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Ausgabe:

1979

Spalte:

204-207

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

1933 - 1934 1979

Rezensent:

Nowak, Kurt

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203

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

unterscheidet: Die Brandrede von Dr. Krause im Berliner
Sportpalast, Herbst 1933, lieft schlaglichtartig die Ziele der DC
erkennen; der Widerstand formierte sich. Was die Situation in
Schlesien komplizierte und zur Spaltung der BK führte, war
die Kontinuität des geistlichen Führungsamtes in Gestalt seines
Trägers D. Zänker, der seit 1925 als Generalsuperintendent
einen Sprengel der Kirchenprovinz verwaltete und 1933
Bischof des gesamten Gebietes wurde. Obwohl eine Zeitlang
seines Amtes enthoben, hat er doch stets die Leitung behalten
und daneben versucht, die Brücke zu Mitgliedern des Konsistoriums
zu schlagen, die nicht blinden Gehorsam gegenüber
dem DC-Staatskirchenregiment erwiesen. Das galt auch
für die Kontakte mit dem Provinzialkirchenausschuß, einer
vom Staat bestellten Institution, deren Aufgabe es war, wie
es trügerisch hieß: „die Kirche zu befrieden". Aber gerade
die Bemühungen D. Zänkers um solche Kompromisse wurden
in den Reihen der BK moniert und verursachten schließlich
das Auseinanderbrechen in zwei Gruppen, von denen die eine
mehr und mehr sich dem Lutherrat anschloß, die radikalere
aber eng mit dem preußischen Bruderrat conform ging.

Mitten in diesem Kampf kam es zu theologischer Besinnung,
die Fundamente schuf für die vertretene Position. Dabei
wurde für die Naumburger Richtung wichtig: Nicht das mehr
oder minder autoritär geführte Amt eines Bischofs, sondern
die von der Gemeinde zu brüderlicher Leitung berufene Synode
allein sei zur geistlichen Leitung berechtigt. Ferner: Es
wäre falsch. Geistliches und Weltliches in der Gemeinde zu
trennen. Auch Fakten äußerer Ordnung wie etwa die Funktion
eines theologischen Prüfungsamtes sowie die Verwaltung
von Kollekten müßten vom Zentrum her eingebunden werden.

Während die Mitglieder der Christopheri-Synode nur selten
den Kontakt zu Bischof D. Zänker abbrechen ließen, trennten
sich die Naumburger völlig von ihm und von den Vertretern
des Konsistoriums. Eine Notkirchenleitung wurde gebildet, die
alle wichtigen Funktionen übernahm. Ein eigenes Prüfungsamt
stellte die Eignung der Kandidaten für das geistliche Amt
fest und entsandte die Vikare in BK-Gemcinden. Da sie und
viele ihres Amtes enthobenen Pfarrer keine Gehaltsbezüge
mehr erhielten, trugen die Mitglieder der BK durch ihre Kollekten
und Opfer zum Unterhalt bei. Mehr als die Christo-
phcri-Gruppe bekamen die „Naumburger" als „Staatsfeind"
die Reaktion des Staates, zum Teil von der DC-Kirchenleitung
selbst angeregt, zu spüren: Voi-ladungen und Vernehmungen
durch die Gestapo, Prozesse, Geld- und Gefängnisstrafen, Ausweisungen
sowie anderes mehr. Auch die Zeitereignisse nach
1939 brachten keine Milderung; im Gegenteil: unter dem geltenden
Ausnahmerecht des Kriegszustandes fand man noch
mehr Gelegenheit, gegen Geistliche und Gcmeindcglieder vorzugehen
.

Dem Nein zu den staatlichen Gleichschaltungsversuchen stand
ein deutliches Ja zu innerer Besinnung der evangelischen
Kirche gegenüber, die, wie sich ja bald herausstellte, ziemlich
unvorbereitet in den Kampf gestoßen wurde. Das Bemühen
um ein neues, besseres Verständnis der biblischen Botschaft
stand an erster Stelle und brachte nicht nur Frucht in den eindrucksvollen
Gottesdiensten, sondern auch in den — bis dahin
an Auszehrung leidenden — Bibelstundcn, die sich mehr und
mehr zu Hausbibelkreisen umbildeten.

Eine besondere Bewährung bestand insbesondere die „Naumburger
BK" während der letzten Phase des Krieges in der
„Festung Breslau". Denn entgegen der Anordnung der Gestapo
verblieb u. a. Ernst Hornig in der Stadt, um, zusammen
mit katholischen Pfarrern, die 240 000 Eingeschlossenen geistlich
zu versorgen. Den Siegern blieb die tapfere Haltung dieses
Mannes nicht verborgen. Unter ihrem Schutz und später
unter polnischer Verwaltung, gleichzeitig aber auch der Polnisch
-evangelischen Kirche unterstellt, konnte sich die Evangelische
Kirche von Schlesien neu konstituieren. Erst die immer
zahlreicher vorgenommenen Aussiedlungen bereiteten ihrer
Tätigkeit ein Ende.

