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Ausgabe:

1978

Spalte:

142-144

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

La culpabilité fondamentale 1978

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

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und des Lehramtes zu sein. Vermutlich aber wird der heutige
Laie an zwei Punkten Enttäuschung signalisieren: Findet
er seine persönlichen Fragen und Sorgen? Findet er sie
in der Sprache, in der er sie stellt? Und weiter: Haben die
betreffenden Autoren die Herausforderung der modernen
Wissenschaften, insbesondere der Humanwissenschaften,
genügend mutig und ausführlich aufgenommen? Ist nicht
doch vieles zu zeitlos ausgedrückt und zu wenig in die konkreten
Gegebenheiten dieser Zeit eingezeichnet? Karl Rahner
hat in einem ldeinen Vorwort auf Bitten des Verlages
eine „Kleine Hilfe für den Leser" beigesteuert, damit er das
Buch mit kritischem Verständnis benütze. Das war eine
gute Absicht. Denn es läßt sich unschwer voraussehen, daß
dieser amerikanische Katechismusversuch keinen leichten
Stand haben wird unter den obengenannten Zeitgenossen.
Wir melden dazu in Auswahl einige weitere Fragen an:

1. Kommt diese Neuaufnahme der Katechismus-
Methode von Frage und Antwort heute noch an? Leistet
sie noch das, was sie früher einmal zu leisten hatte:
Muster für den Glaubensunterricht, die Katechismusfrage
als Vorfrage, die zu weiteren eigenständigen Fragen ermutigt
? Orientieren sich Form, Sprache und Inhalt vieler
Fragestellungen nicht doch mehr an der Schultheologie und
der akademischen Diskussion als am Verlauf offener Dialoge
mit erwachsenen Christen, ganz zu schweigen von den
Fragestellungen unserer Schüler im Religionsunterricht?

2. Katechismen können gewiß nicht alles bringen. Sie
hinterher auf Lücken und Mängel durchzusehen, ist daher
wenig angemessen. Aber man kann sie auf die Verteilung
der Gewichte überprüfen. Fragen: Kommt
der kirchlichen Tradition nicht doch zu großes Gewicht zu
neben der Aufgabe, den christlichen Glauben umzusprechen
in das Heute des katholischen Christen? Steht das Gewicht,
das der Darlegung theologisch dogmatischer Inhalte gewidmet
ist, in einem vertretbaren Verhältnis zu dem Gewicht,
das den Fragen des Laien zugedacht ist? So wird er etwa innerhalb
des Ehekapitels nach der konfessionsverschiedenen
Ehe fragen und darüber nichts finden. Unter den gesellschaftspolitisch
wichtigen Problemen liest man interessante
Sätze zum 8 218, zum ärztlichen Ethos und zur Genetik, zu
Staat und Kirche, sogar zum Verhältnis des Vatikans zur
UNO. Aber man findet kaum etwas zu Fragen wie Krankheit
und Leid, Altwerden und zu den Generationsproble-
men. Themen wie Beten und Bibellesen, Gottesdienst und
Kirchenjahr, Meditation und Caritas klingen nur am Rande
an.

3. Daß sich in einem Katechismus Wiederholungen und
Überschneidungen ergeben, gehört zur Sache. Aber es entspricht
guten Gepflogenheiten jüngerer Arbeitsbücher, daß
sie jeweils an Ort und Stelle auf solche Wiederholungen
verweisen. Dies ist das sinnvollste und einfachste Hilfsnüttel
, um den Leser „kreuz und quer weiter durch den
Katechismus zu führen" (9) und seinen Inhalt voll aufzuschließen
. Offenbar hat nur der Verfasser des Kapitels
•Glaube, Hoffnung und Liebe" innerhalb seines eigenen
Kapitels an solche Möglichkeiten gedacht. Warum hat der
Herausgeber dieses System nicht für das Gesamtkorpus
übernommen?

4. Entsprechend fragt man sich, warum in einem solchen
Buch, dessen Lektüre das Studium „dicker theologischer
Bücher" (9) ersetzen soll, auf jedes Register (Sachwort-,
Bibelstellen- und Dokumentenregister) verzichtet wurde.

