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Ausgabe:

1979

Spalte:

199-202

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Schriften und Briefe April 1525 bis Ende 1527 1979

Rezensent:

Fligge, Jörg

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199

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

200

gelegt, was der Leser von dem Werk zu erwarten hat und
welche Vorstellungen er schon jetzt damit verbinden darf.

Band 1 enthält Angaben zu 1109 Einzelstücken des Me-
lanchthon-Briefwechsels zwischen März 1514 und Dezember
1530. Auf den Seiten 43—456 wird uns für die entscheidungsreichen
Jahre der Reformation der junge Tübinger Humanist
genauso vorgestellt wie der um „Einigungsverhandlungen"
(432) bemühte Theologe auf dem Reichstag von Augsburg
1530. Durch sorgsam gegliederte Inhaltsangaben, Datierungen,
Hinweise auf flankierende Texte, Sacherörtcrungen und bibliographische
Anmerkungen hat man bereits im 1. Regestenband
eine Fundgrube vor sich, deren Ergiebigkeit vielen hochwillkommen
sein dürfte.

Berlin Joachim Rogge

Osiander d. Ä., Andreas: Schriften und Briefe April 1525 bis
Ende 1527. In Zusammenarb. m. G. Seebaß hrsg. v. G. Müller
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1977].
643 S. m. 30 Abb. gr. 8° = Andreas Osiander d. Ä. Gesamtausgabe
, II. Lw. DM 165.-.

In der ThLZ 102, 1977 Sp. 115-117, wurde das Erscheinen
von Bd. 1 der Osiander-Gesamtausgabe besprochen. Nunmehr
liegt Bd. 2 mit dem stattlichen Umfang von 643 S. (Bd. 1 =
608 S.) vor. Der Umfang der Gesamtausgabe wird jetzt auf 10
Bände veranschlagt, während in Bd. 1, S. 1 „mit etwa acht
Bänden" gerechnet wurde. Die Erweiterung legte sich nahe,
da während der Editionsarbeiten weitere Quellcnfunde getätigt
wurden. Das bedeutet auch, daß am Ende von Bd. 2,
S. 595—606, Quellennachträge und Berichtigungen zu Bd. 1
abgedruckt werden. Diese wurden mit a-Nummern versehen,
die dem chronologischen Ablauf der Quellenstücke in Bd. 1
entsprechen. Ebenfalls wurden „Ergänzungen zu Bd. 2", soweit
sie nach Redaktionsschluß dieses Bandes bekannt wurden, auf
S. 607—610 angefügt. Zum Zwecke aktueller Unterrichtung
sollen Nachträge jeweils im jüngsten Band publiziert werden.
Von einem „Gesamtnachtrag zur Ausgabe" sieht man ab (12).

So sehr es zu begrüßen ist, daß neuere Erkenntnisse den
Benutzern der Ausgabe schnell zugänglich gemacht werden,
so beklagenswert ist die damit verbundene Unübersichtlichkeit
, die von Band zu Band zunehmen wird. Bd. 3 wird vermutlich
Nachträge und eventuelle Berichtigungen zu Bd. 1, 2
und 3 enthalten, wobei schon in Bd. 2 Nachträge zu Bd. 1, in
Bd. 2 Nachträge zu Bd. 2 enthalten waren. Anders: Nachträge
(u. ggf. Berichtigungen) zu Bd. 1 würden in den Bd.en 2—10,
zu Bd. 2 in den Bd.en 2—10 usw. zu suchen sein. Der Benutzer
wäre also gezwungen, sich in einer Reihe von Bänden die
Nachträge und Berichtigungen zusammenzusuchen. Für die
Vergabe der a-Nummern könnte es bei späteren Funden
Schwierigkeiten geben, wenn ein Stück interpoliert werden
müßte, das chronologisch dazwischen liegt. Der Vorschlag des
Rez. wäre, bei Abschluß der Ausgabe doch einen Gesamtnachtragsband
zu erstellen, der die optimale Anordnung und Übersichtlichkeit
gewährleisten könnte. Den Subskribenten und
Käufern sollte z.Zt. ein gehefteter Nachtragsdienst als Beigabc
zum jeweiligen letzten Band mitgeliefert werden. Daß diese
Nachträge dann vorerst nicht ins Register eingehen, könnte
man angesichts der späteren Vorteile hinnehmen.

In der Einleitung zu Bd. 2, S. 12 ist „von einer Gruppe jüngerer
Mitarbeiter" die Rede, die den Herausgeber bei seiner
Arbeit unterstützte. Zwar werden die Bearbeiter der einzelnen
Quellenstücke jeweils am Kopf ihres Beitrags und im Inhaltsverzeichnis
genannt, man vermißt jedoch ein zusammenhängendes
Mitarbeiterverzeichnis zum jeweiligen Band (fehlte
bereits bei Bd. 1), das eine kurze Personalinformation zum
einzelnen Mitarbeiter bietet (z. B. N.N. cand. theol., Mitarbeiter
an der Ausgabe seit ...).

