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1978

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2

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Salerno, Daniel von Morley, Alfredus Anglicus, Robert
Grosseteste, Wilhelm von Auvergne, Albertus Magnus, Thomas
von Aquino, Petrus Hispanus, Siger von Brabant, Duns
Scotus, Wilhelm von Ockham) sowie die „Staatsschriften"
von zehn damaligen Gelehrten (Johannes von Salisbury,
Peter von Blois, Girald von Wales, Helinand von Froidmont,
Johannes von Viterbo, Gilbert von Tournai, Thomas von
Aquin, Aegidius Romanus, Engelbert von Admont und Mar-
silius von Padua). Natürlich handelt es sich um eine Auswahl
, die gewiß durch manch klingenden Namen hätte ergänzt
werden können, vielleicht sogar müssen, um das Bild
nicht zu verzeichnen.

Als Ergebnis der Untersuchung kann eine zunehmende
Lösung von rein theologischen Anschauungen konstatiert
werden. Zwar bleibt der Glaube an den Schöpfergott unangetastet
, aber die von Gott geschaffene Ordnung erscheint
nicht mehr bloß als Wunder, sondern der menschlichen Vernunft
erfaßbar, und die im Kosmos vorhandenen Elemente
(Erde, Wasser, Licht und Feuer) oder Qualitäten (Wärme,
Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit, Schwere und Leichtigkeit
, Vollkommenheit und Mangel) wirken selbständig nach
den ihnen innewohnenden Anlagen, als deren Ursprung
zwar der Glaube Gott annimmt, die prima causa und das
Ziel alles Vollkommenheitsstrebens, die naturwissenschaftliche
Betrachtungsweise aber nur das irdisch immanente
Wechselspiel von Ursache und Wirkung zu erkennen
vermag. Weil als natürlicher Organismus begriffen, kann
der Staat mit der Natur verglichen werden und unterliegt
ähnlichen Gesetzen. So läßt sich eine fortschreitende Emanzipation
auch in den politischen Vorstellungen beobachten.
Zieht anfangs noch der Fürst als das Haupt des Gemeinwesens
und Beauftragter Gottes alles Interesse auf sich, so
wird doch allmählich mehr auf die Erziehung des Herrschers
als auf dessen Herkunft und Abstammung Wert gelegt
, falls die Prävalenz der Fürstenspiegel in der politischen
Literatur des Hochmittelalters keinen falschen Eindruck
erweckt, und beachtet man mehr und mehr die in
allen Gliedern der Gemeinschaft wirkenden Tugenden, ihr
Anteil an der göttlichen Vollkommenheit und ihr Streben
danach, so daß in Abkehr von hierarchischen Vorstellungen
zuletzt eher der Wille aller ausschlaggebend ist. Erscheint
anfangs der irdische Staat gleichsam nur als ein notwendiges
Übel zur Erreichung einer erst transzendentalen Seligkeit
, so zuletzt menschliches Glück durchaus schon im Diesseits
erlangbar und auch dazu der Staat abgezweckt. Dominiert
anfangs das Nachdenken darüber, welche soziale und
politische Ordnung dem Willen Gottes entspricht, so später,
was dem Menschen am besten konveniert.

Nach gesonderter Darstellung der einschlägigen Gedanken
jedes einzelnen Autors fragt Stürner nach den Gründen
der merkwürdig parallelen und ziemlich einheitlichen Entwicklung
. Dabei wird Verschiedenes in Erwägung gezogen,
wie literarische Abhängigkeit voneinander oder Prädisposition
durch ähnliche Ausbildung und gleiche soziale Stellung
, zuletzt tatsächliche Veränderungen etwa in der politischen
Wirklichkeit. Die mittelalterliche Quellenkunde und
auch das Wissen um den damaligen Wissenschaftsbetrieb
läßt natürlich in erster Linie an gegenseitige Abhängigkeiten
denken, und tatsächlich scheinen hier noch längst nicht
alle Möglichkeiten der Forschung ausgeschöpft, auch wenn
man die Schwierigkeiten in Rechnung stellt, die sich gerade
bei der Bearbeitung dieser meist ungenügend edierten
Quellen ergeben. Manch ermüdende Wiederholungen hätten
vielleicht vermieden werden können, hätte man von Anfang
an solchen Abhängigkeiten literarischer oder persönlicher
Art größere Aufmerksamkeit geschenkt. Bereits die Biographie
der einzelnen Autoren hätte wohl darauf verwiesen
, die freilich überall recht stiefmütterlich behandelt ist.
Zwar findet man in den Anmerkungen die nötige Literatur
und (so vorhanden) jeweils auch Untersuchungen über die
Queilenlage verzeichnet, aber im Text ist kaum die Lebenszeit
des behandelten Autors oder die Entstehungszeit seines
Werkes genannt.

In seinem Schlußkapitel versucht Stümer dafür die von
ihm aufgezeigte Entwicklung durch drei Phasen der Bekanntschaft
des Abendlandes mit der arabischen und antiken
Literatur zu erklären. Die Übersetzungstätigkeit des
Constantinus Africanus am Ende des 11. Jahrhunderts
hätte am Anfang des 12. schon wirken können, der Tole-
daner Ubersetzerkreis um Gerhard von Cremona und Do-
minicus Gundissalinus in der Mitte des 12. Jhs., dem man
Übertragungen des Avicenna und des Avencebrol verdankt
oder der Fleiß eines Michael Scotus am Hofe Kaiser Friedrichs
II. über dem Aristoteleskommentar des Averroes
hätte im 13. Jh. schon Früchte zeitigen können. Nun zeigt
sich aber, daß die abendländischen Autoren eher konservativ
waren und auf längst bekannte Werke zurückgriffen,
auf Isidor von Sevilla, Beda Venerabiiis, Plinius, Calcidius,
Johannes Eriugena, Boethius und andere. Somit muß Stürner
diese merkwürdige zeitliche Parallelität von Übersetzungstätigkeit
und Veränderung abendländischer Anschauungen
wieder aus seinen Erwägungen streichen. Es bleibt
zuletzt nur der freilich bloß angedeutete Weg, ..eine Lösung
des Problems bei inneren Faktoren, im Inneren der
Menschen selbst zu suchen", wozu allerdings noch zusätzliche
Forschungen nötig seien. Ob ihm die Historikerzunft
auf diesen doch sehr spekulativen Weg folgen wird, erscheint
mehr als fraglich. Vielleicht würde sich bei gründlicherer
Untersuchung der behandelten und einiger weiterer Schriften
sowie deren Quellen sogar das von Stürner artikulierte
Staunen über die aufgezeigte Denkentwicklung erheblich
reduzieren und darüber hinaus herausstellen, daß manche
Textpassage allzu sehr mit modernen Augen und aus moderner
Vorstellung gelesen worden ist. Dankbar aber wird
man zu seinem jedenfalls auch methodisch nicht uninteressanten
Buche greifen, um sich rasch über die naturwissenschaftlichen
und politischen Ansichten dieses oder jenes
Autors zu informieren, etwa auch laut den in den Anmerkungen
mitgeteilten Originaltexten, oder um nach Editionen
und nach der (hier freilich nicht voll ausgewerteten) Literatur
nachzuschlagen. Daß der Autor von seinem Thema
noch nicht Abschied nimmt, möchte man hoffen.

Saarbrücken Harald Zimmermann

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