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Ausgabe:

1979

Spalte:

193-196

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Gasque, Ward

Titel/Untertitel:

A history of the criticism of the Acts of the Apostles 1979

Rezensent:

Burchard, Christoph

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Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

194

Spuren einer Frühform des apostolischen Glaubensbekenntnisses
in den neutestamentlichen Schriften. Klaus Klicsch ist —
von seiner theologischen Herkunft bestimmt — der Faszination
des hcilsgeschichtlichen Crcdos erlegen. Der zu seiner Demonstration
gewählte Gegenstand ist jedoch so wichtig, die mit
großer Umsicht und Vollständigkeit herangezogene Literatur
erweist ihn so sehr als Schwerpunkt aktueller Diskussion, daß
diese nach Wilckens und Kränkl dritte große Monographie über
die Acta-Redcn ihren Platz behaupten wird, auch wenn man
sich von der Grundthese des Vf. nicht zu überzeugen vermag.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

* Die Missionsrcdcn der Apostelgeschichte. Traditionsgcsthichtlichc Untersuchungen
, WMANT 5, '1975 (Rcz. d. 1. Aufl. ThLZ 87, 1962 Sp. 840-8« v.
G. Delling).

Jesus der Sohn Gottes. Die hcilsgeschichtliche Stellung Jesu In den
Reden der Apostelgeschichte, BU 8, 1972 (Rcz. ThLZ 99, 1974 Sp. 185-188
v. U. Wilckens).

3 vgl. dessen Bemerkungen in seiner Neuleslanicntlichcn Mcthodcnlehrc
(Lizenzausgabe Leipzig 1967) S. 254f.

* Eine 56 Stellen umfassende Ubersicht der alttcstinncntlichcn und früh-
indischen .Parallelen* nach Form und Inhalt (die freilich Gebete, Bclspiel-
^.immlungen u. ä. einschlicht) findet sich S. 54-58.

Gasque, Ward: A History of the Criticism of the Acts of the
Apostles. Tübingen: Mohr 1975. X, 324 S. gr. 8° = Beiträge
zur Geschichte der biblischen Exegese, 17. Lw. DM 56.-.
Amerikanische Ausgabe mit Übersetzung der lateinischen,
französischen und deutschen Zitate im Anhang: Grand
Rapids, Michigan: Ecrdmans. 1975, XI, 344 S. $ 20.

Einen Schweitzer der Actaforschung hat es bisher nicht gegeben
, wie Gasque mit E. Haenchcn, Die Apostelgeschichte,
"1961, 13 A. 2 (= ,51968), feststellt, ohne partiellen Vorgängern
Unrecht zu tun (vor allem A. J. Mattill, Luke as a Historian in
Criticism since 1840, Diss. Vanderbilt Univcrsity 1959). Die
Lücke soll jetzt gefüllt werden, freilich nicht so dicht, wie E.
Gräßcr es gerade für die letzten 15 Jahre getan hat (Acta-
Forschung seit 1960, ThR 41, 1976, 141-194.259-290 ; 42, 1977,
1—68). Das wäre für die ganze Strecke weder zu schaffen noch
zu genießen. Gasque gibt „a dctailed aecount of a limited
number of key writings" bis etwa 1969, als er mit der Arbeit
bei F. F. Bruce in Manchester promovierte (2f). Sie ist darum
nicht auch Bibliographie; wer eine Bibliothek in der Nähe hat,
nimmt dafür A. J. Mattill - M. B. Mattill, A Classified Biblio-
graphy of Litcraturc on the Acts of the Apostles, 1966, und als
Ergänzung Gräficr. Außerdem sollen Quellenanalyse und Textkritik
zurücktreten, diese aus Mangel an Kompetenz, jene mit
Hinweis auf J. Dupont, Les Sources du Livre des Actes, i960;
The Sources of Acts, 1964. Hervorheben möchte Gasque die
internationale und interkonfessionelle Ausdehnung und die
Mcinungsvielfalt der Forschung (mit Ton auf der fälschlich oft
als Minderheit betrachteten konservativen), bekennt freilich
katholische Lücken (4 A. 17). Tatsächlich erfährt man nichts
über allfallsigcs Interesse an Acta außerhalb der protestantisch
geprägten oder wie z. B. Frankreich mitgeprägten Länder
Europas und Nordamerikas.

Die zehn Kapitel sind nicht nach Methoden, Einzelpro-
blemcn oder Perikopen abgeteilt, sondern außer im ersten und
letzten teils nach Forschergruppen mit ähnlichem Geschichtsbild
, teils lokal. Globale Epochen mit Sachüberschriften (. .. der
Tendenzkritik, der Quellenkritik u. ä.) hält Gasque mit Recht
für problematisch. Jedes Kapitel besteht aus einer Kette von
Rezensionen mit abschließendem Gesamturteil, in der Regel
außer bei Forschern wie Harnack, Dibelius, Cadbury, Haenchcn
ein Buch pro Mann und nur die wichtigsten Männer (im folgenden
in Klammern; Scitcntitel danach gemacht wie bei
Schweitzer würden blättern helfen).

