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Ausgabe:

1978

Spalte:

115-116

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Goldstein, Horst

Titel/Untertitel:

Paulinische Gemeinde im Ersten Petrusbrief 1978

Rezensent:

Wolff, Christian

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 103. Jahrgang 1978 Nr. 2 [

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Jesu Haltung zum Gesetz ambivalent gewesen sei, weil es
auf die Gesetzesfrage gar nicht angekommen sei. Es wird
nicht als Problem empfunden, daß als authentisch behauptete
Worte explizite christologische Ansprüche zum Ausdruck
bringen.

Trotz dieser methodischen Einseitigkeit hat B.s Buch sein
Verdienst: aufmerksam gemacht zu haben auf die komplexe
Problematik der Gesetzesfrage in ihrem Verhältnis
zur Christologie und zur Frage nach dem historischen Jesus.
Meinung des Rezensenten ist dabei jedoch, daß diese Frage
zuallererst einmal systematisch und vor allem forschungsgeschichtlich
anzugehen wäre.

Münster Gerhard Sellin

Goldstein, Horst: Paulinische Gemeinde im Ersten Petrusbriet
Stuttgart: Kath. Bibelwerk [1975]. 119 S. 8° = Stuttgarter
Bibelstudien, hrsg. von H. Haag, R. Kilian und
W. Pesch, 80. Kart. DM 16,-.

Mit dieser Untersuchung veröffentlicht G. in gekürzter
Fassung den zweiten Teil seiner bei W. Thüsing angefertigten
und 1973 vom Katholisch-Theologischen Fachbereich
der Universität Münster angenommenen Dissertation. Bereits
das Vorwort läßt erkennen, daß der Vf. engagiert nach
Vielfalt und Entwicklung des Gemeindeverständnisses im
NT fragt (S. 5: „Vielfalt und Entwicklung, die der Kirche
heute so nottun, sind ihr vom Neuen Testament her als Auftrag
gegeben").

Die Studie, in der Einheitlichkeit und Pseudonymität des
1 Petr vorausgesetzt werden, ist in ihrem Aufbau sorgsam
durchdacht und sehr übersichtlich gegliedert. Vf. setzt bei
der Exegese von 4,10 f. und 5,1—4 ein, wobei 4,10 f. als
„paulinisch-charismatisches Erbe", 5,1—4 dagegen als Niederschlag
atl.-jüdischen Einflusses verstanden werden. Erfreulich
ist die vorsichtige Ergebnisfindung hinsichtlich der
vom 1 Petr vorausgesetzten Gemeindeverfassung. Zum Beispiel
verwahrt sich G. gegen argumenta e silentio, läßt auch
offen, ob es in den Gemeinden Presbytergremien oder jeweils
nur einen Presbyter gab, und erschließt aus 5, 2 f. eine
rechtskräftige Amtseinsetzung sowie einen hohen Verbindlichkeitsgrad
des Auftrages, der auch wirtschaftliche Aufgaben
umfaßte. Skeptisch wird man jedoch gegenüber der
Annahme unmittelbar atl.-jüdischen Einflusses bei der Hirt-
Herde-Vorstellung und dem Presbyteramt sein. Die Bilder
von der Herde und ihrem (bzw. ihren) Hirten sind ntl. Gemeindeverständnis
bekannt (vgl. Mt 18,12 ff.; Joh 21,15 ff.);
ebenso hat die Ältestenordnung z. Z. des 1 Petr bereits eine
christliche Vorgeschichte (vgl. etwa Apg 11,30 und 21,18);
Lk selbst bietet schließlich eine Verbindung von Hirten-
und Presbyterfunktion (Apg 20,17. 28). Man wird also eher
an christlichen Einfluß zu denken haben.

Ein Überblick über die gesamte Ekklesiologie des 1 Petr
schließt sich an die gründliche Exegese der beiden Einzelstellen
an. Dabei sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung
: „Ekklesiologie als anthropologisch-korporative Ge-
staltwerdung soteriologischer Erhöhungschristologie" (S. 25
bis 28) und „Ekklesiologie im Rahmen des soteriologischen
Modells der Ermöglichung von Leidensnachfolge bzw.
Schicksalsgemeinschaft mit Jesus" (S. 28 f.). Zu letzterem
Punkt wird mit Recht hervorgehoben, daß Christi Verhalten
kein zu kopierendes Beispiel ist: „Vielmehr ist das Vorbild
Christi die soteriologische Dynamik, die den Christen
in der Realität der Bedrängnis die Christusnachfolge ermöglicht
" (28).

Ausführlich wird sodann die paulinische Ekklesiologie
dargelegt und mit der des 1 Petr verglichen. G. findet eine
grundlegende Ubereinstimmung vor allem mit den zuvor
erarbeiteten beiden Hauptaspekten im Gemeindeverständnis
(sind sie spezifisch paulinisch?), übersieht aber auch die
Unterschiede nicht (z. B. spielt der Leib Christi im 1 Petr
keine Rolle, dafür die bei Paulus nicht explizit anzutreffende
Vorstellung von der Gemeinde als Priesterschar). —
Anschließend wird die Ekklesiologie der Deuteropaulinen
(Eph und Pastoralbriefe; Kol wird merkwürdigerweise weder
bei Paulus noch bei den Deuteropaulinen berücksichtigt
) beschrieben und jeweils mit dem 1 Petr in der Weise
verglichen, daß wiederum Berührungspunkte und Differenzen
, unter Beachtung der jeweils unterschiedlichen Situationen
, aufgezeigt werden.

