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Ausgabe:

1979

Spalte:

225-228

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Wohlgschaft, Hermann

Titel/Untertitel:

Hoffnung angesichts des Todes 1979

Rezensent:

Hildebrandt, Bernd

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225

Theologische Litcraturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

22C,

weitergeht, aber durch Gedächtnisverlust ebenso sicher nicht
gerettet werden kann." (65)

Der letzte, besonders ausführlich kommentierte Teil ist dem
„ethischen Aspekt" gewidmet (These XIII bis XV). Die Aufgabe
ist auch hier, in der „Vielfalt der Berufungen und der
persönlichen Weisen, das Mysterium Christi anzugehen und
es zu leben", „diese Vielfalt" aber »im gleichen Glaubensgehorsam
" und „in der gleichen Liebe" zu verwirklichen (XV.
These, S. 68f). Die angebotene Lösung fußt einmal auf einer
grundsätzlichen Unterscheidung der „Ebenen der Reflexion
und des sittlichen Lebens", wobei die Ebene der „transzendentale
^) Haltungen und Normen" (72ff), des „partikuläre(n)
kategoriale(n) Verhalten(s)" (72; 75ff), die der „politischen
und sozialen Verantwortlichkeiten" (78f) und des „konkrete(n)
Handcln(s) (79ff) ins Auge gefaßt werden; auf jeder dieser
Ebenen kann „das Maß der geschichtlichen oder geographisch
möglichen Einheit und Vielfalt" festgestellt werden (72). Zum
anderen gilt es, die „Kardinalpunkte in Erinnerung" zu rufen,
die „die Bedingungen einer Einheit im Ethischen festlegen"
und zugleich „die Bedingungen aufstellen" können, unter
denen „die Variationen des Pluralismus" „legitim" sind (85).
Konkret werden als „Anhaltspunkte" hier „die .theologischen
Tugenden' und das Leben im Geiste" und „die Menschenrechte
" (87ff, 92ff) genannt.

Die systematische Darstellung des ersten Teils ist im
zweiten Teil des Buches durch eine Reihe von kurzen
monographischen, zum Teil historisch orientierten Einzcl-
studien ergänzt, die erkennen lassen, in welch fundamentaler
Weise das Thema einer theologischen Pluralität in der Geschichte
der christlichen Lehre und besonders auch des katholischen
Denkens vorbereitet und angelegt ist. Beda R i g a u x
erörtert „Einheit und Pluralität der Jcsusbilder bei den
Synoptikern"; „Einheit des Glaubens und theologischer Pluralismus
im Licht der Dokumente des römischen Lehramts im
letzten Jahrzehnt (1962—1972)" werden von Philippe Del-
h a y e dargestellt. Der Beitrag „Die Einheit des Glaubens
und die Vielheit der Theologien" von Louis Bouyer gibt
eine Überschau über die Lehrgeschichte von der Urkirche bis
zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Einen „Versuch über die
Einkulturierung des Christentums in Asien" hat Petrus
Nemeshegyi beigesteuert. Von Walter Kern schließlich
stammen „Bemerkungen zur Frage: Plurale Philosophie (als
Medium pluraler Theologie?)". Die hiermit dargebotene Übersicht
kann nur ein Hinweis auf die behandelten Themen sein
und zeigen, wie dieser zweite Teil sich sachlich bruchlos an
den ersten anschließt, ja eine notwendige materiale Voraussetzung
für sein Verständnis bietet. Denn er macht sichtbar,
daß das Wahrheitsbewußtsein in der christlichen Erkenntnis
nie an eine formelle Uniformität des Lehrbegriffs gebunden
war. Damit erweist sich das Problem des Pluralismus als im
Wesen der kirchlichen Dogmenbildung selbst angelegt.

Nicht alle Einzelthemen sind in der vorliegenden Veröffentlichung
erschöpfend dargestellt; die 15 Thesen mit ihren
Kommentaren sind kein letztes Wort zur Sache. Künftige
Gesprächsbeiträge zum Problem werden aber hinter dem hier
Erarbeiteten nicht zurückbleiben dürfen.

Halle/Leipzig Norbert Müller

Systematische Theologie: Dogmatil*

Wohlgschaft, Hermann: Hoffnung angesichts des Todes. Das

Todesproblem bei Karl Barth und in der zeitgenössischen
Theologie des deutschen Sprachraums. Münchcn-Paderborn-
Wicn: Schöningh 1977, 361 S. gr. 8° = Beiträge zur ökumenischen
Theologie, 14. Kart. DM 46.-.

Die breitangclegte Arbeit, eine katholische Dissertation an
der Universität München, will nicht einfach Referat der
verschiedensten theologischen Deutungen des Todes sein, wobei
zugleich ein Einblick in das Denkgefüge des jeweils vorgestellten
Theologen gegeben wird (vor allem Barth, Bultmann
, Eiert, Tillich, Bonhoeffer, Moltmann, Pannenberg,
Solle und Rahner), sondern ist kritische Diskussion vor allem
vom Standpunkt Rahners aus, den sich W. zu eigen macht.
Mehrere Leitgedanken durchziehen das Buch.