Ii Pre-critical Study of the Book of Acts (Calvin, Grotius, J.
Lightfoot, Bengel, Paley). — II: Tendenzkritik: F. C. Baur and
the Tübingen School (Michaelis, de Wette, Baur, Schräder,
Schncckenburger, Schwegler, Zcllcr). - III: The Critics of the
Tübingen Reconstruction (H. A. W. Meyer, Ncandcr, Tholuck,
Ritsehl, Lcchler, Baumgarten, Lckebusch). — IV: Radical Des-
cendants of the Tübingen School (B. Bauer, Renan, Overbeck,

van Manen, Schmiedel). - V: German Criticism at the End of
the Century (Blass, Jülicher, J. Weiß, Wendt). - VI: Ninetecnth
Century British Work on Acts (J. Smith, Alford, Conybeare-
Howson, Cassels, J. B. Lightfoot, Farrar, Hobart, Page, Turner,
Hawkins, Knowling, Rackham). - VII: Luke the Historian
Defendcd (Ramsay, Zahn, Harnack, Wikenhauscr, E. Meyer). —
VIII: The American Contribution (Torrcy, Foakes Jackson-
Lake: Beginnings of Christianity, Cadbury, Easton, J. Knox). —
IX: The Influence of Martin Dibelius (Dibelius, Haenchcn,
Conzelmann: Apg.). — X: Luke the Historian and Theologian
in Recent Research (W. L. Knox, Bruce, C. S. C. Williams, Mor-
genthaler, Trocme, Munck, Mattill, Dupont, Shcrwin-White,
Hanson, Vielhauer, Conzelmann i Mitte der Zeit, Reicke, Winn,
van Unnik, O'Neill, W. C. Robinson, Flender, D. P. Füller, R. R.
Williams, Talbert, Schubert-Festschrift). Es folgt XI: Epilogue
mit fünf kurzen Bemerkungen. 1. Die Geschichte der Kritik ist
auch eine ihrer Irrtümer; gerade die Kritischsten haben oft nur
die Vorurteile der Kritisierten durch eigene ersetzt (Tübingen).
2. Die haltbarsten Beiträge kamen von denen, die den Kontakt
mit der Altertumswissenschaft suchten (nach E. Meyer kaum
noch in Deutschland) j dieser Weg führt weiter. 3. Exegese ist
nötig, nicht Spekulation über Lukas' Lage oder Absichten. 4.
Nur wenige Forscher sehen, wie schwierig und komplex ihre
Aufgabe ist; in einem Satz lassen sich weder der Zweck der
Apg. noch ihr Geschichtswert aussagen. 5. Hauptgewinn der
neueren Forschung ist, daß Lukasevangelium und Apg. als Einheit
behandelt werden müssen, ein weiterer, daß Lukas auch
Theologe ist, ohne darum weniger Historiker zu sein; um den
Theologen wird es künftig stärker gehen.

Man erfährt bei Gasque ungekannte Namen, erinnert sich
an bekannte, die man gelesen hat oder hätte lesen sollen,
macht sich neu klar, wie sehr das 20. Jh. mit den Pfunden des
19. wuchert. Der wichtigste Eindruck: es gab und gibt nicht
eine Actaforschung, sondern mehrere, die durch Schule, Fakultät
, Konfession, Sprache, Nationalität in Grenzen gehalten
werden, wobei sich jede gemäß dem Pathos neuzeitlicher
Wissenschaft gern für die ganze hält.

Aber:

1. Gasque nimmt den Gcschichtswcrt der Apg. als Hauptthema
. Das ist nicht falsch, zumal aus angelsächsischer Perspektive
. Aber es herrscht zu sehr vor. „The Stygian darkness
of source criticism" (96) durfte dank Dupont kurz behandelt
werden, aber so kurz? Überhaupt ist die Arbeit an der Apg.
als Literatur unterbelichtet. E. Norden, Agnostos Theos, 1913
C'1956) wird nicht dargestellt, P. Wendland, Urchristlichc Literaturformen
, 1912 (Haenchcn 30: »das vielleicht Beste, was
vor dem Ersten Weltkrieg über die Apg geschrieben worden
ist") nicht erwähnt. G. Schilles Name, so bestreitbar die Neuansätze
in Anfänge der Kirche, 1966; Die urchristliche Kollc-
gialmission, 1967, sein mögen, kommt gar nicht erst vor. Auch
U. Wilckens, Die Missionsreden der Apg., 1961 (31973) ist für
mehr als eine grämliche Fußnote unter Dibelius (230 A. 82)
gut. Mager ist das Gegenwartskapitel. Kurze Artikel von B.
Rcickc, A. C. Winn, R. R. Williams ja, ein jedenfalls hierzulande
einflußreiches Buch wie G. Klein, Die zwölf Apostel,
1961, und ein so um die Geschichte bemühter ganzer Autor wie
W. Schmithals (zu Apg. besonders Paulus und Jakobus, 1963)
nein? Hier wäre es besser gewesen, die Rezensionskette zu
brechen und stattdessen einen Überblick über die Forschungsexplosion
der letzten Jahre (schon als solche ein neues historisches
Phänomen) mit ihren Tendenzen und Schwerpunkten
zu geben.

2. Gasque weiß, wo er steht. Lukas ist Lukas, schrieb vor
Paulus' Tod, Augenzeuge für das meiste, Benutzer guter Überlieferung
für den Rest einschließlich der Reden, historisch fast
überall als verläßlich erwiesen. Er hatte mehr als einen
Zweck, aber ein wichtiger heißt „History of Christian Ori-
gins", zweiter Band (3). Der lukanische Paulus ist kein anderer
als der Briefschreiber, zumal der nicht existentialistisch-
luthcrisch vereinseitigt werden darf. Beide sind komplementär
zu lesen. Ebenso passen die historischen Nachrichten beiderseits
zusammen, auch Apg 15 zu Gal lf, denn Gal 2,1 ff entspricht
Apg 11, 27ff und der Brief wurde vor Apg 15 geschrieben, natür-