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Ausgabe:

1978

Spalte:

147-150

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Moll, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Lehre von der Eucharistie als Opfer 1978

Rezensent:

Feld, Helmut

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147

Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

148

Wahrheit" (69 A. 67) hat mit „gesellsdiaftsbezogener Praxis"
nichts zu tun. An einer Stelle scheint die Position von
E. Fuchs verzeichnet: Die Phänomene des Zeit gewährenden
oder entziehenden alltäglichen Brauchs der Sprache
sind bei Fuchs wohl nicht „post eventum" eingebrachte
„Illustrationen" für ein Sprachverständnis, das einzig im
Neuen Testament zu gewinnen ist (217). Auch hier handelt
es sich vielmehr um einen Zirkel zwischen der Sprache der
Texte und der des Alltags (daß „der Text" uns „erhellt"
[216], würde R. Bultmann übrigens zugeben [vgl. GuV II,
S. 228]). - Mit K. E. Logstrup (90 A. 130) ist ein dänischer
(nicht schwedischer) Theologe genannt, der sich selbst wohl
kaum als „Lutheraner" bezeichnen dürfte.

Der Leser dieses verständlich geschriebenen Buches wird
auf die angekündigte Fortsetzung (die hoffentlich auch die
exegetische Seite der Arbeit von E. Fuchs berücksichtigt)
gespannt sein. Dem (katholischen) Autor ist mit dem ersten
Band ein vielversprechender Vorentwurf gelungen. Wie
treffend sein Urteil ist, sei abschließend an einem Detail
verdeutlicht. Nicht ohne Grund wird S. 134 hervorgehoben,
daß E. Fuchs es vorzieht, „theologische Essays zu schreiben
". Dieser stilistische Hinweis gibt den Weg der Hermeneutik
von E. Fuchs besser zu verstehen als eine Vielzahl
inhaltlicher Aussagen. Denn die Form des Essays, die man
in ihrem „Kern als Möglichkeitserwägung" betrachten
kann, ist hier in der Tat durch ein Denken erzwungen, das
Vorbegriffliches intendiert, also Einsichten vermittelt, die
sich „im System wissenschaftlicher Axiomatik nicht vermessen
lassen"7. Der Stil entspricht genau der Bewegung
einer Reflexion, die den Aporien standzuhalten sucht und
zugleich den Leser beteiligen will.

Marburg Wolf gang Harnisch

1 Anspielung auf den Vorspruch von M. Heidegger. Holzwege,
Frankfurt/M 1957.

• Die Interpretation (stw 76), Frankfurt IM 1974, S. 46.

s Vgl. die an E. Fuchs anknüpfende Untersuchung von U. Sehoen-
born. Jesu sakramentale Verkündigung. Dlss. theol. Marburg 1972.

' Vgl. die bei Brantschen. a. a. O., 120 A. 238 und 127 A. 264 erwähnten
Studien von J. Fangmeier und R. Heijne sowie G. Haufe, Auf
dem Wege zu einer theologischen Hermeneutik des Neuen Testaments
, in: Bericht von der Theologie (hrsg. von G. Kulicke u. a.),
Berlin 1971, S. 63 ff.

■ II. Jonas, Gnosis und spStantiker Geist I. Göttingen 1954. S. 176.

• R. Bultmann, Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen
. 2. Aufl. Zürich/Stuttgart 1954. S. 182.

7 G.Haas, Essay (Sammlung Metzler 83), Stuttgart 1969, S. 8. 33.

Moll, Helmut: Die Lehre von der Eucharistie als Opfer. Eine
dogmengeschichtliche Untersuchung vom Neuen Testament
bis Irenäus von Lyon. Köln—Bonn: Hanstein 1975.
208 S. gr. 8" = Theophaneia. Beiträge zur Religions- und
Kirchengeschichte des Altertums, hrsg. von Th. Klauser
und E. Dassmann, 26. DM 52,—.

Der Verfasser dieser Arbeit, die im Wintersemester 1973/
74 von der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität
Regensburg als Dissertation angenommen wurde, hat
sich als Ziel gesetzt, die frühchristlichen Opfervorstellungen
in historischer und dogmengeschichtlicher Hinsicht zu untersuchen
. Näherhin geht es um die Frage, ob und in welchem
theologischen Zusammenhang in dem durch dir neu-
testamentlichen Schriften und durch das Werk des Irenäus
von Lyon begrenzten Zeitraum die Eucharistie als Opfer
bezeichnet wird.

