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Ausgabe: | 1979 |
Spalte: | 209-211 |
Kategorie: | Dogmen- und Theologiegeschichte |
Autor/Hrsg.: | Børresen, Kari Elisabeth |
Titel/Untertitel: | Anthropologie médiévale et théologie mariale 1979 |
Rezensent: | Beintker, Horst |
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Theologische Literntuvzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3
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stärker berücksichtigt: so etwa (zu 38f, 46), ob N. beim
Fragen nach Gott Gott voraussetzt, die Akten des Trierer
Symposions von 19733, oder bei der mit Recht vom Vf. betonten
Bedeutung der Einheitsmetaphysik für N.s Denken
die Untersuchung von K. Flasch''. Auch hätte Vf., will er doch
mit gutem Grund eine einheitliche Interpretation des cusa-
nischen Denkens geben, dies überzeugender getan, hätte er
die nicht zu bestreitende Entwicklung im Denken von N.
stärker berücksichtigt. So betont doch erst der späte N. die
Gottesschau5. Trotzdem bleibt die vorliegende Untersuchung
eine überzeugende Interpretation cusanischen Denkens.
Am Rande: Störend sind einige eigenwillige Ausdrücke
(z. B. „benachdruckt") und die unübersichtlich erscheinende
Zitierung von doct. ign. (z. B. I XII).
Schlettau Karl-Hermann Kandier
1 Wie verhält sich dieser Gedanke eigentlich zur Formulierung des NC,
2. Art.: „geboren, nicht geschaffen"?
2 Vgl. H. Junghans, Ockham im Lichte der neueren Forschung, Berlin/Hamburg
1968, bes. S. 279-282. Vf. berücksichtigt nicht die neuere Ockham-For-
schung.
3 Nikolaus von Kues in der Geschichte des Erkenntnisproblems, hrsg. v.
R. Haubst, Mainz 1975 (Bespr. in ThLZ 102, 1977 Sp. 518-520).
4 K. Flasch, Die Metaphysik des Einen bei Nikolaus von Kues, Leiden 1973
(Bespr. in ThLZ 100, 1975 Sp. 435-438).
5 Vgl. A. Brüntrup, Können und Sein. Der Zusammenhang der Spätschriften
des Nikolaus von Kues, München-Salzburg 1973 (Bespr. in ThLZ 100, 1975
Sp. 519-521), vom Vf. nicht berücksichtigt.
Borresen, Kari Elisabeth: Anthropologie Medievale et Theologie
Mariale. Oslo-Bergen-Tromso: Universitetsforlaget
1971. 143 S. gr. 4° = Skrifter utgitt av det Norske Viden-
skaps-Akademi i Oslo. II. Hist.-Filos. Klasse. Ny Serie, 9.
nkr. 35.-.
Das Interesse für den besonderen Zusammenhang der mittelalterlichen
Anthropologie mit der römisch-katholischen Lehre
über Maria wird durch die vorliegende Untersuchung zunächst
in ein geduldiges Quellenstudium verwiesen. Die
grofjen Franziskaner und Dominikaner des 13. Jh. Alexander
von Haies, Albert der Große, Bonaventura, Thomas von Aquin
und Duns Scotus werden bis in alle Einzelheiten nach den
dogmatischen Ausprägungen der Mariologie befragt. Ein Einstieg
in die scholastische Reflexion ist dabei das Aufzeigen
der von ihnen verwendeten und zitierten älteren Autoritäten,
voran Augustinus, dann Johannes Damascenus, schließlich
Anselm von Canterbury, Bernhard von Clairvaux und Petrus
Lombardus. Obwohl sie verschiedenen Epochen angehören,
haben doch ihnen gemeinsame Züge auf die scholastischen
Autoren gewirkt. Die Vfn. unterstreicht die christozentrische
Perspektive. Mit Rücksicht auf die Würde des Sohnes sei
Sündenfreiheit von Maria wegen ihrer Mutterfunktion erforderlich
. Freilich bestimmen dann auch gewisse Theorien über
die Übertragung des peccatiim originale die Fragen nach
dem Zeitpunkt der Sündenbefreiung Marias ihrem Leibe nach.
Nur Bernhard habe bei der Polemik gegen ein Begehen des
Festes Mariae Empfängnis bedacht, ob Maria bereits in utero
geheiligt worden sei. Sonst wird im Kontext der liturgischen
Bewegung erst eine immer weitergehende Zurücklegung der
Heiligung Marias reflektiert, die ursprünglich nur unmittelbar
vor der Inkarnation angenommen war. Aber mit Bernhard
ist die Unterscheidung von zwei Etappen in dieser Heiligung
Marias aufgekommen, zuerst in utero, danach zur Zeit der
Inkarnation, die im Denken der Scholastiker zum Ringen um
die maßgebliche Lehre über Zeitpunkt und Wirkung von
Reinigung bzw. Heiligung führte.