Ein Schlußteil faßt die Ergebnisse zusammen und führt
sie weiter. G. betont hier noch einmal die starke Beeinflussung
des 1 Petr durch die paulinische Theologie (vgl. dazu
bereits S. 63 und 99). Freilich übersieht er auch nicht das
Problem, daß dieser Brief gerade nicht unter dem Namen
des Paulus, sondern des Petrus verfaßt wurde. G.s Erklärungsversuche
(nach 70 n. Chr. kamen mehrere palästinische
Christen nach Kleinasien, für die Petrus die größere
Autorität hatte als Paulus; oder: Es machen sich bereits
antipaulinische Tendenzen bemerkbar), überzeugen jedoch
nicht recht; ein vom paulinischen Denken so tief geprägter
Mann, wie der Briefschreiber es nach G. sein soll, hätte zugewanderten
palästinischen Christen oder einem Antipauli-
nismus kaum den Tribut eines petrinischen Pseudonyms
gezollt.

Uberhaupt ist es ein Mangel, daß die sogenannten Einleitungsfragen
nicht näher bedacht werden: Wo schreibt überhaupt
der Vf. des 1 Petr, in Rom (5,13) oder in Kleinasien?
Befinden sich die angeschriebenen Gemeinden tatsächlich
alle im paulinischen Missionsgebiet? — Ferner ist zu fragen,
ob die ekklesiologische Vergleichsbasis nicht zu schmal ist.
Es wurden nur Paulus und die Deuteropaulinen herangezogen
. Ein paulinischer Einfluß auf den 1 Petr soll nicht geleugnet
werden. Aber wäre nicht auch ein Vergleich mit
weiteren ntl. Ekklesiologien nötig gewesen, um das Bild abzurunden
? Für die beiden von G. betonten Hauptaspekte
wäre z. B. eine Berücksichtigung des Gemeindeverständnisses
der Apk des Johannes lohnend gewesen. Ferner wird im
Mt das Herde-Bild auf die Gemeinde angewendet (18,12ff.),
und es ist auch von der Hirtentätigkeit Jesu die Rede (15,
24; 23,37; vgl. noch deutlicher Joh 10,11 ff. und 21,15 ff.).
Ferner findet sich im 1. Evangelium die Vorstellung von der
Gemeinde als Bau (angedeutet in 16,18) und als Schar von
Brüdern (vgl. die Bruderbezeichnung in Kap. 18); schließlich
wird die Leidensgemeinschaft mit Jesus betont (z. B.
16, 24 f.). Mit diesen Hinweisen soll nicht etwa für eine literarische
Abhängigkeit des 1 Petr von Mt plädiert, sondern
nur beispielhaft darauf aufmerksam gemacht werden, daß
der 1 Petr doch wohl auf wesentlich breiterer Uberlieferungsebene
zu verstehen ist, als es eine einseitig paulinische
Interpretation zu zeigen vermag.

Es bleibt jedoch G.s Verdienst, wichtige Aspekte im Gemeindeverständnis
herausgearbeitet und mit ähnlichen
Aussagen im Corpus Paulinum eingehend verglichen zu haben
. Dadurch wurde die Arbeit sowohl am 1 Petr als auch
an der ntl. Ekklesiologie überhaupt um wertvolle Anregungen
bereichert.

Das Literaturverzeichnis ist kaum befriedigend. Wichtige Studien
fehlen, wie z. B. Ed. Schweizer, Gemeinde und Gemeindeordnung
im Neuen Testament, Zürich 1959; H. Schürmann, Die geistlichen
Gnadengaben in den paulinischen Gemeinden, Leipzig 1965. Ungenannt
bleiben auch sämtliche NT-Theologien. Von Ad. Schlatter
wurde nur die Auslegung für Bibelleser benutzt (nicht Jedoch sein
Kommentar „Petrus und Paulus nach dem ersten Petrusbrief",
Stuttgart 1937). Der Kommentar von H. Windisch ist nach der 2. Auflage
von 1930 zitiert (statt nach der 3. von H. Preisker 1951 herausgegebenen
). Der Titel des Buches von J. Blank hat als richtige Reihenfolge
„Paulus und Jesus" (nicht umgekehrt).

Berlin Christian Wolff

Andresen, Carl: Nachruf auf Walther Eltester (ZNW 68,1977
S. 1).

Arnold, Gerhard: Mk 1,1 und Eröffnungswendungen in
griechischen und lateinischen Schriften (ZNW 68, 1977
S. 123- 127).

Aus, Roger D.: The Relevance of Isaiah 66, 7 to Revelation
12 and 2 Thessalonians 1 (ZNW 67, 1976 S. 252-268).