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Ausgabe:

1979

Spalte:

185-187

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Smallwood, Edith Mary

Titel/Untertitel:

The Jews under Roman rule 1979

Rezensent:

Delling, Gerhard

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185

Theologische Litcraturzeitung 104. Jahrgang 1979 Nr. 3

I 86

trauen auf das eigene Vermögen oder aber auf den zwangsläufig
einsetzenden Beistand Gottes. Unethisches Verhalten
wird besonders im Streben nach Besitz bzw. Macht und nach
Lust sichtbar. Es führt zur willentlichen Preisgabe der «Gesetze
der Väter"-. Sittlicher Niedergang und Abfall ziehen Tyrannei
nach sich (exemplarisch dafür Elis Söhne).

In c. V fragt A. dann speziell nach Beziehungen der deutenden
und beurteilenden Darstellung der Geschichte in ant 1—10
zur Literatur der Zeit. Der deuteronomistische Vergeltungsgedanke
spielt auch im Geschichtsverständnis der ant bibl eine
besondere Rolle. Die Durchführung des Themas der wunderbaren
Befreiung im Vergleich zu der in 3Makk läßt an ein traditionelles
jüdisches Schema denken. Die Aussagen über die vergeltende
Pronoia haben bestimmte Entsprechungen besonders
bei Diodorus Siculus (Zeit Augustus'; eine Abhängigkeit des
Josephus von Diodor ist nicht erkennbar (161)), aber auch bei
Dionys Hai (s. o.). Bedeutender sind die Beziehungen zur zeitgenössischen
Literatur in der ethischen Auffassung der ant.
Entsprechende sittliche Ideale stoisch-kynischer Prägung liegen
schon bei Aristobul (Mitte 2. Jh. v. Chr.) und dann bei Philon
vor. Im Blick auf die ethische Deutung der Geschichte ergeben
sich Verbindungslinien zur paganen Historiographie, insbesondere
zu Dionys Hai. Die Zugehörigkeit des Josephus zu einer
bestimmten jüdischen Gruppe tritt in ant nicht hervor. — Im
abschließenden c. VI (181-184) stellt A. u. a. fest, daß die Verwendung
eines Vorbildes der paganen Geschichtsschreibung
durch Josephus wohl zu einer Umformung biblischer Themen,
aber nicht zum Aufgeben jüdischer Überlieferungen führt. Zugleich
sieht A. die besondere Prägung der Theologie in ant in
einem bestimmten Zusammenhang mit persönlichen Erfahrungen
, die Josephus im jüdischen Aufstand und in seinem Leben
in der Diaspora machte (davon war schon früher bei A. die
Rede). Im Unterschied zu den hellenistischen Historikern
schreibt er Geschichte völlig theozentrisch, im Sinn jüdischer
Frömmigkeit.

A., der schon mit Veröffentlichungen zu jüdischen Texten der
Zeit des Josephus hervorgetreten ist, hat mit seiner klar aufgebauten
und durchgeführten Untersuchung11 einen bemerkenswerten
Beitrag zum Verständnis der Theologie des Josephus4
gegeben, wie sie in dessen Geschichtsschreibung in ant 1—10
sichtbar wird — im Unterschied zu der in bell, wie er mehrfach
bemerkt'. Es wäre zu begrüßen, wenn diese Hinweise zu bell
weiterhin ausgeführt werden könnten.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Er siedelte rund 100 Jahre vor Josephus nadi Rom über.

2 Josephus' Ausführungen dazu in ant 4,131-150 an Hand von Num 25,1-3
weiden durch A. 128-132 erörtert. Im Vergleich mit Herodot 4,111-116 macht
A. besonders die Unterschiede deutlich.

3 Zu einem Mißverständnis im Vorwort: Das Inslitutum Judaicum De-
litzschianum (sie) in Münster wird von jeher durch K. H. Rengstorf geleitet;
der Name O. Michel ist nicht mit diesem, sondern mit dem Institutum Iudai-
cum in Tübingen verbunden (seit dessen Gründung 1957).

* Mehrfach übt A. verhältnismäßig scharfe Kritik an Adolf Schlattcr, Die
Theologie des Judentums nach dem Bericht des Josefus, Gütersloh 1932.

r' Z. T. im Gespräch mit Hclgo Lindner, Die Geschichtsauffassung des Flavius
Josephus im Bellum Judaicum, Leiden 1972.

Smallwood, E. Mary: The Jews under Roman Rule. From
Pompey to Diocletian. Leiden i Brill 1976. XIV, 595 S., 3 Ktn.,
1 Tab. gr. 8° = Studies in Judaism in Late Antiquity, XX.
Lw. hfl. 276.-.

