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Ausgabe:

1979

Spalte:

197-199

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Regesten 1 - 1109 (1514 - 1530) 1979

Rezensent:

Rogge, Joachim

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197

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

IIIS

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Scheible, Heinz [Bearb.J: Melanchthons Briefwechsel. Kritische
und kommenlierte Gesamtausgabe, im Auftrag der Heidelberger
Akademie der Wiss. hrsg. I: Regesten 1-1109 (1514
bis 1530). Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog
1977. 456 S. gr. 8°. DM 195.-.

Was wir hier vor uns haben, verspricht d i e kritische und
kommentierte Gesamtausgabe des Briefwechsels Melanchthons
zu werden, deren Notwendigkeit seit langem erkannt und
deren Vorbereitung seit etwa anderthalb Jahrzehnten gefördert
worden ist. Angeregt und — zu dessen Lebzeiten — begleitet
von Heinrich Bornkamm, unterzieht sich Heinz Scheible,
der des öfteren seither Einschlägiges vorausweisend publiziert
hat, im Auftrage der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
der wichtigen Aufgabe, den Bestand zu sammeln, zu
sichten und unter Zuhilfenahme moderner Hilfsmittel (u. a.
auch der Computer-Technik) zu edieren.

Das Gesamtcorpus des Briefwechsels ist in fünf Reihen auf
etwa 82 Großoktavbändc veranschlagt. In Aussicht genommen
sind (I.) sieben Bände Regesten, (II.) zwei bis drei Bände
Register, (III.) zwei bis drei Bände Handschriftenkatalog, (IV.)
ca. 35 Bände Brieftexteedition und (V.) ca. 35 Bände separat
gedruckter Kommentar zu den vorgelegten Quellen.

Es ist schlechterdings bewunderswert, mit welcher Sorgfalt
und Gründlichkeit das schon von seinem Gegenstand her bedeutsame
literarische Unternehmen in Angriff genommen
worden ist. Da sich Melanchthons Lcbensleistung zu einem
hervorragenden Teil durch die Beachtung seiner immensen
Korrespondenz erschließen läßt und der Pracceptor Germans
ac ganz allgemein in der Verzweigtheit seines Wirkens
immer größere Bedeutung bei den Erben der Reformation gewinnt
, sind Arbeitsinstrumente erforderlich, die einen sachgemäßen
Zugang zu dieser Welt ermöglichen. Sie wurde in einer
guten bilingual (deutsch und englisch) abgefaßten 24seitigen
Beilage zum ersten Band folgendermaßen umschrieben: „Melanchthons
grundlegender Anteil an der reformatorischen
Theologie sowie an der kirchlichen und politischen Behauptung
des Protestantismus ist letztlich unabsehbar: so sehr begleitet
sein Einfluß unmittel- oder mittelbar nahezu alle wesentlichen
Entwicklungsschritte jener Bewegung aus Wittenberg
, deren europäische Bedeutung nicht zuletzt dadurch erst
ermöglicht wurde, daß der Größe von Luthers revolutionierenden
Glaubenseinsichten die Stringenz von Melanchthons
humanistischer Theologie zur Seite stand." (S. 2 der separat
gedruckten Beilage)

Im Bewußtsein obiger Einschätzung hat sich der Herausgeber
und Bearbeiter ans Werk gemacht. Und er beginnt seine
großangelegte Ausgabe — ungewöhnlich genug — mit einem
Regestenband! Die Begründung dafür wird einleuchtend gegeben
: „Melanchthons Gewohnheit, Privatbriefe meistens ohne
Jahr und oft ganz ohne Datum zu verschicken, macht die
Datierung nach inneren Kriterien erforderlich. Das bedeutet,
daß das sachliche Verständnis jedes Briefes erarbeitet werden
muß, bevor die chronologische Liste erstellt werden kann. Vor
der Edition muß deshalb der Kommentar wenigstens in Grundzügen
entworfen werden. Um die Ergebnisse dieser notwendigen
Vorarbeit der Fachwelt möglichst bald zugänglich zu
machen, wurden sie in die Form von erläuternden Inhaltsangaben
gebracht. Diese ,Regesten' werden als integrierender
Bestandteil der Gesamtausgabe zuerst publiziert und durch
Register erschlossen. Damit wird vor Beginn der Textedition
der Überblick über den gesamten Bestand ermöglicht. Die
Verzeichnung der Handschriften und Drucke kann dann auf
die laufenden Nummern Bezug nehmen, die für Regest, Text
und den ausführlichen Kommentar identisch sind." (27)

Scheible hat das methodische Vorgehen bei seiner Edition,
die insgesamt etwa 9 200 Einzelstücke — davon mehr als 700
ungedruckte — umfassen wird (26), so überzeugend abgewogen
, dazu auch die Stellungnahme „einer großen Zahl von
Fachkollegen" (41) eingeholt und sich die Konsullationsmög-
lichkeit einer seit 1972 bestehenden einschlägig verantwortlichen
Kommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
gesichert, daß man nur mit großer Erwartung dem
Fortgang des Unternehmens entgegensehen kann.