Der Einleitung wurden — wie schon in Bd. 1 — Übersichten
zur Chronologie Oslanders, Sachgliederung der Werke Oslanders
, Verzeichnis der bereits im 16. Jh. gedruckten Stücke, der
verschollenen, aber bekannten Quellenstückc sowie eine „Synoptische
Tabelle zu den Werken Osianders" beigefügt (13 bis

18). Die seiner Zeit von G. Sccbaß: Das reformatorische Werk
des Andreas Osiander. Nürnberg 1967 (= EAKGB 44) gegebenen
Datierungen wurden im wesentlichen beibehalten.
Secbaß-Werkverzeichnis Nr. 82 S. 17 (1529) wird jetzt auf
1525 (?) (= Nr. 46 S. 71ff der Ausgabe Bd. 2), Nr. 59 S. 14
(vor 15.10.1527) jetzt auf 1525 (= Nr. 66 S. 228ff der Ausgabe
Bd. 2), Nr. 45 S. 13 (nach dem 14. Nov. 1525) jetzt auf
1. Apr. 1525 (= Nr. 45 S. 66ff der Ausgabe Bd. 2) datiert. -
Das Literaturverzeichnis S. 23—47 weist die für diesen Band
ganz allgemein verwendete Literatur nach. Ein Desiderat wäre
— vielleicht im letzten Band der Ausgabe — eine Pcrsonal-
bibliographie zu Osiander. Sie sollte alle gedruckten Publikationen
zu Osiander und seiner Anhängerschaft in chronologischer
Folge nebst alphabetischem Register enthalten, begonnen
bei den Streitschriften des 16. Jh. bis hin zur jüngsten
Forschungsliteratur. Auf diese Weise würde nicht nur eindrucksvoll
ein Beitrag zur Wirkungsgcschichtc Osianders geleistet
, sondern auch für jeden Interessenten der Einstieg in
die Forschung erheblich erleichtert.

Der vorliegende Band beleuchtet die Einführung der Reformation
in Nürnberg vom April 1525 bis Ende 1527 in höchst
konkreter Weise. Aktuelle Fragen wie das Verhalten gegen
über der Obrigkeit, rechtliche Probleme wie Schwur, Stiftungen
, Bürger- und Eherecht, kirchliche Feiertage, Messen und
Zeremonien stehen an Hand Bestimmter Einzelfälle zur Entscheidung
, oft auch allgemeinen Erörterung an. Aber auch
reformatorische Kernfragen wie die Auffassung des Abendmahls
und die Bewertung des Papsttums sind Gegenstand von
Disput und Propaganda. Die hervorragende Rolle Osianders
als Berater des Rates der Freien Reichsstadt Nürnberg wird
dabei deutlich. Aus der Fülle des Materials kann nur einiges
angesprochen werden.

Wenn Osiander sich 1525 in Gutachten und Predigt zur
weltlichen Obrigkeit äußerte (Nr. 44 S. 51ff; Nr. 47 S. 78ff),
so muß man sich vergegenwärtigen, daß die Bauernunruhen
die Reformatoren zur Stellungnahme nötigten. Wieweit konnte
kirchliche Erneuerung (Reform) eine gesellschaftliche Veränderung
zur Folge haben? Und durfte eine solche Veränderung
gar revolutionären Charakter haben? Osiander stellte sich in
seinem Traktat „Ein schöner Sermon", der 1553 in Königsberg
von Hans Lufft nachgedruckt wurde, nicht auf die Seite
der aufständischen Bauern, womit er den Neigungen seiner
Nürnberger Obrigkeit entgegenkam. Auch persönlich sah sich
Osiander gezwungen, sich von den schwäbischen Bauern zu
distanzieren (Ausgabe Bd. 2, S. 81). Dennoch zeigt sich in den
Quellenstücken dieses Bandes, wie sehr die religiös-kirchliche
Erneuerung auch Konsequenzen für den öffentlich rechtlichen
Bereich mit sich brachte. — In mehreren Quellenstudien geht es
um Stiftungen (Nr. 45 S. 66ff; Nr. 49 S. 108ff; Nr. 59 S.176ff;
Nr. 67 S. 231ff). Zu diesen Stiftungen gehörte zunächst das
Stiftungskapital, das in der Regel an einen Stiftungszweck
gebunden war. Dieser konnte der Wohltätigkeit gewidmet
sein, aber auch Meßstiftungen einschließlich besonderer liturgischer
Auflagen beinhalten. Wenn nun nach Einführung der
Reformation diese Messen und kirchlichen Zeremonien nicht
mehr beachtet wurden, so stellte sich notwendig für die Angehörigen
oder Erben des Stifters die Frage, ob der Wille des
Stifters nicht längst mißachtet, der Stiftungszweck nichtig und
damit das Stiftungskapital rückforderbar sei. Für den Nürnberger
Rat bestand hier ein echtes Dilemma, war doch oft
mit den Stiftungen soziale Fürsorge wie Almosen für Arme,
Kranken- und Altenfürsorge verbunden, die unverzichtbar
blieb, da es eine staatliche „Sozialfürsorge" in unserem Sinne
damals nicht gab. Der Grat war schmal: „religiöse Mißbräuche
" auf der einen Seite, öffentliches Interesse an den
Stiftungen auf der anderen. — Ein Problem stellte weiter die
Anwendung des Eides im täglichen Leben, meist vor Gericht,
dar. Wenn auch die Anrufung der Heiligen fortan entfiel, so
hielt man doch am Gebrauch des Eides fest (Nr. 46 S. 71ff;
Nr. 65 S. 222ff; Nr. 72 S. 307ff). - Eherechtliche Fragen mußten
aus reformatorischer Sicht neu durchdacht werden (Nr. 60
S. 195ff; Nr. 71 S. 303ff; Nr. 73 S. 318ff; Nr. 77 S. 346ff; Nr. 78
S. 354ff; Nr. 82 S. 385ff). Dabei ging es um Ehebruch, elter-