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1979

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

L96

lieh in die Provinz. Parusieverzögerung hat Lukas nicht beunruhigt
, schon Jesus erwartete eine unbestimmte Zwischenzeit vor
der Wiederkehr. Das zu vertreten ist Gasques Recht, daß er es
deutlich sagt, ist ausgezeichnet; auch hat die Gegenseite den
konservativen Standpunkt oft nicht genug gewürdigt. Aber
das ist kein Grund, sie so grimmig abzubürsten, wie Gasque
es tut. R. B. Rackhams Kommentar, 1901, wird milde getadelt,
weil sein Lukas so anglikanisch aussieht; „still, it remains one
of the great English commentaries" (131). Haenchen wird ob
des gelehrten Details gepriesen; im übrigen gibt ihm Gasque
noch ein gutes Jahrzehnt, dann wird er nur noch forschungsgeschichtlich
interessant sein, weil sich herausgestellt hat, „that
the commentary of Haenchen is as tendentious and ultimatcly
as unhistorical as he thinks the author of the Book of Acts
was" (244). Nicht nur er. Wilckens ist „arbitrary" (230 A. 82),
H. Conzelmanns Kommentar ist „only barcly intclligible to the
expert" und „extreme in its views and arbitrary in its cri-
ticism" (248f). Ph. Vielhauer, Zum „Paulinismus" der Apg,
EvTh 10, 1950/51, 1—15, kriegt als erstes zeilenlang vorgehalten
, daß er im dritten Satz, man denke, Dibelius' Auffassung
der Actareden für allgemein anerkannt erklärte (284), und ist
insgesamt „füll of unwarranted assumptions, question-begging
exegesis, and false inferences" (287). Kurz und klein: wer
anders denkt, steht unter Ideologieverdacht, liest lieber Schultradition
als Quellen, nimmt Gegenargumente nicht ernst, isoliert
sich von der Altertumswissenschaft, schreibt tendenziös
und gibt die Meinung einer kleinen radikalen Minderheit für
anerkannte Forschungsergebnisse aus. Das geht schon seit
F. C. Baur so. Bei ihm fing Spekulation an, die Exegese zu
überwuchern, und obwohl seine Geschichtskonstruktion bald
widerlegt war, wirkt er bis heute. Beneidenswert, wer frei
davon, die in F. F. Bruce gipfelnde angelsächsische Tradition
nämlich. Poetic justice: Gasques meist überflüssige griechische
Zitate wimmeln von Druckfehlern, während das Buch sonst
gut produziert ist (215 lies „Situation" für „Solution").

Wem gruselt, der sieht manchmal nicht gern hin. Dibelius,
Stilkritisches zur Apg, Gunkel-Festschrift 1923 (= Aufsätze zur
Apg, 1951, 9—28), wird vorwurfsvoll gefragt, warum er über
Geschichtlichkeit erst nach Stilkritik reden will und nicht auf
Ramsay, Harnack, Wikcnhauser und Meyer eingeht (207 —
für oder wider Stilkritik bezeichnenderweise kein Wort). Aber
der einschlägige Band von E. Meyer, Ursprung und Anfänge
des Christentums III, 1923 (= 1962), war kaum schon erschienen
, A. Wikenhauser, Der Geschichtswert der Apg, 1921,
eben erst und Dibelius womöglich noch unbekannt. „The
unique feature of the speeches of Acts in contrast to the
speeches in the writings of the ancient historians is the fact
,dass sie mit dem erzählenden Text nicht in allen Punkten
übereinstimmen, sondern ihn ergänzen, bisweilen nicht ohne
eine gewisse Korrektur' ([Aufsätze] 151)" (223); aber Dibelius
zitiert antike Parallelen. „Conzelmann seems to assume
that Mark was Luke's only source ... The material that is
peculiar to the Third Gospel ... seems to have come out of
Luke's head" (294); dann ist Die Mitte der Zeit, 1954 (61977),
nicht von Conzelmann, sondern einem Mann gleichen Namens.
M. Rese, ThRv 72, 1976 Sp. 375-377, hat mehr gefunden.

3. Das alles kommt daher, daß der Vf. der ersten Acta-
forschungsgeschichte seltsamerweise kaum historischen Sinn
hat. Das Buch ist mehr Doxographie als Geschichte, die doxai
werden eher positivistisch beschrieben als verständlich gemacht
, und gewichtet werden sie allein nach Falsch und
Richtig. Darum gelten Anreger weniger als Ausarbeiter (56).
Darum stehen Forscher einander gegenüber wie Prozeßpar-
teien (244). Darum ordnet Gasque den einzelnen ein, indem
er Ähnlichkeit oder Abhängigkeit von Ergebnissen zeigt, und
kümmert sich wenig um Entwicklung und Wirkung oder den
Platz im Gesamtwerk. Dibelius kommt aus dem Nichts, muß
er wohl auch, wenn man Quellenkritik fast ganz ausläßt, eingeführt
nur durch zweifelhafte Sätze über Formgeschichte
(„The goal is to determine ... the Sitz im Leben (,life-setting')
of the individual pericopae and sayings in the life of the early
Church and/or the ministry of Jesus", 201). Am Ende wird er
zu Baur in Parallele gesetzt, u.a. als Schulhaupt: „Baur found-

ed a small but influential school of biblical Interpretation;
Dibelius (with less direct intention, perhaps) did, in effect,
the same" (234). Aber Dibelius hat Schule gemacht, keine gegründet
. Er hat überhaupt mit Zeitzünder gewirkt, und im
wesentlichen literarisch, nicht über persönliche Schüler. Haenchen
gilt methodologisch als sein Vollender, mit Recht; aber
er war nach eigenem Zeugnis ein Autodidakt höherer Ordnung
, und sein kompositionsgeschichtlichcr Scnsus dürfte unter
anderem gerade daher kommen, daß er weder Schüler noch
überhaupt gelernter Neutestamcntler war, sondern als fertiger
Systematiker an die Apg geriet. Überindividuelles fällt bei Gasque
überhaupt aus. Daß Forschung in theologie- und geistesgeschichtlichen
Kontexten stattfindet, die ihrerseits durch realgeschichtliche
Faktoren von Weltkriegen über kirchliche und
außerkirchliche Ansprüche bis hin zu Universitätsstruktur und
Fakultätspolitik mitbestimmt werden, daß zum Beispiel in
Deutschland die Bibel schon deswegen anders erforscht wird
als in England, weil hier die Reformation anders war — keine
Rede davon, außer in gelegentlichen Nebensätzen.

Forschung betrachtet als Konservenproduktion, dargestellt
nach Maßstäben der Stiftung Warentest oder des Better
Business Bureau. Das ist nicht unnütz, wäre es jedenfalls
nicht, wenn ein ausreichender Satz Maßstäbe benutzt würde;
selbst Tomatensuppe in Dosen läßt sich unter anderem auch
als ästhetischer Gegenstand würdigen. Nur: Geschichtsschreibung
entsteht so nicht.

Heidelberg Christoph Burchard

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