
Lang, M.Limbeck. Tübingen: Katzmann-Verlag [1974]. 544 S.
8°. Lw. DM 56,-.

Dieses in Gemeinschaftsarbeit zustande gekommene Werk stellt
eine umfassende Bohandlung der Toufclsfrago im Sinne von H.s
früherer Schrift „Abschied vom Teufel" dar. H. hat sich zur Aufgabe
gestellt, „die kirchliche Lehre vom Bösen neu zu durchdenken
..., sie ... auf ihre Vereinbarkeit mit dem Zeugnis der
Schrift hin zu überprüfen" und „don Begriff des Bösen zu präzisieren
" (11). Dio Notwendigkeit dieser Bemühung unterstreicht H. in
der Einleitung (11-28) durch Hinweise auf don heutigen Stand der
profanen Wissenschaften (Psychoanalyse, Verhaltensforschung,
Soziologie) und auf die unzumutbare Belastung dos Glaubenslebens
der Christen durch traditionolle Teufelsvorstellungen. Das
Ergebnis der Einzoluntersuchungen nimmt H. bereits in dor Einleitung
vorweg, wenn er feststellt: Dio biblischen Aussagen über
Satan, Teufel, Dämonen und böse Goister sind keine verbindlichen
Glaubensaussagon, vorpflichten uns also nicht zum Glauben an
böse außerwoltlioho und personale Mächte (vgl. 24).

Im 1. Hauptteil stellt H. zunächst die traditionelle Lehre vom
Teufel (29-140) im Blick auf die katholische und evangelische
Dogmatik und Katechotik sowie auf Gebet und Liturgie sowie das
Kirchliche Lehramt dar und breitet sehr viel interessantes Material
dazu aus. Die kirchliche Rechtfertigung für sein kritisches Unternehmen
entnimmt er don Aussagen des 2. Vatikanischen Konzils,
„daß die ganze Lehre und Vorkündigung dor Kirche an der Heiligen
Schrift gemessen werde" (139) und diß „alle Gläubigen berufen
(sind), dazu beizutragen, daß dio apostolische Überlieferung
voranschroitetunddie Kirche im Verständnis des Glaubens wächst"
(140). Auf diese Weise will H. unterstreichen, daß es ihm nicht um
Zersetzung, sondern um Auferbauung der Kirche geht.

Der2.HaupttoiI trägt die Überschrift: „Dämonen und Satan im
Alten Testament" (141-269), wobei aber hier nicht nur die alt-
testamentlichen Aussagen über Dämonen, Sünde und Satan herangezogen
, sondern auch die Umwelt Israels, die Pseudepigraphen
sowie Zarathustra und dor iranische Dualismus berücksichtigt worden
. H. gesteht zu, daß es auch in Israel Vorstellungen von bösen
Mächten gab, diese jedoch „von den israelitischen Theologen als
mit dem Jahwoglauben unvereinbar angesehen und deshalb bekämpft
, verharmlost oder durch Integrierung neutralisiert" (180)
wurden. Im Zusammenhang mit dem Wiederaufleben alter Mytho-
logemo in nachexil ischor Zeit ist das Aufkommen der Satansgestalt
zu sehen, die in IChr 21 als Verkörperung von Jahwes Zorn und als
Feind Israels erscheint. Aber: „Der Godanko an eine Macht, die
der Satan gegen Gott aufbietet, oder gar an oin Reich Satans, das
dem Reich Gottes entgegenstünde, ist im Alten Testamente nirgends
zu finden" (217; leider geht H. mit keinem Wort auf Dan7
ein, das erst im 3. Hauptteil auftaucht, vgl.374f!). Dagegen „tritt
in den außerbiblischen Schriften des 2. Jh.v.Chr. das Wirken Satans
und böser Geister stark in den Vordergrund . . . Ihre Existenz
wird mit Hilfe von Legenden erklärt" (245), wobei aber „den Fehler
, jüdische Logenden zum Dogma zu erheben, erst das Christentum
begangen" bat (246)! Der 3.Hauptteil, der von M.Limbeck
verfaßt wurde, handelt von Satan und dem Bösen im Neuen Testament
(271-388). L. geht davon aus, daß „der Teufels- und Dämo-
nonglaube des palästinensischen Judentums zur Zeit Jesu . .. von
jenem späteren Denken abhängig ist, das nach jüdischer und christlicher
Überzeugung keinen Anspruch auf Kanonizität erheben
kann" (273). Demzufolge verJucht L., einen völlig unapokalyptischen
Jesus zu zeichnen, von dein es nur „ein einziges authentisches
" Wort gibt, das sich auf den Satan bezieht, das Einzellogion
Lk 10,18, in dem Jesus „den Sturz des Anklägors vor Gott" verkündigte
, so daß der Satan „seinen Platz vor Gott für immer verloren
" hat (317; vgl. 27.286.290). Daraufgestützt wendet sich L.
gegon die These, „Jesus habe sein Wirken als Kampf gegen den
Satan und seine Herrschaft verstanden" (313, vgl. 308ff); denn
eine „Vorbindung dor Krankheitsdämonen mit Satan (war) für
Jesus und seine Zeitgenossen fremd" (313). Derartige Aussagen
lassen „nur einen Rückschluß auf das theologische Verständnis der
Urchristenheitzu" (308). Deshalb beschäftigt sich L. dann mit dem
Verständnis des Bösen bei den einzelnen Synoptikern (319-345)
und registriert sorgfältig deren unterschiedliches theologisches