Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1979

Spalte:

189-191

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Annen, Franz

Titel/Untertitel:

Heil für die Heiden 1979

Rezensent:

Suhl, Alfred

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

I S!)

Theologische Literaturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

L90

Kap. 4 stützt die These durch den Abbau des Gedankens, in
den matthäischen Vorgeschichten sei eine andere Methode als
sonst im Evangelium befolgt worden. In Wirklichkeit ist die
Vorgeschichte genau wie das übrige Evangelium a composition
aus mehreren sources (170). Übergeht man die Genealogie,
sind die übrigen Stücke (Josephs-Traum, Magier-Erzählung,
Flucht nach Ägypten, Kindermord, Rückkehr aus Ägypten) ähnlich
wie der Evangelienschluß geordnet (173), indem weitere
Erzählungen in den Josephs-Kreis eingebaut worden sind. Die
Redaktion ist an den Einlcitungssätzen ablesbar (176ff). Die
Vorgeschichten sind also nicht um die formula quotations
herum komponiert. Sie werden vielmehr durch diese theologisch
aufgeschlossen. Das heißt: Sic haben eine Traditionsgeschichte
!

Kap. 5 sucht, diese Traditionsgeschichte aufzuhellen. Prabhu
erarbeitet drei sources: die dreiteilige Josephs-Traum-Erzählung
(A), deren ältester Teil der mittlere (Flucht nach Ägypten)
und jüngster der erste Teil gewesen sei (an apologetical legend
■.. designed to refute calumnies about the birth of Jesus
arising from the doctrine of his virginal coneeption, 296), an
dem sich besonders das „Ausführungsschema" ausgewirkt habe;
eine kleine Magier-Legende (B), Mt 2,9b—12 (die Einleitungsmotive
sind jetzt hinter 2,lff zu suchen), und der zweiteilige
Herodesstoff (C) mit dem Kindermord, den der Evangelist in
source B eingelagert habe (292). Bei dem letzteren handle es
sich um an unformed oral tradition und sachlich um a close
Imitation of a Standard haggadah about the infancy of Moses
(298). Da5 die Vorgeschichten in einer längeren Traditionsgeschichte
gewachsen sind, wird man zugestehen. Doch rechnet
diese Untersuchung hier noch zu rasch mit Motiv-Feldern, statt
sich die formgeschichtlichen Einzelfragen Schritt für Schritt vorzulegen
. Schließlich müßte doch für jede einzelne Etappe
(Schicht) die Frage nach dem Sitz im Leben, der Form (Gibt es
unformed oral tradition überhaupt?) und dem dadurch befriedigten
Gemeinde-Interesse bedacht werden. Hier wäre es besser
gewesen, mit dem Hinweis auf die Tiefendimension abzubrechen
, statt sich in das Dickicht der so rasch nicht zu lösenden
traditionskritischen Fragen zu begeben.

Gefreut hat mich die Kennzeichnung einiger älterer Aufstellungen
mit „paralellomania" (sie, S. 8). Auf S. 44 bekennt sich
Prabhu zu der Einsicht, die in der Redaktionsgeschichte in Vergessenheit
zu geraten droht, daß both „horizontal" and „ver-
tical" analysis is necessary. Druckfehler sind selten; vermerkt
sei jedoch die seltsame Abteilung „midras-chartig" auf S. 14.

Wenn dies Buch aus dem Für und Wider der Zuordnung alt-
testamentlicher Zitate zu schriftlichen Vorlagen herausgeführt
hätte, hätte es uns einen Schritt vorangebracht. Man wünschte
sich daher, daß es überall beachtet wird, wo künftig die neu-
testamentlichen Zitate aus dem Alten Testament behandelt werden
.

Leipzig Cottfried Schille

Annen, Franz: Heil für die Heiden. Zur Bedeutung und Geschichte
der Tradition vom besessenen Gerasener (Mk 5,1-20
parr.). Frankfurt/M.: Knecht 1976. VII, 253 S. 8° = Frankfurter
theologische Studien, 20. Kart. DM 44.-.

Dieser im Jahre 1974 von der Biblischen Fakultät des Päpstlichen
Bibelinstituts in Rom angenommenen Dissertation geht
RS um den Nachweis, daß die vormarkinische Tradition vom
besessenen Gerasener auf einen tatsächlich vollzogenen Exorzismus
Jesu (sehr wahrscheinlich in der Gegend von Gerasa,
zumindest aber an einem Gerasener) zurückgeht und in der
Auseinandersetzung innerhalb der judenchristlichen Kirche von
hellenistisch-judenchristlichen Kreisen zur Legitimierung der
Heidenmission ausgestaltet wurde. Der Untertitel ist insofern
irreführend, als Vf. neben der Bedeutung, welcher der Haupt-
U'il der Untersuchung gewidmet ist, nicht etwa die Geschichte
der Tradition, sondern in einem kurzen Kapitel (191—197) mit
sehr ausgewogenem Urteil deren Historizität untersucht. Zwar
beschränkt er sich im wesentlichen auf die vormarkinische

Tradition, doch werden die Redaktionen durch die drei Evangelisten
im synoptischen Vergleich berührt und in Exkursen am
Schluß der Arbeit behandelt, wo sich auch zur Entlastung der
Darstellung je ein Exkurs mit dem Problem der Lokalisierung
der Perikope und der Hypothese einer vormarkinischen Sammlung
Mk 4,35—5,43 befaßt, wobei Vf. zu einem negativen Urteil
kommt (201-217).