Die Studie konzentriert sich auf die Fragen nach der Heiligung
Marias im Blick auf ihre mütterliche Rolle beim Vorgang
der Inkarnation, also auf den christologischen Aspekt
der Mariologie, und auf die Assumptio, für die pseudo-Augu-
stinsches Schrifttum und der erste marianische Traktat des
Mittelalters von Paschasius Radbert herangezogen werden. In
folgender Anordnung werden Fragen bei den fünf scholastischen
Lehrern (Alexander, Albert, Bonaventura, Thomas.
Duns) studiert:
„I. Sanctification de Marie" (23-41, hier fehlt Duns), die
Darlegungen bekommen eine Zusammenfassung (41ff) und
einen Exkurs über die Exegese von Lk2,35 (44f); „II. Con-
ception de Marie" (46—67). Hier schweigen offenbar Alexander
, Bonaventura, Albert und Thomas; nur Duns Scotus hat
diese Linien, die in Reflexionen über Mariae Empfängnis,
d. h. die Diskussion über Marias Heiligung in utero, bald
nach der Jahrtausendwende anfangen, mit seinem Lösungsversuch
zusammengeführt. Er bringt dabei einen vollkommen
neuen Gesichtspunkt und kann daher die beiden Lösungen, die
seine Vorgänger Eadmer und Nicolas de St. Alban vorgeschlagen
hatten, harmonisieren. Eine Einzeldarstellung, die
auf anthropologische Probleme eingehen müßte — Zeitpunkt
der Beseelung des Foetus, Unterscheidung zwischen körperlicher
und seelischer Reinigung bzw. Heiligung der Seele zur
Zeit der Beseelung, Evidenz des leiblichen (fleischlichen)
Bandes zwischen Christus und Maria usw. —, kann im
Rahmen dieser Besprechung nicht gegeben werden. B. verfolgt
alle Vorläufer-Äufjerungen und faßt das Ergebnis wieder zusammen
(67ff). Duns legt Empfängnis und Beseelung auf
einen Zeitpunkt; so fafjt er eine Heiligung Marias ins Auge,
die eine Etappentheorie — erst mußte inlectio carnis auch bei
Maria eintreten, dann folgt Reinigung und Heiligung — abweist
.
„III. Le röle de Marie dans lincarnation" (70—90). Marias
Rolle in der Menschwerdung Christi bedenken die fünf Theologen
auf verschiedene Weise. Alexander von Haies, Albert le
Grand und Thomas von Aquin lassen sich durch die physiologische
Sicht des Aristoteles führen, Bonaventura und Duns
Scotus bevorzugen die des Arztes Galenos. Bei »IV. La re-
lation entre le Christ et Marie" (91 bis 101) werden die
Dinge, die mit logischen Schlüssen äußerst verkompliziert
wurden, noch durch die Unterscheidung der einfachen und der
doppelten Sohnschaft erschwert. Hier nimmt Duns mit letzterer
wieder eine Sonderstellung ein, freilich haben auch
diese seine Lösung Vorläufer vorbereitet. Es geht um Abstammungsfragen
, die heutigen Fragestellungen fremd sind,
aber doch beschäftigen sich alle diese scholastischen Autoren,
„um es genau zu sagen, vorrangig christologisch und nicht
mariologisch" mit ihnen (101).
„V. L'assomption corporelle de Marie" (102—111) behandelt
ein Privileg der Maria, das wieder nur die ersten vier Scholastiker
bedenken. Die leibliche Himmelfahrt ist auf jeden
Fall eine Vorwegnahme der Auferstehung und „steht deutlich
im Zusammenhang mit ihrem Pochen auf die Verwandtschaft
, die den Leib Marias mit dem ihres Sohnes verbindet,
und mit ihrer Lehre von der Heiligung, die Maria auf die
Empfängnis Christi vorbereitet" (111). Die Perspektive ist
deutlich christozentrisch. — So schwierige Überlegungen der
dogmengeschichtlichen Zusammenhänge auch bewältigt werden
müssen, die Vfn. meistert ihr Vorhaben glänzend und
bietet eine glasklare Durchsicht dieser Materie, belegt sämtliche
Entwicklungen, verliert sich auch nicht in die ausgedehnte
Problematik im einzelnen. Eine Art Kontrolle sind die
jeweiligen Zusammenfassungen.
Die wichtigste Frucht ihrer Studien, die der bekannte Osloer
Kirchenhistoriker Einar Molland in der Norwegischen
Akademie der Wissenschaften vertrat, sind aber wohl die
„Reflexions et Perspectives" (112-119). Vielleicht ist inzwischen
auch die allgemeine Diskussion, die in der römischkatholischen
Theologie mit dem Vaticanum Secundum christo-
logische und eschatologische Aspekte auch in der Mariologie
zur Geltung gebracht hat (vgl. 117f), so weit, daß für die
weitergehende Neuorientierung auch der Mariologie auf heutige
physiologische Vorstellungen bei Rückbindung in biblisch-
christozentrische Linien die Reflexionen der Autorin jetzt helfen
können.
Die Mariologie des 13. Jh., die für die dogmatische Weiterbildung
besonders interessant ist, hat auf die mariozentri-
schen Dogmen des 19. und 20. Jh. vorbereitend gewirkt. Aber
sie waren eben abhängig von damaligen anthropologischen