Das Werk der im Bereich des antiken Judentums mannigfach
als speziell sachkundig ausgewiesenen Belfaster Altertumswis-
senschaftlerin ist nicht bloß ein neues Handbuch zur Geschichte
der Judenschaft vom 1. Jh. v. Chr. bis zum Ende des 3. Jh. n.
Chr. — das ist es freilich zumal für den politischen Bereich im
weitesten Sinn auch. Seine besondere Prägung deutet sich
jedoch im Titel mit der Wendung under Roman Rule an.

ist nicht einfach eine chronologische Angabe, sondern bezeichnet
den Leitgedanken des Buches: es stellt die Schicksale
und die Situation des jüdischen Volkes als Untertan Roms dar,

insbesondere the political relations between the Jews and the
Romans and their mutual interaction (60)Dementsprechend
ist die Diaspora, die allem nach den weitaus größeren Teil der
Judenschaft im römischen Reich ausmacht, voll einbezogen (ihr
ist etwa ein Drittel des Bandes ausdrücklich gewidmet). Zwischen
ihrem Geschick und dem der palästinischen Juden bestehen
bestimmte Wechselbeziehungen. Die besondere Situation
in Palästina begründet eine eingehende Darstellung des mehrfachen
Gestaltwandels der römischen Oberhoheit im Mutterland
des Judentums und der damit zusammenhängenden politischen
und militärischen Ereignisse. Auch an den letzteren ist
M. S. sichtlich interessiert; der letzte Kampf um Jerusalem und
den Tempel z. B. ist geradezu dramatisch beschrieben.

Wir verfolgen zunächst den Faden der Geschichte der palästinischen
Judenschaft in dem Handbuch. Die Introduction
(c. I) skizziert die Vorgeschichte der römischen Oberhoheit
über sie, die Beziehungen zwischen Rom und dem jüdischen
Volk als socii et amici, die Ausbreitung des hasmonäischen
Staates und die Ereignisse, die zum Eingreifen des Pompeius
führten (1-20). Die Zeit von 63—40 v. Chr. (c. II) kennzeichnet
M. S. durch die Überschrift The Hasmonaean client prince,
c. III beschreibt Herod's rise to power. In IV wird The Idu-
maean client king vor allem nach seinem politischen Verhalten
zumal im Blick auf Rom (60) charakterisiert, ebenso aber unter
vielfältigen anderen, auch innenpolitischen Gesichtspunkten.
Die c. V, VII und VIII schildern die weitere Entwicklung in
Palästina unter verschiedenen Betrachtungsweisen; in V geht
es um The transition from client kingdom to province (105 bis
119), in VII wird die verwaltungsmäßige Situation sowie das
Vorgehen der Statthalter und die Reaktion der Judenschaft
innerhalb der Provinz Judäa von 6 bis 41 n. Chr. dargestellt
(140-180; Pilatus: 160-172), in VIII das Regiment der Hero-
deer Philippus, Antipas und vor allem Agrippa I., dem in
seinen letzten Jahren der gesamte Herrschaftsbereich seines
Großvaters unterstand. Die Geschichte der nach Agrippas Tod
gegenüber früher wesentlich vergrößerten Provinz Judäa (44
bis 66 n. Chr.) wird in XI aufgezeigt (256-292) als die des
Sichanbahnens des Krieges von 66—70; diesem selbst ist c. XII
gewidmet (293—330). Die abschließenden militärischen Aktionen
nach 70, die Neuordnung in Judäa, die Situation — auch die
religionspolitische — des Judentums dort sind Themen von
XIII. Den Aufstand des Bar Kochba und seine Folgen behandelt
c. XVI (428-466). In XVII schreibt M. S. zunächst über die
Aufhebung des Hadrianischen Beschneidungsverbotes für die
Juden durch Antoninus Pius, die wieder einen modus vivendi
zwischen Judenschaft und Rom ermöglicht, dann über die Gestaltung
des jüdischen Lebens und der römischen Verwaltung
in Judäa in The Antonine period. In The Severan period
(XVIII) wird zumal das Verbot des Übertritts zum Judentum
wichtig. In XX werden die Auswirkungen der Wirren im römischen
Staat des 3. Jh. auf die Lage der palästinischen Judenschaft
sichtbar, nicht zuletzt auf die wirtschaftliche (526—538).

Die Schilderung der Politik Roms gegenüber der Judenschaft
in der Diaspora und die Beschreibung ihrer Situation ist mit
gutem Grund jeweils zwischen die die palästinische betreffenden
Kap. eingefügt. In VI skizziert M. S. einleitend die Entstehung
der Diaspora, kennzeichnet dann ihre Lage als religiöse
Gruppe und erörtert insbesondere ihre Sonderrechte (120
bis 143). Nicht nur in c. VI hebt M. S. die Vorzugsstellung und
den Schutz gegenüber Angriffen auf ihre Rechte hervor, die
das Imperium der Judenschaft in bezug auf ihre im Rahmen
der Umwelt ungewöhnlichen religiösen Eigenheiten gewährt
(im betonten Unterschied zu der nicht zugestehbaren staatlichen
Selbständigkeit). Die besonderen Ereignisse um die Judenschaft
in Rom von Tiberius bis Nero sind das Thema des
c. IX (201-219). In X, The Jews in Egypt and Alexandria (220
bis 255), spielen die Geschehnisse unter Gaius und Claudius'2
eine besondere Rolle (235-255). In c. XIV (356-388) handelt
M. S. vor allem über die lokal begrenzten Auswirkungen des
Jüdischen Krieges in der Diaspora, speziell im syrischen
Antiochia (nach einer Skizze der Geschichte der dortigen Judenschaft
), in Alexandria und der Kyrenaika, die Übertragung
der jüdischen Kopfsteuer für den Tempel von Jerusalem an