Die Untersuchung ist übersichtlich und überzeugend gegliedert
. Ein 1. Teil gilt der Literarkritik (7-74). Ein kurzer
Abriß der Geschichte der historisch-kritischen Methode rechtfertigt
die Fragestellung (7—9). Sodann wird das Problem der
Perikope entfaltet (9—11) und auf diesem Hintergrund in
einem sehr instruktiven und wohltuend knappen Abschnitt von
einigen markanten Lösungsversuchen berichtet (11—18) und
das Ergebnis in einem kurzen Abschnitt „Forschungslage" übersichtlich
zusammengefaßt (18f). Nach diesem Vorspann zeigt
1.) ein sorgfältiger synoptischer Vergleich, der sich auf die wesentlichen
Fragen konzentriert, daß trotz prinzipiell möglicher
Fragen an die Zwei-Quellen-Hypothese auch im vorliegenden
Fall Mk die einzige Quelle sowohl für Lk als auch für Mt war
(21—38), und 2.) führt eine sorgfältige Scheidung von Tradition
und Redaktion bei Mk zu dem Ergebnis, daß es sich bei der
vorliegenden Perikope weder um eine Komposition des Mk
noch um eine völlig unverändert aus der Tradition übernommene
Überlieferung handelt, der Evangelist vielmehr auch hier
eine traditionelle Erzählung mit eigenen Akzenten versehen
hat (39—72). Besonders in diesem Abschnitt bestechen die Umsicht
des Vf. und die Bedachtsamkeit seines Urteils, die überhaupt
die ganze Arbeit auszeichnen. An keiner Stelle wird der
Leser über den Grad der erreichbaren Sicherheit im unklaren
gelassen. Das ausgeprägte Methodenbewußtsein des Vf. zeigt
sich in der Ablehnung einer Literarkritik der vormarkinischen
Erzählung, für die bis zu vier unterscheidbare Stufen
postuliert wurden, denn „literarkritischc Methoden sind nur
auf die schriftliche Gestalt der Erzählung anwendbar. ... Mag
es um die Einheitlichkeit von Mk 5,1—20 bestellt sein, wie es
will, auf literarkritischer Ebene jedenfalls läßt sich
nach Ablösen der Redaktion von der vormk Erzählung kein genügender
Anhaltspunkt für eine weitere Schichtung dieser traditionellen
Erzählung finden. Vermutungen und Konstruktionen
, die eine in sich plausible literarische Entwicklungsgeschichte
der Perikope ergeben, sind zu subjektiv, als daß sie
in den Bereich der Wissenschaft gehören" (72—74). Auch die
weitere Untersuchung führt zu dem Ergebnis, daß sich keine
sekundären Einschübe in der vormarkinischen Tradition nachweisen
lassen, wenn auch nicht alle Einzelheiten historisch
sind.

Auch der 2. Teil (75—200) wird wiederum sehr einleuchtend
mit einer Präzisierung der Aufgabenstellung eingeleitet (77f).
„Die leitende Frage muß sein: Wie mußte ein damaliger Hörer
der Geschichte diese verstehen? Die angewandte Methode hat
daher den Anschauungshorizont, den sie voraussetzt, herauszuarbeiten
. Dafür genügt die formgeschichtliche Methode nicht,
weil sie zu sehr im Formalen bleibt. Auch die Analyse einzelner
Motive ist zu schmal und partikulär. Vielmehr muß versucht
werden, einen ganzen Horizont zu finden, auf dem die Erzählung
verstanden werden kann. Dabei sind allerdings Form- und
Motivgeschichte unentbehrliche Instrumente" (78). Nach einem
wiederum sehr informativen und übersichtlichen Überblick über
die Forschungsgeschichte (79—101) werden in einer sehr gründlichen
Einzeluntcrsuchung 1.) die Form (103—110), 2.) die Gattung
(111-132), 3.) der Anschauungshorizont (137-184), 4.) die
Bedeutung (185f), 5.) der Sitz im Leben (187-190) und 6.) die
historische Frage (191—197) behandelt und das Ergebnis noch
einmal übersichtlich zusammengefaßt (199f). Dabei wird die
Unterscheidung von Form und Gattung in Anlehnung an
W. Richter (Exegese als Literaturwissenschaft. Entwurf einer
alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie, Göttingen
1971) damit begründet, daß die Form die individuelle
Struktur eines Einzeltextes ist, während die Gattung eine Abstraktion
ist (78). Wie notwendig und hilfreich diese Unterscheidung
ist, zeigt Vf., nachdem er die Form der vorliegenden
Perikope eingehend beschrieben hat, in der Auseinander-