(1) Es soll sichtbar gemacht werden, daß in der heutigen
Theologie mit ihrer sozialkritischen Ausrichtung die Fragen
der individuellen Eschatologie nicht an den Rand gedrängt
sind oder gar als mythologischer Ballast abgestoßen werden
(wie jedoch bei D. Solle, 190ff). Vielmehr gilt, was zunächst
in der Interpretation Moltmanns gesagt wird: „Die Humanisierung
der Welt und die Lösung der Krise des Individuums
bedingen sich" (164). In zwei Punkten wird dieser Bedingungszusammenhang
besonders unterstrichen: Einmal würde
ohne Hoffnung auf ewiges Leben über den Tod hinaus aller
Einsatz hier und heute ins Leere, weil zuletzt Sinnlose,
gehen. Und zum anderen wäre gar nicht auszumachen, was
denn das jetzt zu ergreifende Echte und Wahre ist. Das aber
ist die Liebe, in deren Wesen es ja schon liegt, das eigene wie
das Leben des anderen in unvergänglichem Lichte zu sehen.
So kann denn, wenn man die Liebe in ihrer Tiefe bedenkt
(und W. tut dies in einer eindrucksvollen Analyse, S. 332ff),
an der menschlichen Wirklichkeit die Hoffnung auf Überwindung
des Todes festgemacht werden.

(2) Damit ist sogleich ein weiteres Anliegen der Arbeit benannt
: Es geht in ihr um ein Plädoyer für den Grundansatz
der Rahnerschen Theologie, die Soteriologie in der Weise mit
der Anthropologie zu vermitteln, daß der ersteren eine
transzendentale Verwiesenheit des Menschen auf Gott entspricht
(204f). Mit dieser Korrelation soll — in Auseinandersetzung
mit Barths christologisch-'offenbarungspositivisti-
schem' Ansatz und in Übereinstimmung etwa mit dem Anliegen
Pannenbergs, die Hoffnung auf ein .künftiges Leben'
anthropologisch zu begründen (177ff) — sowohl die katholische
Zusammenschau von Natur und Gnade aktualisiert
werden als auch die christliche Hoffnung nicht wie etwas dem
Leben Unverbundenes erscheinen. W. argumentiert: Wenn
jeder ontologische Bezug zum sterblichen Dasein negiert wird,
wie das in der Konsequenz des Barthschen Denkens liege, so
sei D. Sölles Ablehnung einer „postmortalen Existenz" das
eigentlich nicht mehr verwunderliche Ergebnis (190 und 199).
Demgegenüber will W. mit Rahner die Hoffnung auf ewiges
Leben als anthropologisches Existential verstehen, was auch
heißt, daß die Auferstehung Jesu Christi jenes Selbstvcr-
ständnis des Menschen zu deutlicherem Vollzuge ruft, was
überall dort gegeben sei, „wo Menschen an das Leben der
Toten in irgendeiner Form glauben" (296), wo ein Urver-
trauen in einen Sinn des Lebens aufleuchtet (210) und wo
man sich nicht abfindet mit Leid und Tod (308).

Es liegt ganz im Rahmen dieses transzendentalen Ansatzes,
wenn auch der Tod Jesu „analog zum allgemeinen Phänomen
des personalen Sterbens anzusehen (ist)" (231). Die erlösende
Kraft des Todes Jesu setze die Stellvertretung als anthropologische
Bestimmung überhaupt voraus und liege darin, daß
Jesus seinen Tod in der Bindung an Gott annimmt und damit
die Verzweiflung angesichts des Todes getröstet ist (239).
Dies bleibe nicht auf Jesus beschränkt, ist doch sein Abstieg
ins Totenreich zugleich Abstieg in die Tiefenschicht der Wirklichkeit
, ins Wesenhafte. Der Urraum des Lebens, „aus dessen
Tiefe heraus die personalen Entscheidungen aller einzelnen
mit bestimmt werden", ist neu qualifiziert (297), so daß es
nun keine Abgründe mehr gibt, „in denen nicht das ewige
Leben zu finden wäre" (237).

(3) W. weist auf, welche inneren Zusammenhänge zwischen
den theologischen Konzeptionen und den entsprechenden
Äußerungen zum Todesproblem bestehen. Das kann hier im
einzelnen nicht nachgezeichnet werden. Es sei nur pars pro toto
an Bultmann und Moltmann sichtbar gemacht. „Während bei
Barth die geschöpfliche Entscheidung vom Triumph der Gnade
verschlungen zu werden droht, rückt Bultmann den Entscheidungscharakter
der Existenz in die Mitte der Theologie" —
und das auch angesichts des Todes (130). Moltmanns eschato-