5- Bleibt noch ein Wort zum Problem der Sprache.
Das Vorwort zitiert Karl Rahner mit dem Satz: „Vielleicht
gibt es diese Sprache (gemeint ist, daß der gemeine Mann
auch Fragen des Glaubens verstehen kann) noch nicht, vielleicht
muß sie noch gefunden werden." Es gibt keinen Zweifel
: Verfasser und Übersetzer haben sich ernsthaft bemüht.
Der Leser möge nun selbst entscheiden, was sie auf diesem
Gebiet erreicht haben. Neben ausgesprochen gut formulierten
Stellen sind auch eine Anzahl von Fragen so formuliert
worden, wie sie der Leser heute nie stellen würde. Wo findet
sich in heutigen Erziehungsbüchern eine Formulierung wie

„die Persönlichkeit ihrer Kinder heranzubilden" (266). Was
sollen im schulischen Religionsunterricht Formulierungen
wie „Man kann nicht einfach behaupten, nur der in allgemeine
Begriffe abstrakt faßbare Bereich der Wirklichkeit
sei die einzige Grundlage für moralische Entscheidungen
und Gewissensbildungen und der einmalige, nicht faßbare
Bereich dieser gleichen Möglichkeit habe keine ethische Bedeutung
" (S. 217) oder Begriffe wie „Autoritarismus" (227),
„Moralität" (212) oder „Verähnlichung" (204)? Frage 25 (86)
lautet: „Was ist Heiligkeit?" Antwort: „Heiligkeit ist Vollendung
, Unversehrtheit, Gesundheit des Geistes." Man
könnte meinen, daß nach solcherart formulierten Antworten
das Fragen sogleich verstummt.

6. Der evangelische Leser streicht sich besonders
diejenigen Stellen an, wo auf die Reformatoren und auf die
„Kirchen der getrennten Brüder" eingegangen wird: Zur
Ökumene (44 f.), zu Maria (116), zu den Sakramenten (134 ff.),
zur Beichte und Buße (160), zum Amtsbegriff (177), zu Fragen
der Bischöfe (183), zum Abendmahl (201), zum Naturrecht
(215, 219, 227), zur Ehe (189) und zum Kirchen Verständnis
(245), um die wesentlichsten Stellen zu nennen. Polemische
Töne fehlen; die meist anzutreffenden Verben
lauten: „Die Reformatoren greifen an, verwerfen, betonen,
beklagen, führen Gründe gegen an, vereinfachen, ..." Der
Katechismus fährt dann ziemlich stereotyp so fort: „Das
Konzil von Trient bestätigt, bekräftigt, erneuert, ..." Was
man vermißt: Die Reformatoren bildeten ja nicht nur eine
Gegenfront; auch die katholische Kirche verdankt den Reformatoren
wesentliche Impulse, nicht zuletzt für ihre
biblische Erneuerung, die ohne die Theologie und die Kirchen
der Reformation gar nicht zu denken ist. Einen offenen
Dialog zur Frage des Ökumenismus als .„Rückkehr' der Protestanten
in die katholische Kirche" bringt S. 45. Eine solche
Seite wäre eher ein Muster für das, was wir in der Erwachsenenbildung
heute brauchen.

Man kann nun mit einiger Spannung abwarten, ob es in
der etwas ruhiger gewordenen katholischen Erwachsenenbildung
eine neue Belebung gibt oder ob nicht doch mancher
sagt: Der „Holländische Katechismus" hat mehr
Schwung gebracht.

Druckfehler: S. 215, 2. Satz: Hier stimmt etwas nicht! -
S. 282, 6. Zelle von unten Im 1. Absatz: Anstatt „künstliche Befruchtung
des Spermas" muß es doch wohl helJJen „kunstliche Befruchtung
mit dem Sperma". - S. 283, 9. Zeile, muß es entsprechend zu
Zeile 6 heißen: „Wissenschaft und Technologie" anstatt „Wissenschaft
und Theologie". - S. 288, letzte Zeile, 1. Absatz, muß lauten:
„. . . Gestalt; ... als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1, 26 f.).

Schwäbisch Gmünd Hartmut Jetter

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Guilluy, Paul [Ed.]: La culpabilite fondamentale, Peche ori-
ginel et anthropologie moderne, Etüde interdisciplinaire.
Preface de Ph. Delhaye. Gembloux: Duculot; Lille: Centre
interdisciplinaire des Facultas catholiques [1975]. VII,
200 S. gr. 8° = Recherches et Syntheses. Section de Morale,
XI. bfr. 420,-; ffr. 48,-.

Der kirchlich lizensierte Band enthält eine Reihe inhaltlich
aufeinander abgestimmter Aufsätze, die sich mit der
Frage der Erbsünde bzw. mit der „Grundschuld" (wie man
in wörtlicher Ubersetzung des Titels sagen müßte) der
Menschheit befassen. Wie Ph. Delhaye in seinem Vorwort
(S. III—VII) ausführt, sind diese Arbeiten in die seit Johannes
XXIII. bestehenden Bestrebungen, die christliche Botschaft
dem heutigen Menschen in angemessener Interpretation
nahezubringen, einzuordnen. Nach Paul Guilluy (In-
troduction, S. 3—4) gibt es eine rational erkennbare, jedoch
nur mit Hilfe der Bibel diagnostizierbare Menschheitsschuld
.