Nach einleitenden Ausführungen über Fragestellung, Methode
, dogmengeschichtliche und kontroverstheologische
Bedeutung des Themas gibt der Vf. einen Überblick über
die wichtigsten Forschungsbeiträge zur Opfertheologie des
frühen Christentums von J. W. F. Höfling (1851) bis J. de
Watteville (1966). Es folgt eine Wortuntersuchung zu den
Begriffen thysia und prosphora in der griechischen und jü-
disch-hellenstischen Literatur einschließlich Septuaginta.
Der erste Hauptteil bietet sodann eine Darstellung des

wechselseitigen Bezugs von Eucharistie und Opfer in den
neutestamentlichen Schriften: Es werden im einzelnen die
Einsetzungsberichte, der Hebräerbrief und das Johannes-
Evangelium behandelt. Im zweiten Hauptteil untersucht der
Vf. die Opfervorstellungen und ihren Zusammenhang mit
Gottesdienst und Eucharistie im nachneutestamentlichen
Schrifttum des ersten und zweiten Jahrhunderts. In sieben
Abschnitten werden die einschlägigen Textstellen im ersten
Clemensbrief, bei Ignatius von Antiochien, in der Didache,
im Barnabasbrief, bei Justin, den Apologeten (Aristides,
Athenagoras, Diognetbrief) und bei Irenäus von Lyon analysiert
und interpretiert. Im dritten Hauptteil gibt Moll eine
zusammenfassende Darstellung der dogmengeschichtlichen
Entwicklung der Lehre von der Eucharistie als Opfer in dem
angegebenen Zeitraum.

Der Rez. ist sich der Tatsache wohl bewußt, daß diejenige
Kritik die einfachste ist, die sich darin erschöpft, aufzuzeigen
, was der Vf. bei der Bearbeitung seines Themas alles
noch hätte tun können. Eine Dissertation muß sich naturgemäß
auf einen abgegrenzten Sektor innerhalb eines
Forschungsgebietes beschränken, und das sollte ihr nicht als
Mangel angekreidet werden. Dies vorausgesetzt, ist alsdann
jedoch kritisch zu fragen, ob der Vf. alles getan hat, was er
zur Untersuchung und Darlegung seines Themas hätte tun
müssen, d. h.: was der Leser innerhalb des abgesteckten
Rahmens an Information und Forschungsleistung billigerweise
erwarten kann. Setzt man den letzteren Maßstab an,
so kann man sich bei der vorliegenden Arbeit des Eindrucks
nicht erwehren, daß sich der Vf. seine Aufgabe ein wenig zu
leicht gemacht hat und dementsprechend das Buch dann,
wenigstens teilweise, zu leichtgewichtig ausgefallen ist.

Das gilt vor allem für die grundlegenden Teile der Arbeit.
Statt einer für die Lösung der behandelten Frage wenig ergiebigen
„Wortuntersuchung" der Begriffe thysia und prosphora
wäre e?,,notwendig gewesen, eine sachlich-religionsgeschichtliche
Untersuchung der griechisch-römischen und
orientalischen Opfervorstellungen voranzustellen. Von daher
wäre es dann möglich gewesen, die etwa vorhandenen
Einflüsse und die Gegensätze zur religiösen Umwelt in den
frühchristlichen Texten präziser herauszuarbeiten, als es
z. B. in den Abschnitten geschehen ist, wo von der Bedürfnislosigkeit
Gottes die Rede ist (S. 118. 130. 147 f.). Die umfangreiche
religionsgeschichtliche Literatur zur antiken
Kult- und Opfertheologie ist vom Vf. offensichtlich nicht
herangezogen, geschweige denn ausgewertet worden.

Da es auf diese Weise versäumt wurde, sowohl den zeitgenössischen
Hintergrund wie die Eigenart der frühchristlichen
Opfervorstellungen zu erhellen, bleibt auch der vom
Vf. (S. 18) in Aussicht gestellte Ertrag für die kontroverstheologischen
Fragen gering. Interessant wäre nämlich, in
diesem Zusammenhang zu fragen, ob denn die reformatorische
Kritik am katholischen Meßopfer auch die Vorstellungen
des antiken Christentums trifft, mit anderen Worten
: ob und wie sich die von Luther bekämpfte spätmittelalterliche
Theologie der Messe von der urchristlichen und
patristischen Abendmahlsauffassung unterscheidet. Die
Ausführungen, die Moll zur Theologie Luthers und des
Tridentinums macht, sind dagegen äußerst dürftig und berücksichtigen
nicht die geschichtliche Entwicklung des Opferbegriffes
. Auch hier hat sich der Vf. leider nicht die Mühe
gemacht, die genügend vorhandene Spezialliteratur heranzuziehen
, so vor allem das wichtige Werk von C. F. Wisloff:
„Abendmahl und Messe. Die Kritik Luthers am Meßopfer".
Berlin 1969.

Wenig erfreulich ist auch die Lektüre des neutestamentlichen
Teils der Arbeit. Die Art und Weise, mit dem Neuen
Testament und der exegetischen Literatur umzugehen, entspricht
allerdings einer heute in vielen theologischen Werken
gängigen Unsitte. Da ungefähr zu jedem neutestamentlichen
Problem von den bedeutenderen Exegeten die unterschiedlichsten
Meinungen geäußert werden, ist es nicht
schwer, das für die eigene These Passende, unter Zitierung
fachwissenschaftlicher Autorität, herauszuklauben. Neu-