Da der Rez. als Student, Vikar und junger Pfarrer jene Ereignisse
unmittelbar erlebte, kann er im besonderen dem
Autor Redlichkeit der Darstellung, die jeder überhöhenden

Glorifizierung entbehrt, bescheinigen. Hier und da fehlen
auch nicht kritische Beobachtungen in bezug auf die eigene
Gruppe, aus zeitlicher Distanz angestellt. Konnte man Gerhard
Ehrenforth bestätigen, daß er sich jedweder Polemik gegenüber
der anderen Gruppe bei seiner Darstellung enthalten
hat, so gilt dies ebenso für Ernst Hornig. Denn nicht persönliche
Spannungen beschworen Distanzicrungcn herauf, sondern
fundamentale Unterschiede in der Sacheinschätzung. Daß
der Weg der radikaler denkenden Gruppe der richtige war,
hat das Ende der Naziherrschaft erwiesen. — Der Leser dieses
Buches kann teilnehmen an einer Epoche, in der nicht nur
Amtsträger, sondern in hohem Maße ebenso Gcmeindegliedcr
wieder lernten, die Geister zu scheiden und auf Gottes Verheißungen
, oft wider alle Vernunft und in großer Bedrängnis,
zu bauen.

Berlin Johanne Adler

Stasiewski, Bernhard [Bearb.]: Akten deutscher Bischöfe über
die Lage der Kirche 1933-1945. I: 1933-1934; II: 1934 bis
1935. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1968/1976]. LH,
969 S. u. XLVI, 505 S. gr. 8° = Veröffentlichungen der Kommission
für Zeitgeschichte bei der Katholischen Akademie in
Bayern. Reihe A: Quellen, Bd. 5 u. Bd. 20. Lw. DM 130.-
u. Lw. DM 110.-.

Als B. Stasiewski 1968 den ersten Band Bischofsakten vorlegte
, mochte mancher den Reiz des Sensationellen vermissen,
welcher einige Jahre lang den Debatten um Katholizismus
und Nationalsozialismus das Kolorit gegeben hatte. Wer allerdings
den überhitzten Diskussionen der frühen 60er Jahre ohnehin
mit Reserve gegenübergestanden halte, durfte in Stasiews-
kis Publikation einen Meilenstein auf dem Wege zu einer
nüchtern-kritischen und vor allem ausreichend differenzierten
Sicht der Ereignisse von 1933/34 begrüßen.

Bd. I, der die offizielle Haltung und Tätigkeit des deutschen
Episkopats von Februar 1933 bis August 1934 dokumentiert,
ist in Verbindung mit den Editionen von A. Kupper, L. Volk,
D. Albrecht u. a. mittlerweile zu einem selbstverständlich benutzten
Arbeitsinstrument der Forschung geworden. In extenso
braucht er deshalb nicht mehr vorgestellt zu werden.
Die in ihm vertretenen literarischen Genera sind vielfältig. An
erster Stelle stehen die Protokolle der Fuldaer Bischofskonferenzen
mit sämtlichen Anlagen, die Plenar-Protokolle des
bayerischen Episkopats und die Konfercnzprotokolle der Kirchenprovinzen
Köln und Paderborn. Da die Dokumentation
aufgrund der Quellenlage Einblicke in die interne Meinungsbildung
der Bischöfe nur sporadisch gewähren kann, besitzen
die persönlichen Aufzeichnungen Ludwig Sebastians von Speyer
einen besonderen Stellenwert. Gleiches gilt für die Stücke aus
den Nachlässen Gröber, Faulhaber, der Sammlung Buttmann
und aus dem päpstlichen Staatssekretariat. Blicke hinter die
Kulissen gestatten auch die Korrespondenzen zwischen Gesamtepiskopat
, den einzelnen Bischöfen wie auch den katholischen
Verbänden. Vervollständigt wird das dokumentarische
Bild durch Rundschreiben, Kundgebungen, Hirtenbriefe, bischöfliche
Eingaben vornehmlich Bertrams und Faulhabers,
aber auch anderer Bischöfe, Vcrhandlungsniederschriften,
Denkschriften und Lageberichte katholischer Organisationen.

Der Fülle der Informationen und Impulse, die der Forschung
durch die Bischofsakten vermittelt wird, entspricht die
Vielgestaltigkeit der kirchenpolitischen, politischen und seel-
sorgcrlichen Problemfcldcr, in denen sich der deutsche Episkopat
in den bewegten Jahren 1933/34 vorfand. Eine sachgemäße
Einordnung seiner Haltung kann nur im ständigen
Rekurs auf Kurie, katholische Organisationen und politischen
Katholizismus auf der einen Seite, die Religionspolitik von
NS-Staat und -Partei auf der anderen Seite erfolgen. Die Dokumentation
gibt in den Sachanmerkungen dazu manche Anregung
, ohne freilich eine Zusammenschau ernstlich intendieren
zu wollen. So konzentriert sich das Interesse von vornherein
auf die Frontlinie Episkopat — Staat (und Partei)