Eine Rezension des ersterscheinenden Bandes kann nicht
umhin, die avisierten Konturen der ganzen Ausgabe mit bekanntzumachen
. Grundlage dafür ist die bereits genannte
Beilage, die das geplante Werk ausführlich vorstellt.

1. Editionslage: „Die bisherigen Instrumentarien sind längst
unzulänglich geworden" (S. 7 der Beilage); diese Notiz bezieht
sich auch auf die zehnbändige Briefeedition im Corpus
Reformatorum aus den Jahren 1834—1842 von Karl Gottlieb
Bretschneider. Damals war weder Vollständigkeit erreicht
worden noch sind die angewandten Editionsprinzipien heute
weiterhin akzeptabel.

2. Die neue Ausgabe ordnet chronologisch. Sie bringt an
Textbestand über 30% mehr als Bretschneider. Briefe von und
an Melanchthon sind aufgenommen, dazu Gutachten, Quittungen
oder andere Urkunden, persönliche Empfehlungsschreiben,
Ordinationszeugnisse und Briefgedichte. Gegenüber vorangegangenen
Editionen sind Datierungs- und andere Korrekturen
in großer Zahl erforderlich.

3. Die Abteilungen.

3.1. Die Regesten: Diese bieten unerläßliche Informationen
zum Verständnis der Briefinhalte. Sie sind „sowohl ein Extrakt
des Textes als auch ein Paraphrasenkommentar" (S. 12
der Beilage).

3.2. Die Register: Personen, Orte, historische Ereignisse und
„Themen des geistlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen
Lebens der Zeit" (S. 15 der Beilage) machen eine
registermäßige Erschließung wünschenswert. So wird weit über
biographische Melanchthon angehende Erhebungen hinaus ein
zuverlässiger Einblick in reformationsgeschichtliche Gesamtzusammenhänge
erreicht. Die Register werden auf der Basis
der Regesten erarbeitet. So wird mehr und mehr ein sinnvolles
Editionsensemble sichtbar.

3.3. Der Handschriftenkatalog: Dieser verzeichnet alle
Autographen und Abschriften der Briefe und Schriften des
Reformators (S. 18 der Beilage) und auch der an ihn gerichteten
Briefe. Somit wird eine wichtige Vorarbeit für eine
künftige historisch-kritische Mclanchthon-Gesamtausgabe geleistet
.

3.4. Die Edition: Hier werden die Ausgabeprinzipien angegeben
, die dem neuesten Stand der Editionspraxis entsprechen
. An diplomatischer Wiedergabetechnik und harmonisierender
Textidealität vorbei wird eine Textkonstitution erstrebt
, die ein Höchstmaß an Genauigkeit für die Erhebung
des Textverständnisses darstellt. Die Aufzählung der Kriterien
(S. 20 der Beilage) wird mit Angaben für die Gestaltung des
kritischen Apparates verbunden.

3.5. Der Kommentar schließlich ist für jeden Band separat
vorgesehen. Unter Voraussetzung der Regesten werden hier
Zitate verifiziert, Einzelfragen erörtert, der jeweilige Forschungsstand
— unter Einschluß der Bibliographie — zu Ein-
zclgegenständen gekennzeichnet und weitergeführt. „Beiakten
" (S. 23 der Beilage) werden erforderlichenfalls mitabgedruckt
. Die Stoffe aus früheren Ausgaben werden berücksichtigt
.

Bei so großen Editionsvorhaben ist die Erscheinungsweise
wichtig. Die Abteilungen I bis III (siehe oben) werden „mit
jährlich einem Band erscheinen" (S. 24 der Beilage), Abteilung
IV soll dann mit jährlich zwei Bänden folgen. Man kann
allen an der Ausgabe Beteiligten und allen Interessierten an
der weiteren zuverlässigen Erhebung der Reformationsgeschichte
nur wünschen, daß die Vollendung des Geplanten
der Präzision in der Konzeption und der Akribie des im
ersten Band nun schon Sichtbaren entspricht.

Scheible gibt auf den Seiten 17—41 des von ihm verantworteten
ersten Bandes eine Einleitung, die die Herausgabeschicksale
der Melanchthon-Korrespondcnz, Bemerkungen zur Abgrenzung
des Inhaltes und zur ganzen Vorlage der beabsichtigten
Ausgabe sowie Angaben zu den Entstehungsbedingungen
der Edition enthält. So ist in ansprechender Weise offen-